Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0781
DOI Heft:
Juni-Heft
DOI Artikel:Fleischmann, H. R.: Expressionistische Musik in Österreich
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Holland auf das Ausland übergreifen und ihren Schwerpunkt von Wien verlegen
wird — spricht man doch sogar sdion davon, daß der Schülerkreis den beiden
Meistern nachfolgen will — labt sich im Augenblick, da diese Zeilen geschrieben
werden, noch nicht mit Gewißheit feststellen.
Der musikalische Expressionismus der sogenannten österreichischen Nachfolge-
staaten soll, als der Wiener Schule an Umfang, wenn auch nicht an Tiefe etwas nach-
stehend, kürzer behandelt werden. In Ungarn bedeutet vor allem Bela Bartök ein
neues Programm sowie strikte Abkehr von überkommenen Regeln und Gesehen.
Seine repräsentativen Werke: Oper »Blaubart«, Ballett »Der hölzerne Prinz«, zwei
Streichquartette; Suite, Allegro barbaro, Rumänische Weihnachtslieder für Klavier.
Neben ihm sein Freund Zolian Kodäly (Streichquartett) usw. Das Schaffen dieser
Neutöner baut sich mit elementarstem Kraftausdruck auf; es ist persönlichstes, in
knapp wesentlicher Sprache sich äußerndes Ausleben; Felsblöcke ohne eleganten
Schliff, unbehauen, mit dem Boden, auf dem sie schwer und wuchtig lasten, un-
löslich verbunden. In Prag, der Hauptstadt der neuen Tschechoslowakei, wirken
unbeirrt um politische Gegensähe, deutsche und tschechische Künstler, ein-
trächtig, im Dienste der neuen Musik, nebeneinander. Hier sind die maß-
gebenden Häupter der fortschrittlichen Bewegung der Deutsche Alexander
Zemlinsky und der Tscheche Vitezslav Noväk; beide durch eine Reihe hoch-
bedeutsamer Werke auch im Auslande schon längst geschäht und gewertet. Neben
und nach ihnen seien Josef Suk, Vaclav Stepän, Jar. Weinberger, Jar.
Kricka genannt. Eine Serie von kürzlich daselbst veranstalteten modernen Kon-
zerten des Wiener Arnold-Schönberg-Vereines gab Anlaß aitth zu einer ähn-
lichen Neugründung in Prag auf ufraquistischer Basis unter Leitung von Alex.
Zemlinsky und des hervorragenden tschechischen Dirigenten V. Talieh, wodurch
den expressionistischen Bestrebungen, in voller nationaler Gleichberechtigung der
die junge Republik bewohnenden Deutschen und Tschechen, ein neuer Stühpunkt
geschaffen wurde, dem als Brückenkopf für die Ausbreitung der neuen Kunst
der Tschechoslowakei ernste Bedeutung zukommt.
Der Führer der polnischen Moderne ist Karo! Szymanowski. Ihm verdankt
das junge Polen den Anschluß an den musikalischen Expressionismus. Sein
Schaffen verkörpert am reinsten und durchsichtigsten die auch in Polen sich
durchringende neue Bewegung und schlägt die Brücke zwischen den deutschen
zentraleuropäischen und dem russischen osteuropäischen Expressionismus, als
dessen hauptsächlichster Vertreter Igor Sirawinsky gilt, der jedoch hier, als außerhalb
des früheren österreichisch-ungarischen Bodens stehend, nicht weiter in Betracht
kommt. Karo! Szymanowski schrieb die Oper »Hagith«, symphonische Musik,
Klavierstücke, Lieder. Seinem Schaffen verwandt, nur um einige Nuancen ruhiger
und gesättigter, ist dasjenige Gregor Fiteibergs, der namentlich in großen
symphonischen Gemälden sein Bekenntnis zur modernen Musik ablegte.
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wird — spricht man doch sogar sdion davon, daß der Schülerkreis den beiden
Meistern nachfolgen will — labt sich im Augenblick, da diese Zeilen geschrieben
werden, noch nicht mit Gewißheit feststellen.
Der musikalische Expressionismus der sogenannten österreichischen Nachfolge-
staaten soll, als der Wiener Schule an Umfang, wenn auch nicht an Tiefe etwas nach-
stehend, kürzer behandelt werden. In Ungarn bedeutet vor allem Bela Bartök ein
neues Programm sowie strikte Abkehr von überkommenen Regeln und Gesehen.
Seine repräsentativen Werke: Oper »Blaubart«, Ballett »Der hölzerne Prinz«, zwei
Streichquartette; Suite, Allegro barbaro, Rumänische Weihnachtslieder für Klavier.
Neben ihm sein Freund Zolian Kodäly (Streichquartett) usw. Das Schaffen dieser
Neutöner baut sich mit elementarstem Kraftausdruck auf; es ist persönlichstes, in
knapp wesentlicher Sprache sich äußerndes Ausleben; Felsblöcke ohne eleganten
Schliff, unbehauen, mit dem Boden, auf dem sie schwer und wuchtig lasten, un-
löslich verbunden. In Prag, der Hauptstadt der neuen Tschechoslowakei, wirken
unbeirrt um politische Gegensähe, deutsche und tschechische Künstler, ein-
trächtig, im Dienste der neuen Musik, nebeneinander. Hier sind die maß-
gebenden Häupter der fortschrittlichen Bewegung der Deutsche Alexander
Zemlinsky und der Tscheche Vitezslav Noväk; beide durch eine Reihe hoch-
bedeutsamer Werke auch im Auslande schon längst geschäht und gewertet. Neben
und nach ihnen seien Josef Suk, Vaclav Stepän, Jar. Weinberger, Jar.
Kricka genannt. Eine Serie von kürzlich daselbst veranstalteten modernen Kon-
zerten des Wiener Arnold-Schönberg-Vereines gab Anlaß aitth zu einer ähn-
lichen Neugründung in Prag auf ufraquistischer Basis unter Leitung von Alex.
Zemlinsky und des hervorragenden tschechischen Dirigenten V. Talieh, wodurch
den expressionistischen Bestrebungen, in voller nationaler Gleichberechtigung der
die junge Republik bewohnenden Deutschen und Tschechen, ein neuer Stühpunkt
geschaffen wurde, dem als Brückenkopf für die Ausbreitung der neuen Kunst
der Tschechoslowakei ernste Bedeutung zukommt.
Der Führer der polnischen Moderne ist Karo! Szymanowski. Ihm verdankt
das junge Polen den Anschluß an den musikalischen Expressionismus. Sein
Schaffen verkörpert am reinsten und durchsichtigsten die auch in Polen sich
durchringende neue Bewegung und schlägt die Brücke zwischen den deutschen
zentraleuropäischen und dem russischen osteuropäischen Expressionismus, als
dessen hauptsächlichster Vertreter Igor Sirawinsky gilt, der jedoch hier, als außerhalb
des früheren österreichisch-ungarischen Bodens stehend, nicht weiter in Betracht
kommt. Karo! Szymanowski schrieb die Oper »Hagith«, symphonische Musik,
Klavierstücke, Lieder. Seinem Schaffen verwandt, nur um einige Nuancen ruhiger
und gesättigter, ist dasjenige Gregor Fiteibergs, der namentlich in großen
symphonischen Gemälden sein Bekenntnis zur modernen Musik ablegte.
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