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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 1.1919/​1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.29152#0786

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Belanglosigkeiten enthalten, möchte ich noch auf eine
Veranstaltung des „Arbeifsrats für Kunst“ im Gra-
phischen Kabinett und auf eine kleinere des Kunst-
gewcrbe-Museums hinweisen. Die erstgenannte, eine
Architektur - Ausstellung mit dem Titel »Neues
Bauen« wird vielen erstmalig zum Bewußtsein
bringen, worum es sidr handelt: daß nicht das Dogma
des Zweckgedankens mehr im Vordergrund der archi-
tektonischen Probleme zu stehen hat, sondern daß
wir zu unserem Heil in die Bahn des phantasie-
mäßigen, d. h. schöpferischen Bauens gerissen werden
müssen. Die praktisdre Frage der Ausführbarkeit
ist (zumal im Hinblick auf die heutige wirtsdraftlidre
Situation) weit weniger widrtig, als die Meisten den-
ken, deshalb gibt der utopische Charakter dieser
Sdrau sich völlig unverhüllt. Deshalb läßt Bruno
Tauf, der geniale, ins Kosmische greifende Phantast,
die beiden Reihen seiner graphisdren Zyklen (»Alpine
Ardiitektur « und »Weltbaumeisfer«) als Gebilde
dramatischer, lyrischer, epischer Phantasie kinemato-
graphisch an uns vorübergleiten. Deshalb sieht man
Entwürfe stärkster malerisch-ornamentaler Gesamtwir-
kung, wie die von Scharoun und Paul Goesdi, Gips-
modelle (vor allem von W. Luckhardt), deren Modellier-
charakter, also plastisdre Haltung, in die Augen springt,
deshalb sieht man ganz überhäufte Färb- und Form-
gebilde von Krayl; alles Dinge, die Kopfschütteln,
Entseßen und Zorn hervorrufen müssen. Aber ge-
rade deshalb sollen uns diese neuen Ardiitekten von
Herzen willkommen sein: sie pflanzen die Fahne des
Lebens auf! Ihre Entwürfe, die vielleidrf nie realisiert
werden (obwohl tedrnisdre Bedenken der Verwirk-
lidrung nidrt im Wege stehn!), diese Entwürfe sind
Flannnenzeidren und Aufrufe: in wem Baulusf sidr
entzünden kann, der komme und sehe unser unbe-
kümmertes Beginnen! Wir dienen einer neuen Ardri-
tektur als dem Ausdruck eines neuen Weltgcfühls,
das neue Formen und Farben mit Notwendigkeit
produzieren muß. Selbst wenn, was ich nidrt glaube,
diese Bauausstellung einen positiven Gewinn zu zei-
tigen nidrt imstande wäre, bliebe sie dennodr ein widr-
tigstes Ereignis, indem sie zeigt, was Bauen sein
sollte und was es in unsrer bisherigen Kultur nidrt
sein konnte. — Einen, wenn auch abgesdrwädrten
Eindruck solchen neuen Wollens kann sidr übrigens
jeder in der schmalen Buchveröffentlidrung des „Ar-
beitsrats für Kunst“ (mit dem Titel »Der Ruf zum
Bauen«, E. Wasnruth Verl.) versdraffen, die die
Mehrzahl der in der Ausstellung gezeigten Entwürfe
enthält. Audr sie leidet allerdings unter einer etwas
zu einseitigen Bevorzugung des Taut-Kreises.

Sdrließlidr die kleine Veranstaltung der „Offen-
badrer Schreiber“, die der Kunst des schönen,
d. h. ausdrucksvollen Sdrreibens hingegeben (wie einst
Möndre oder die Glieder eines Freundsdraftsbundes),
vor allem wieder die gotische Sdrrift zu Ehren bringen.
Man kann hier wahrhaftig lernen, was für eine außer-
ordentlidie Ornamental- und germanische Ausdrucks-
kraft den alten Typen innewohnte, bevor dieselbe
durch den Druck verloren ging. Einigen dieser Offen-
bacher Schreibemeister sißt ein bewundernswertes
Gefühl für das individuelle Leben eines jeden Einzel-
buchsfabens in den Fingern, vor allem Rud. Kodi,
dem rühmlichsf Genannten. Zugleidr ist aber dodi
mehr als historische Einfühlung auf Grund des Stu-
diums aller alten Handfrakturen da, audr der Farbe
wird eine breitere Funktion zuteil: man muß z. B.
gesehen haben, wie Kodi einen mystischen Vers auf
karmingesfrichenen Papiergrund seßf, um ihn erschüt-
ternd zum Bewußtsein zu bringen. LInvergeßlidr
bleibt seine Fähigkeit, einen Wortsinn, einen Saß-
inhalt lebendig, aufglühend zu machen, z. B. die
alte lufherisdre Litanei, hier streift er durch typogra-
phische Anordnung und Verteilung und P'arbenspiele
geradezu ans Magisdie, ebenso wie er im 90. Psalm
mit der Farbensymbolik der Grashalme und Blumen
zu reiner Kunst emporsteigt, die ihm auf illustrativem
Gebiet, also bei figuralen Kompositionen, allerdings
versagt geblieben. BEYER.
DIE FRANKFURTER KUNST- UND ANTIQUI-
TÄTENMESSE. Schon bei ihrem ersten Auftreten
im Herbst 1919 hatte die Frankfurter Internationale
Messe, die als solche wesentlidi auf den Verkauf von
Massenwaren eingestellt sein mußte, sidr eine hödrst
qualifizierte Abteilung in einer kostbar reidien Kunst-
und Antiquitäfenschau angegliedert. Wenn der Verkauf
audr soldrer individueller Werfobjekfe nicht in dem
Hasten und Trubel der Messewodre selbst erfolgen
konnte, so war dodr das künstlerische und gesdräftlidre
Ergebnis jener blendenden Ausstellung im Palais
Oppenheimer augenfällig: die gerade in leßfer Zeit
vielfadr neu gegründeten Firmen des Kunsthandels
wurden durdr diese geschmackvolle Kundgebung im
ln- und Ausland erst ridrtig bekannt. Die Stadt
Frankfurt rückte nun audr für die Zeit nadr der
Messe als Verkaufsplaß für Bilder und Antiquitäten
neben Berlin, Mündren, Köln an erste Stelle.
Diesmal hatte sidr die Frankfurter Kunst- und Anti-
quitätenmesse einen nodr stimmungsvolleren Plaß als
die immerhin etwas kahlen, vor allem zu gleichmäßig
hohen Säle des modernen Renaissancepalastes Oppen-

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