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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1898 - 30. September 1898)
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^H°n-Anschluß Nr. 82.
209.

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und den Plakatsäulm.

Telephon-Anschluß Nr. 82.

Dinnersiiz, den 8. September

1898.

Politische Umschau.
Heidelberg, 8. September.
w Bei einem Festmahl in der Provinz Westphalen indem
l-^orte Oeynhausen hat der Kaiser, der zur Zeit an-
der Manöver dort weilt, eine bemerkenswerthe An-
2?°igung gemacht. Er führte aus, daß ihm das Wohl
^stphalens stets am Herzen gelegen habe. Sowohl der
blühenden Industrie wie der Landwirthschaft werde er
s mit Rath und That zur Seite stehen. Dann fuhr er
stelu/'Ith habe Schritte gethan, soweit es in meiner Macht
Ihnen zu helfen und vor schweren wirthschaftliche Schä-
um schützen. Der Schutz der deutschen Arbeit, der
Job h der arbeiten will, ist von mir im vorigen
Dos Stadt Bielefeld feierlich versprochen worden.
^ Gesetz nähert sich seiner Vollendung und wird den
^Vertretern in diesem Jahre zugehen, worin ein Jeder,
d ^ge sein, wer er will, und heißen, wie er will, der
shz Burschen Arbeiter, der willig ist, seine Arbeit zu voll-
^ren, daran zu hindern versucht oder gar zu einem
1 anreizt, mit Zuchthaus bestraft werden
hl- Die Strafe habe ich damals versprochen und ich
wirb' bas Volk in seinen Vertretern zu mir stehen
b, um unsere nationale Arbeit in dieser Weise soweit
g^?öglich zu schützen. Recht und Gesetz müssen vor allem
svio t werden, soweit es möglich ist, werde ich dafür
baß sie aufrecht erhalten werde." — Hiernach ist ein
gesetzliches Vorgehen zum Schutz der Arbeits-
zu erwarten. Ob indessen der Reichstag sich dazu
- "ehen wird, gleich Zuchthausstrafen festzusctzen, ist doch
^ zweifelhaft.'
^glische Blätter erzählen Tag für Tag von dem
^.'sch-englischen Abkommen, das geschlossen sei,
k»!g ^Een über den Umfang und den Inhalt dieses Ab-
Hick?^ b>e ungeheuerlichsten Behauptungen aus. Aus den
^stEungen, die aus Berlin erfolgt sind, ergicbt sich,
py. England bie Delagoabay von Portugal kaufen oder
M -WM und daß Deutschland diesen Plan nicht länger
wpft. Die Delagoabay ist der natürliche Zugang zu
Ijjyh baal; im Besitze der Delagoabay gewinnen die Eng-
sie einen weiteren Einfluß auf Transvaal, zumal wenn
bie Kontrolle der von Transvaal nach der Dcla-
deii a? führenden Bahn erlangen. Nun hat Portugal
Dela ^"bern schon längst das Vorkaufsrecht für die
tz^.g°absy gewährt; verhindern kann Deutschland den
ach.ji "ichl direkt, sondern höchstens indirekt dagegen
so Wenn es den Engländern nun freie Hand läßt,
A.jskb angenommen, daß England sich in irgend einer
Sblia .Kenntlich gezeigt hat. Näheres über die Verständi-
abx? 'N noch nicht bekannt, Spekulationen darüber sind
tzr müßige Arbeit. Ein Londoner Blatt, der Daily
ü^ bhic, bemüht sich — wie es scheint im Einvcrständniß
kiigi engl. Regierung — die so sehr von den anderen
Ügk ^?stern aufgebauschte Angelegenheit auf das rich-
^ltk K zurückzuführen, indem es sagt: Es wäre ein
ü^eii ' einzubilden, die englische Diplomatie schlage
neuen Weg ein, der England an eine der beiden
Ausüben der festländischen Mächte anschließen würde. Das
dv„ Artige Amt ist einfach damit beschäftigt, eine Anzahl
sieiink M"' die in den letzten Jahren mit gewissen be-
tzthh, . ^lichten entstanden sind, zu erledigen. Die
Lhxi-'^'Mten mit Frankreich in Afrika sind zum großen
SUug er.^bigt; jetzt ist der Zeitpunkt für eine Verständi-
Ncha 'M Deutschland und Rußland gekommen. Daß eine
.Vereinbarung mit Deutschland thatsächlich ge-
si'' könne nicht gesagt werden, aber eine solche
barung sei gesichert, und es sei weit Entfernt, daß

Merklee.
Novellette von E. Ritter.

2)
. (Fortsetzung.)
o Uro? eine Broche? Na, Kleine, da bätte es wohl keiner
w doL ? .Vorbereitung bedurft, eine Brocke kannst Du Dir
wichen " M°st kaufen, dazu wird Dein Nadelgeld wohl aus-
"'ckt, Herz, doch nicht, vergiß nicht, daß wir am
»»bkn. Fer Herbstsaison stehen, da giebt es tausenderlei Aus-
U der Broche langts nicht. Aber haben muß ich sie;
/ülklx- ., nie sah ich so etwas Schönes l Und denk' nur, ein
, jovr Glücksbroche! Aus Smaragden und Brillanten
Kröche wtz', entzückend, wonnig — einfach süß! Und diese
fwlch.z.jnuk hab?,, zu meinem schwarzen Samtkleid,
^weinn,? ""i bcm Wohlthätigkeitsbazar zum Besten der Ueber-
^i>drin,'isi "7. Du weißt unter der Protektion der Frau
nudel er statt — tragen will. Es wird nur in
Dagestoilette" verkauft, weißt Du, und da ist mein
Aaen Samtkleid sehr passend. Aber natürlich, groß-
A orcken Schmuck — Colliers oder so was — kann
/Wittes fragen, und etwas Einfaches, aber doch recht
schick bwwn Zweck hab' ich nicht. Der Vierklee würde
Nickt wahr, Herzensmann, Du kaufst ihn mir?
LbeV^a Mark ist nicht zu viel dafür.'
A°rk für Du weißt nicht, was Du sprichst — fünfhundert
Uiihl im : e. Brocke — nein, das ginge' ganz gegen mein
Uten „^'llen Augenblick, selbst wenn wir in der Lage
°»Ne„ s/ofcke Summe für ein Schmuckstück ausgeben zu
Me von nn .Ändert Mark für eine Broche, jetzt, wo tau-
"4es Unnia^"^on ihrer Habe beraubt sind, wo unermeß-
Atvchxn ;Uck über einen Theil unseres Vaterlandes Herein-
mr sniE' ^Wenn jede Dame erst zu ihrem Putz für den
Jer, d-Zs-il. Summen aufwenden mutz, dann wäre es wohl
^eransÄk unterbliebe ganz und gar; dann sind die Kosten
^dert ,ng größer, als der Ertrag. Hätte ich fünf-
zur Verfügung, so würde ich sie mit Freuden

diese Verständigung irgend welche unfreundliche Aktion
gegen andere Mächte einschließe, es seien Unterhandlungen
mit ähnlichen Zwecken in Petersburg im Gange. Ueber
letzteren Punkt drückt sich der Daily Telegraph genau in
demselben Sinne aus.
Die Agence Havas meldet: Aus Besorgniß, Kaiser
Wilhelm könne seine Reise nach Palästina dazu be-
nutzen, sich das Recht des Protectorates über die
deutschen katholischen Missionare und Nieder-
lassungen im Orient zu sichern, unterbreitete Cardinal
Langs nieux dem Papste die Idee, er wolle ein
nationales Comits gründen zur Wahrung und Vertheidigung
des französischen Protectorats, dessen Untergang ein Unglück
für Frankreich sein würde. Der Papst richtete daraufhin
am 20. August ein Schreiben an Cardinal Langsnieux,
das zur Veröffentlichung bestimmt war. Der Papst überließ
es dem Cardinal, den Zeitpunkt dieser Veröffentlichung zu
wählen. Der Brief besagt, Frankreich habe im Orient
eine Mission, die die Vorsehung ihm anvertraute und die
bestätigt sei durch internationale Verträge und anerkannt
von der OouArsAation äs xropaAÄlläa liäs durch die
Erklärung vom 22. Mai 1888. Leo XIII. bestätigt
feierlich diese Erklärung, in welcher es heißt, daß der
Schutz Frankreichs, wo er in Kraft sei, gewissenhaft auf-
recht zu erhalten sei, und in dem die Missionare ausdrück-
lich angewiesen werden, im Falle der Noth sich an die
französischen Konsuln und Agenten zu wenden. Hiermit
erkennt der Papst zum ersten Male persönlich und in einem
öffentlichen Acte ausdrücklich das Recht Frankreichs an, die
Missionare und Niederlassungen des lateinischen Katechismus
im Orient zu schützen. Bei der gegenwärtigen Stellung
Deutschlands in der Welt wäre es freilich natürlicher,
wenn die deutschen katholischen Missionäre im Nothfall den
Schutz des deutschen Reiches aufsuchten. Indessen, wenn
sie darauf verzichten, wenn sie, von der Kurie veranlaßt,
unter dem französischen Protektorat verbleiben, so ist das
ihre Sache. Deutschland wird ihnen seinen Schutz nicht
aufdrängen.

Deutsches Reich.
Berlin, 7. September.
— Der Kampf gegen die großen Waarenhäuser
steht gegenwärtig auch in Deutschland auf der Tages-
ordnung, denn diese Waarenhäuser sind eine soziale Ge-
fahr, indem sie zahlreiche selbständige Kaufleute ruiniren
und die Zahl der Abhängigen vermehren. Da ist es von
Interesse zu vernehmen, daß man in Frankreich den großen
Bazaren mit Steuergesetzen scharf zu Leibe gegangen ist,
leider vergeblich. In dem Jahresbericht der Handelskammer
zu Osnabrück finden sich hierüber folgende auch an und
für sich Interesse erregende Mittheilungen:
Das bekannte große Pariser Bazargeschäft, der „Bon MarchS"
der frühem Firma Arist. Boucicaut u. Fils, hat gegenwärtig
einen Umsatz von 170 Millionen Franken und stellt also somit
etwa 2000 kleine Geschäfte dar. Die erste Besteuerung dieser
Magazine erfolgte durch ein Gesetz vom Jahre 1880; es wurden
eine Reihe von Waarengattungen bestimmt, die nur auf Grund
einer Patentabgabe verkauft werden durften. Die Taxe betrug
für Paris 100 Fr. für jedes Patent, ferner wurde eingeführt
eine Taxe für jeden Angestellten von 25 Fr. und eine propor-
tionelle Taxe von V.« des Miethwerthes. Im Jahre 1888 wurde
dieses Gesetz dahin geändert, daß die Taxe auf Angestellte ver-
doppelt, wenn sie die Zahl 200, und verdreifacht werde, wenn
sie die Zahl 1000 überstieg. Die Steuerleistung der Großmaqazine
wuchs darauf beim „Bon Marchs' von 261000 auf 424000,
beim „Louvre" von 278000 auf 413000 und beim „Printemps'
von 96000 auf 117000 Fr. Aber die Großbazare blühten
munter weiter, so daß schon im nächsten Jahre abermals eine
gesetzliche Aenderung eintrat. Ma» setzte als Grenze, wo das
Großmagazin beginnen sollte, die Beschäftigung von 100 Ange-

den Ueberschwemmten direkt spenden, liebes Herz, ich muß
mich mit hundert begnügen. Nicht wahr, Du schlägst Dir den
thörichten Wunsch aus dem Sinn, meine Ella?"
„Ach, Werner, siehst Du, ich würde noch einmal soviel
verkaufen, wenn ich die Glücksbroche zum Bazar tragen könnte,
gewiß. Und — ach — sie gefällt mir so sehr, sehr gut — sei
lieb, Werner, und schenke sie mir —'
„Ich kann nicht, Kind, wirklich nicht, es würde mich jetzt
in Verlegenheit bringen, ganz gewiß.'
„O, das ist aber häßlich" — Thränen erstickten Ellas
Stimme — „sehr häßlich von Dir — Papa würde mir einen
derartigen Wunsch nie abgeschlagen haben, Papa war so gut,
so aufmerksam —"
„Leider" — entfährt's dem Landrath.
„Wie meinst Du das?" Recht fcharf klingt die Frage.
„Ich meine, Ella, daß Dein seliger Papa Dich recht ver-
wöhnt hat, und daß es besser gewesen wäre, wenn er Dich
mehr dazu erzogen hätte, Deinen Wünschen Zügel anzulegen,
dann bätte ich nicht nöthig, gegen solche — übermüthige Ge-
lüste anzukämpfen und —"
„Spare Deine Worte es ist genug. Du sollst es nie mehr
nöthig haben, nie werde ich Dir gegenüber einen Wunsch aus-
sprechen — nein, laß nur, laß' mich — ich will nicht, es fft
mir gar nicht um die Brocke, aber ich sehe, daß Du mich
nicht mehr lieb hast, nicht ein bischen —" Damit eilt die
junge Frau hinaus, in ihr eigenes Zimmer, um sich gründ-
lich auszuweinen.

Das Mittagessen verläuft äußerst ungemüthlich. Frau
Ella trägt eine wahre Duldermiene zur Schau; der Land-
rath ist tief verstimmt. Nur die nothwendigsten Worte
werden in Rücksicht auf das bedienende Mädchen gewechselt.
Mit flüchtigem Gruß verläßt der Landrath, der zum ersten-
mal ernstlich erzürnt auf seine reizende Frau ist, das Haus,
um sich nach dem Amtsgebäude zu begeben. Frau Ella kauert
sich in einen Faullenzer beim Kamin und starrt in die
Flammen, sehr betrübt, sehr unglücklich. Wer ihr das früher

stellten fest. Für solche Unternehmungen in Städten von 100000
Einwohnern sollte die Taxe für Angestellte nunmehr 50 statt
25 Fr. betragen, und die proportionale Abgabe des Miethwertes
wurde von V,„ auf V, erhöht. Weitere Veränderungen und Ver-
schärfungen dieser Steuergesetze haben in den Jahren 1890 und
1893 stattgefunden. Auf Grund des letzten Gesetzes haben die
beiden größten Magazine zur Zeit 933 000 bezw. 800000 Fr.
an Steuern zu bezahlen. Eine dem sonstigen Detailhandel zu
Gute kommende Einschränkung der großen Magazinbetriebe hat
damit aber dennoch nicht erreicht werden können. Auch die Maß-
nahme, den Bazaren dadurch beizukommen, daß man in der
Unterscheidung der Gattungen von Maaren, die unter ein Patent
fielen, immer schärfer wurde, hat nur mäßig oder gar nicht ge-
wirkt. In dem Gesetze vom Jahre 1893 wurden 367 solcher
verschiedener Gattungen aufgezählt, die in 16 Gruppen getheilt
waren, deren jede einzelne ein besonderes Patent, d. h. eine be-
sondere Steuer verlangte. Die Deputirtcnkammer ist aber am
10. und 11. März 1898 noch weiter gegangen und hat anstatt
der bisherigen 16 Gruppen deren 24 festgesetzt. Man nimmt an,
daß nach diesem Gesetz der „Bon Marchs" nicht weniger als 2,2
Millionen Franken Steuern zu zahlen haben würde, aber man
ist doch der Ansicht, daß selbst diese Steuerlast die weitere Aus-
dehnung derartiger Geschäfte nicht zu hemmen vermögen wird.
— Der Reichsanzeiger meldet: Der Gesandte in Athen,
Frhr. v. Plessen, wurde unter dem Namen eines Grafen
Plessen-Pronstein in den Grafenstand versetzt.
Bückeburg, 7. Sept. Bei dem heutigen Manöver
setzten beide Corps die Offensive fort. Schließlich wurde
das VII. Armeecorps zum Rückzüge gezwungen. Der
Kaiser wohnte den Manövern bis zum Schluffe bei,
während die Kaiserin etwas früher zurückkehrte.
Baden. LO. Karlsruhe, 7. Sept. Die Con-
secration des neugewählten Erzb ischo fs wird lt. Freibg.
B. am 29. ds. Mts stattfinden.
LO. Karlsruhe, 7. Sept. Auf dem 9. Partei-
tag der Pfälzischen Sozialdemokraten machte der „Direktor"
der Mannh. Volksstimme Aug. Dreesbach einige Mit-
theilungen über die Kosten, welche die Redaktion des
Mannheimer sozialdemokratischen Blattes verursacht. Diese
betragen nicht weniger als 13 631 Mark!!
Karlsruhe, 6. Sept. In Offenburg scheint der
Friedensukas des Zaren mächtig Angeschlagen zu haben,
denn am nächsten Samstag veranstalten der Friedensverein,
der sozialdemokratische Verein und der demokrariiche Volks-
verein eine große Volksversammlung in der Festhalte, bei der
u. a. Abg. Geck und der frühere Abgeordnete Muser als
Friedensapostel auftreten werden.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben
dem katholischen Pfarrer Alois Dietrich in Niederrimsingen
das Ritterkreuz erster Klasse des Ordens vom Zährmger
Löwen verliehen, und den Gerichtsschreiber Josef Sckäffauer
beim Amtsgericht Engen seinem Ansuchen entsprechend unter
Anerkennung seiner langjährigen treu geleisteten Dienste
wegen vorgerückten Alters in den Ruhestand versetzt.

Ausland
Oesterreich-Ungarn. Wien, 6. Sept. Prinz Alois
Liechtenstein hielt in der Schluckenau eine Rede, in der
er das Festhalten der Christlichsozialen an der
deutschen Gemeinbürgschaft energisch betonte, die nationale
Forderung der deutschen Bezirke unterstützte und die Wie-
derannäherung der Christlichsozialen an die Deutschnatio-
nalen verlangte. Mit den Sprachenvecordnungen, führte
er aus, sei Oesterreich nicht zu regieren. Graf Thun hätte
sich deren Aufhebung durch Baron Gautsch aüsbedingen
müssen, bevor er sein Amt antrat, hätte es aber nicht ge-
than, weil er die Lage Oesterreichs ganz unrichtig beur-
theilte. „Das war der Fehler, wovon ich nicht wüßte,
wie Thun ihn wieder gut machen könnte, kein Ministerium
wird sich halten, kein Parlament arbeiten, kein ungarischer
Ausgleich parlamentarisch zu Stande kommen, ehe diese
Frage nicht aus der Welt geschafft ist."

gesagt hätte, ihr, der einzigen Tockter des wohlhabende"
Arztes, ihr, der verwöhnten Erbin, daß sie bei ihrem Gatte"
umsonst um eine Broche würde bitten müssen! Ach ja, es
ist wohl so, wie sie seither manchmal in den Zeitungen ge-
lesen hat — heut' kommts ihr recht zum Bewußtsein. Die
Frauen sind ein unterdrücktes, bedauernswerthes Geschlecht;
die Männer reißen alles an sich, und der Frau bleibt nicht
die geringste Freiheit zum Handeln. Sie war recht thöricht
gewesen, daß sie damals bei Papas Tod, vor ein- und einem
halben Jahr, kurz nach ihrer Verheirathung, so bereitwillig
Werner eine Generalvollmacht ausgestellt hatte, behufs Ord-
nung der Erbschaft. Sie war gerade krank gewesen, als der
liebe Papa starb, sie hatte nicht zur Beerdigung reisen können,
nicht selbst die Auflösung des Haushaltes leiten. Nur ein-
zelne Gegenstände die sie zu besitzen wünschte, hatte sie dem
Gatten bezeichnet, alles andere war verkauft worden an Ort
und Stelle. Werner hatte das alles besorgt, hatte die Erb-
schaft erhoben und — seltsam, daß ihr das beut zum ersten-
mal einsällt — er hat niemals versucht, ihr Reckenschaft ab-
zulegen. Sie weiß gar nicht, wieviel Vermögen Papa eigent-
lich hinterlassen bat. Sie bat es auch nie zu wissen begehrt.
Geldsachen sind ihr so zuwider, sie hat gar kein Verständniß
dafür — cs ist so prosaisch, sich darum zu kümmern. Und
sie hat immer genug gehabt. Papa hat ihr bei der Hochzeit
eine sehr ansehnliche Summe übergeben zu ihrem ganz
speziellen Gebrauch, und Werner hatte ihr ein hohes Nabel-
geld bestimmt. Aber letzteres hätte doch nicht ausgereicht,
wenn nicht das Geld von Papa geholfen hätte. Doch nun
war das all, und nun konnte sie sehen, wie sie in Zukunft
auskommen würde. Denn nach der heutigen schrecklichen
Entdeckung würde sie Werner nie wieder bitten mögen. Er
war ja offenbar geizig — fürchterlich! Sie hat es schon manch-
mal gefürchtet, aber heute ist's zur Gewißheit geworden.
Welche schreckliche Entdeckung! Einen geizigen Mann konnte
man ja gar nicht mehr lieb haben, und sie hatte doch ihren
Werner so sehr, sehr lieb. Aber das ist nun vorbei, er soll
schon sehen, was er sich verscherzt hat-
(Fortsetzung folgt.)
 
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