Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/1920
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0708
DOI Heft:
Mai-Heft
DOI Artikel:Krell, Max: Phantasie Entwicklung/Totalität
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0708
da es voller Bereitwilligkeit ist» Es glaubt, es wird nicht Zufall darin sehen, daß
Marconi heute lautliche Ströme aus außerirdischer Sphäre aufzufangen wähnt»
(Genauer: daß gerade jeßt unsere technische Vervollkommnung ihm möglich macht,
solche Schwingung zu bergen.) Ihr seht: Epochenende ist nicht Zusammenbruch.
Und da die Aufgabe der Epoche ihre bestimmte Sättigung erfuhr, erscheint natür-
lich, daß eben jeßt das Geheimnis sich lockert, wie die Verständigung zwischen
den Tieren ist; daß die Unbeirrbarkeif des Lichtes als weiche Parabel enthüllt
wird, an der ein tausendjähriger Asfronomenglaube zerschellt. Phantastische
Zeichen sind auf gerichtet. Von Fanalen werden greise Systeme zergliihf. Das
Dogma war Schußwall, Hüter wissenschaftlicher Skepsis, damit die Angeln nicht
aufsprangen vor menschlicher Eroberungslust und Gott nicht auf entlegenere Ei-
lande vertrieben würde. Wo unbekanntes Land lag, regierte immer der Krumm-
stab. Imaginäre Größe wurde in die Rechnungslücke geschoben: Religion war
das nofhelfende mechanische Prinzip. Aber Keßer lebten jederzeit. Schritt für
Schrift wich Gott zurück aus langbehüfefen Bezirken. Und der Weihrauch wurde
heftig aus der Mystik forfgeblasen. Es galt die Ergründung zweifelsfrei vorhan-
dener in Wurzel und endlicher Wirkung nodi nicht erklärbarer Kräfte. Nur die
Mitfelsfücke waren greifbar. Stärker wurde diese Spürlusf, wenn Wissen und Leben
sich enger verdichteten; wenn nur die allerleßfe Flucht in die Synthese übrig blieb:
Phantasie. Immer haben den entschiedeneren Weg die Phantasievollen gefunden,
die Revolutionäre, Querköpfe, strahläugigen Dilettanten, die das historische Tra-
bantengeschmeiß in vollkommene Flucht stießen.
Phantasie ist Seele, ist Agens, höchstes Instrument, ohne das in Forschung,Werk
und Leidenschaft kein Vorangang geschieht. Sie rundet das Greifbare in seinen
metaphysischen Linien ab; macht frei aus der Starrheit der Systeme, aus der Eng-
herzigkeit alles Exakten. Jeßt stößt sie uns, da der Erdkreis sich durch Scott und
Peary endlich ergab, in den Kosmos. Dorf dämmert neue Möglichkeit, wo im
äußersten Dunkel neben begrifflich Ergrübelfem die weiteste Fülle eines williger
Hand entgegengebreifefen Materials liegt. Wo der zweite Ring, Totalität einbe-
ziehend, um uns sich zirkelt. Hier braucht nur der Name Einstein genannt zu
werden, der den riesenhaften Werkplaß neuer geistiger Revolutionen andeutet,
Der Kosmos, gewaltig, fern noch und schwingend schon in unsere Ahnungen ge-
drängt, gehört mit allen planefarischen Staubwolken endgültig der Erde: uns —
wenn sdion wir die Erde als Zirkus rund um uns nehmen. Schwerfälligkeit ver-
bietet nodi den körperlichen Flug ins Unbegrenzte. Was wir nicht griffen noch
durchdrangen, blieb uns Bezirk der Mystik, der okkulten Siidnte. Jeßt will ein
Instinkt uns lehren, daß, was wir dunkel fasten, was seelisdie Musik uns spielt,
was Rätsel in uns klirrt, im Klang der kosmischen Gebräuche Widerhall hat. Oder:
daß die aufgezeichnete Achse unserer Visionen in ungeheurer Verlängerung die
großen Linien der Kosmologie deckt.
Marconi heute lautliche Ströme aus außerirdischer Sphäre aufzufangen wähnt»
(Genauer: daß gerade jeßt unsere technische Vervollkommnung ihm möglich macht,
solche Schwingung zu bergen.) Ihr seht: Epochenende ist nicht Zusammenbruch.
Und da die Aufgabe der Epoche ihre bestimmte Sättigung erfuhr, erscheint natür-
lich, daß eben jeßt das Geheimnis sich lockert, wie die Verständigung zwischen
den Tieren ist; daß die Unbeirrbarkeif des Lichtes als weiche Parabel enthüllt
wird, an der ein tausendjähriger Asfronomenglaube zerschellt. Phantastische
Zeichen sind auf gerichtet. Von Fanalen werden greise Systeme zergliihf. Das
Dogma war Schußwall, Hüter wissenschaftlicher Skepsis, damit die Angeln nicht
aufsprangen vor menschlicher Eroberungslust und Gott nicht auf entlegenere Ei-
lande vertrieben würde. Wo unbekanntes Land lag, regierte immer der Krumm-
stab. Imaginäre Größe wurde in die Rechnungslücke geschoben: Religion war
das nofhelfende mechanische Prinzip. Aber Keßer lebten jederzeit. Schritt für
Schrift wich Gott zurück aus langbehüfefen Bezirken. Und der Weihrauch wurde
heftig aus der Mystik forfgeblasen. Es galt die Ergründung zweifelsfrei vorhan-
dener in Wurzel und endlicher Wirkung nodi nicht erklärbarer Kräfte. Nur die
Mitfelsfücke waren greifbar. Stärker wurde diese Spürlusf, wenn Wissen und Leben
sich enger verdichteten; wenn nur die allerleßfe Flucht in die Synthese übrig blieb:
Phantasie. Immer haben den entschiedeneren Weg die Phantasievollen gefunden,
die Revolutionäre, Querköpfe, strahläugigen Dilettanten, die das historische Tra-
bantengeschmeiß in vollkommene Flucht stießen.
Phantasie ist Seele, ist Agens, höchstes Instrument, ohne das in Forschung,Werk
und Leidenschaft kein Vorangang geschieht. Sie rundet das Greifbare in seinen
metaphysischen Linien ab; macht frei aus der Starrheit der Systeme, aus der Eng-
herzigkeit alles Exakten. Jeßt stößt sie uns, da der Erdkreis sich durch Scott und
Peary endlich ergab, in den Kosmos. Dorf dämmert neue Möglichkeit, wo im
äußersten Dunkel neben begrifflich Ergrübelfem die weiteste Fülle eines williger
Hand entgegengebreifefen Materials liegt. Wo der zweite Ring, Totalität einbe-
ziehend, um uns sich zirkelt. Hier braucht nur der Name Einstein genannt zu
werden, der den riesenhaften Werkplaß neuer geistiger Revolutionen andeutet,
Der Kosmos, gewaltig, fern noch und schwingend schon in unsere Ahnungen ge-
drängt, gehört mit allen planefarischen Staubwolken endgültig der Erde: uns —
wenn sdion wir die Erde als Zirkus rund um uns nehmen. Schwerfälligkeit ver-
bietet nodi den körperlichen Flug ins Unbegrenzte. Was wir nicht griffen noch
durchdrangen, blieb uns Bezirk der Mystik, der okkulten Siidnte. Jeßt will ein
Instinkt uns lehren, daß, was wir dunkel fasten, was seelisdie Musik uns spielt,
was Rätsel in uns klirrt, im Klang der kosmischen Gebräuche Widerhall hat. Oder:
daß die aufgezeichnete Achse unserer Visionen in ungeheurer Verlängerung die
großen Linien der Kosmologie deckt.