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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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Buffon, Georges Louis Le Clerc de; Rukser, Udo [Übers.]: Über den Stil: aus einer Rede von Buffon
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0359

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Um guf schreiben zu können, mulj man seinen Stoff vollständig beherrschen. Man
muh also gründlidi nadidenken, um die Ordnung seiner Gedanken klar zu übersehen und daraus
eine Folge, eine ununterbrochene Kette bilden zu können, deren jedes Glied eine Idee darstellt;
und wenn man zur Feder gegriffen hat, dann muh man sie genau nach diesem Schema führen,
ohne ihr Abweichungen zu erlauben, darf sie nicht zu ungleichmähig handhaben, ihr auch kein
anderes Tempo geben als das nach dem zu durchlaufenden Raum bestimmte. In diesen Momenten
besteht die Strenge des Stils; sie madien auch seine Einheitlichkeit aus und bestimmen sein
Temperament; das allein genügt audi, ihn präzis und einfach, gleichmäßig und klar, lebhaft und
konsequent zu machen. Verbindet man mit dieser ersten, vom Verstand diktierten Regel Feingefühl
und Geschmack, Sorgfalt in der Wahl seiner Ausdrücke und das Bestreben, die Dinge nur mit
den allgemeinsten Ausdrücken zu bezeidmen, dann wird der Stil edel. Verbindet man damit noch
Mihtrauen gegen seine Eingebung, Verachtung für alles nur Blendende und beharrlichen Widerwillen

gegen Zweideutigkeiten und
Würde, ja majestätischen
wenn man schreibt, wie man
ist von dem, wozu man
das sdiöne Selbstvertrauen,
zogenheit bedeutet, und die
macht, vollständig seine
daß diese innere Uberzeu-
übersdiwang äußert und
das Selbstvertrauen, die
Leidensdraftlidrkeit über-
Gut sdireiben heißt zu-
len und darstellen, ist
Geist, Gefühl und Ge-
die Zusammenfassung und
Fähigkeiten voraus; nur die
des Stils, die Harmonie der
säßliches und ist abhängig
Organe. Man braudit nur
um Dissonanzen zu ver-
ein wenig durch die Lektüre
geübt und vervollkommnet
nisch zur Nachahmung der
nerisdrenWendungen zu ge-
Nachahmung nie etwas Ur-
so bedeutet auch diese Har-


Christian Rohlfs

,Dk Hexe“
Stickerei.

Possen, dann wird der Stil
Ernst haben. Und endlich,
denkt, wenn man überzeugt
überreden will, dann wird
das den andern Wohler-
Wahrheit des Stils aus-
Wirkung tun, vorausgesetzt,
gung sidi nicht in zu starkem
überall die LIrsprünglichkeil
logische Begründung die
wiegt.
gleidi gut denken, füh-
a 1 s o ein Zeugnis von
schm ade. Der Stil seßt
Übung sämtlicher geistigen
Ideen bilden die Grundlage
Worte ist nur etwas Zu-
von der Empfindlichkeit der
ein bischen Ohr zu haben,
meiden, und braucht es nur
von Rednern und Dichtern
zu haben, um fast mecha-
poetischen Kadenz und red-
langen. Da nun aber aus
sprünglidies entstanden ist,
monie der Worte weder

Wesen noch Ausdruck des Stils, und sie findet sich ja auch oft genug in gedankenlosen Sdrriften.
Der Ausdruck besteht lediglich in der Übereinstimmung des Stils mit dem Wesen des Gegen-
standes; er darf also niemals gezwungen sein; er wird sich ganz natürlich aus der Sache selbst
ergeben und im wesentlidren von dem Grad der Allgemeingültigkeit abhängen, den man seinen
Gedanken verliehen hat. Hat man sidr zu den hödrsten Vorstellungen erhoben und ist der Stoff
an sich großartig, dann wird sidi ersidiflich der Ausdruck zur gleichen Höhe erheben; hält man
ihn auf dieser Stufe und reicht die Begabung aus, jeden Gegenstand stark zu beleuchten, der
P arbensdiönheit die Bestimmtheit der Zeichnung zu verbinden, mit einem Wort, jeden Gedanken
durdi ein lebendiges und genau bestimmtes Bild darzustellen und jeder Ideenfolge ein harmonisches
und belebendes Gemälde zu sdiaffen, dann wird der Ausdruck nicht nur bedeutend, sondern
erhaben ....

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