Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

DOI Heft:
Februar-Heft
DOI Artikel:
Funken
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0450

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3.
„Kirchenwände für Nauen, Thorn-Prikker geht gotische Fenster !"
Bei dem beschwörenden Ruf schlägt schnell der and're das Kreuz.
„Seele erfülle die Kunst, genug des leeren Spektakels!"
Vor dem gipsernen Christ seht sich der Händler zur Wehr.
„Anschluß ans Leben der Jugend!", so predigt eifrig der eine,
Im akademischen Zwang sieht nur der and're das Heil.
Hierhin zieht der eine das Volk, der andere dorthin;
Ratlos weicht es zurück. Gebet ihm Führer und bald!

4.
Wieder tagten die Väter der Stadt und redeten weise,
Mit dem Glas der Partei starrten sie streng auf die Kunst.
Lange hielt sie es aus mit geduldig-freundlichem Lächeln,
Bis sie einer gefragt, ob proletarisch sie sei.
Da entflammte ihr Zorn, und es wandte die Aristokratin
Rasch den Rücken dem Saal: „Denket der Worte des Göb!"
Xenodokos.

Lob der Zeitschriften. Zeitschriften sind
widrtiger als Bücher ... in unseren Tagen, wo ihre
flüchtige Gestalt das im Fluß Begriffene von allem
zu symbolisieren scheint. Liegen nicht Büdrer klägerisdr
stoßweise auf unseren Tischen und Bücherbrettern,
in denen Geahntes vorschnell nah Gestalt drängte
und sidr nun in furchtbarem Wandel der Geschehnisse
als unzulänglidr erwies? Wurden sie nicht vom Sdricksal
aus Lügner und waren dodr einmal wahr empfunden,
waren des Augenblicks Wahrheit, des wahrhaft Ge-
fühlten deutlich« Form und Begriff, von keinem Makel
des Herzens und keinem Irrtum des sidi selbst erken-
nenden Geistes entstellt — nur nicht hinreidiend für
diese rasende Entwicklung der Zeit? Prophezeiungen,
Deutungen, nun so getäuschte, sie waren wahr, waren
das metaphysisch Wirkliche: ist es Schuld dieser Ge-
sichte, daß ihnen ein neues, das gewordene, dieses
Gesidrt, unser sich aufrichtendes, nicht redrt gibt, daß
es sie verleugnet, sie widerruft wie das eigene Blut
in einem Bastard, sdrreit wider sie wie gegen ein liebes
Kind? Und wirken sie nicht fort in uns, Trieb und
Aufschwung, Entschluß, Tat, einmal aus unserem Willen
entsprungene, unsere, unseren Herzens Wahrheiten und
irgendwie — nur das Vorzeidrcn verstellt oder wie
Schauspieler auf riesiger Bühne sidr in Glut verwan-
delnd — zukunfterfüllte? Bewahrt sich ihr lauterer Kern
nicht und läutert sidr ewig, nur in den Büdrern erstarrt
und entstellt vom Grausen des Seins, diesem Fluh
des Lebendigen, das immer strömt, immer wird, immer
Gesicht ist mit schmelzenden Zügen, nie Maske? . .
Aber die Zeitschriften lächeln, wenden ein Blatt und
beginnen neu auf jeder neuen Seite und tragen leiht
das Ungeheure auf ihren jünglinghaffen Sdrultern. Sie
schweben auf den Jahrgängen dahin, die Ungebundenen,

und ihrem Tänzerwesen bieten die Gestirnzeiten nidrt
halt: Jahreszeiten, die strömenden des menshlidren
Bewußtseins, sind ihre Einteilungen. Flüchtige und
lichte Stenogramme des sdrwebenden Griffels, silberne
Heersharen magisdier Hieroglyphen auf fliehenden
Himmeln verstricken das Ewige in die leichten Sdilag-
shaften äußerster Malerei. Namen verfliegen im bloßen
Klang, entrückt enteilen Geshehnisse in die wehende
Figur des unbedingt Vergänglichen, und ihre vollsten
Stimmen tönen nur nah als lange Edros, verflohten
zu mystischen Melodien in den unendlichen Wäldern
der Zukunft . . . Ludwig Erich Redslob
COLN
Die Sammlung Clemens. Herr Wilhelm Cle-
mens, ein in München lebender Maler niederrheinisdier
Herkunft, hat seine gesamte Kunstsammlung der
Stadt Cöln auf den Weihnachtstisch gelegt. Niht
eben zahlreidr waren die Kunstfreunde, denen in der
verhältnismäßig besheidenen Junggesellenwohnung in
der Schwanthalerstraße zu München der Genuß zu
Teil wurde, von diesem ungewöhnlich kenntnisreichen
und gesdimackvollen Sammler in seine Schaßkammer
eingeführt zu werden. Herr Clemens, der heute
im 73. Lebensjahre steht, hat in einer Zeit ge-
sammelt, die von der „Konjunktur" keineswegs so
abhängig war wie die unsere; daher konnte es ihm
glücken, auf zahlreihen Reisen Kunsfschäße aufzu-
spüren, deren Wert damals erst von wenigen erkannt
wurde. Er besißt etwa vierzig Gemälde alter Meister,
unter denen ein bestrickend zartes Bildchen Hans
Memlings, eine Anbetung des Kindes durh Josef
und Maria, eng verwandt dem linken Flügel von
des Meisters Triptychon mit der Anbetung der Könige

590
 
Annotationen