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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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Februar-Heft
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Wehner, Eduard Lyonel: Polizeiliche Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0448

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Hauptbahnhofes im Bebauungsplan vorsieht und die Aufstellung von Schemas zur Festlegung
von Hauptgesimsoberkante über N. N. und der Dachneigung. Es ist ein bedeutsamer Anfang
zielbewuljter grol^städtisdier Volksbaukunst. Uber den weiteren Ausbau soldrer Verordnungen
und über die Erfolgsaussidrten wird im Sinne meiner Ausführungen nodr manches zu sagen
sein. Vor allen Dingen müssen sämtlidre Baugebiete von soldien Verordnungen erfaßt werden
und gerade die Wohngebiete.) Solange der Einzelne bei uns in baukünstlerischen Dingen durdi
die wüste Baumadie verflossener Zeiten so dürftig erzogen ist, kann zunächst nur ein gewisser
Zwang helfen, der sidi aber in positiver Riditung zu bewegen hat. So können wir zunächst
allerdings sdirittweise, aber doch sicher vorankommen. Das neu erwadite Gemeinsdiaftsgefühl
wird dabei helfen, bisher gebundene Kräfte frei zu machen und zur Entfaltung zu bringen.
Wie Paragraph 106 a oder 125 b von dieser neuen Bauordnung lauten könnten, ergibt sidi aus
dem neuen Geist von selbst. Es wird schwere Arbeit sein, ganz Neues zu formen, Positives,
Nutzschaffendes durdi eine „Verordnung“. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Das eine steht
fest, der alte Weg ist rettungslos versdiüttet, er führt unsere Baukunst nicht weiter, er verstopft
allen künstlerischen Fortschritt. Also weg damit und Mut zum neuen Werk!
Baurat Siebold hat gefunden, dalj in Norderney Jahrhunderte alte hübsche Fischerhäuser stehen,
die allen modernen baupolizeilichen Bestimmungen höhnend ins Gesidit schlagen. Sie würden,
heute erriditet, jedem Baupolizeirat als ganz unmöglidie Gebilde ersdieinen. Und doch stehen
sie da als unumstöblidic Wirklichkeit, als Baukunst, wenn audi bescheidenster Gestaltung. Das
sei uns Warnung und Ansporn! Wenn ein Baukünstler sich heute ans Projekt seid, so beginnt
er mit dem Studium engherzigster Paragraphen, die er in seiner Eigenschaft als Vorposten der
Volkskultur nicht begreift. Die neue Bauordnung, deren treibender Geist Stadtbaukunst heilen
mulj, könnte ihm die Freiheit künstlerisdier Konzeption wiedergeben und damit wieder befähigen,
dem Volke mit seiner Seele zu dienen. Freiheit bedeutet jedodi audi hier Verantwortung, Selbst-
zucht und Gemeinsinn. Audi hier bedarf es zunächst der Führer, selbstloser Führer mit Idealen
und Wirkhdikeitssinn, echter Künstler, keiner Baupolizeispezialisten. Wird der neue Entwurf des
Reidiswohnungskommissars uns diesem erstrebten höheren Ziel näher bringen? Nadi den bisherigen
Ergebnissen der neuesten Organisiererei vom grünen Tisdi aus auf anderen Gebieten dürften
einige Zweifel zu äußern sein!

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