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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1898 - 30. September 1898)
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Mmllag, Le« 12. Ikplember

1898

y

Erscheint täglich,
sonntags ausgenommen.

zugehen. Ob den schweizer Behörden der Mörder schon
vor seiner Mordthat als Anarchist bekannt war, ist aus
den bis jetzt vorliegenden Nachrichten nicht zu ersehen.
Die ermordete Kaiserin Elisabeth war geboren
am 24. Dezember 1837, stand also im 61. Lebensjahr.
Seit dem 24. April 1854 war sie mit Kaiser Franz Joseph
von Oesterreich vermählt. Sie zeichnete sich durch große
Schönheit aus und war in Oesterreich wie in Ungarn sehr
beliebt. Der Selbstmord ihres Sohnes, des Thronfolgers,
hat sie vor zehn Jahren seelisch auf das schwerste erschüttert;
von diesem Schreck und diesem Kummer hat sich ihr Ge-
müth nie mehr völlig erholt. Deßhalb hatte sie stets einen
Arzt, der sie überwachte, in ihrer unmittelbaren Nähe.
Fast beständig war die Kaiserin unterwegs, namentlich
suchte sie die Berge auf und wanderte in ihnen mit ganz
erstaunlicher Ausdauer und Unermüdlichkeit herum.
Die weiteren Nachrichten über das schreckliche Ereigniß
ihrer Ermordung, die inzwischen eingetroffen sind, erzählen
Folgendes:
Genf, 10. Sept. Die Kaiser in von O este r r eich
wurde heute Mittag 1^ Uhr, als sie das „Hotel Beau-
Rivage" verlassen hatte, um sich zur Landungsstelle des
Dampfers zu begeben, in roher Weise von einem Menschen
angefallen und gestoßen, so daß sie niederfiel. Sie
erhob sich alsbald wieder und gelangte bis zum Schiff,
wo sie das Bewußtsein verlor. Der Capitän entschloß sich,
auf das Drängen der Personen des Gefolges, das Abfahrt-
zeichen zu geben. Kurz darauf aber stoppte das Schiff
und kehrte zur Landungsstelle zurück. Da die Kaiserin noch
immer ohne Bewußtsein war, brachte man sie auf einer
improvisirten Tragbahre wieder ins Hotel zurück, wo sie
einige Augenblicke später verschied. Man stellte fest, daß
die Kaiserin durch einen Stiletstich in die Gegend des
Herzens ermordet worden war. Der Mörder, der ver-
haftet ist, ist ein italienischer Anarchist. Er heißt L u c ch e n i,
ist in Paris geboren und in Parma heimathberechtigt. Die
Kaiserin war am Freitag von Caux nach Genf gekommen
und wollte nach Lausanne fahren.
Genf, 10. Sept. Der Mordanfall erfolgte in der
Nähe des Braunschweig-Denkmals zwischen Hotel Beau-
rivage und Dampfschiffhafen. In dem Augenblick, da die
Kaiserin auf den Landungssteg gehen wollte, stürzte
sich ein von der anderen Seite kommender
Mensch, dem ein alter Mann mit langem Barte folgte,
auf sie und versetzte ihr einen heftigen Schlag. Man nahm
zuerst an, es sei ein Faustschlag gewesen. Mit Hilfe der
Damen ihres Gefolges erhob sich die Kaiserin wieder und
es gelang ihr, das Schiff zu erreichen. Inzwischen wurde
derThäter verfolgt und verhaftet. Auf dem
Schiff erklärte die Kaiserin, ihr sei nicht wohl, und verlor
dann das Bewußtsein. Der Kapitän ging dann, trotz
seiner Bedenken, auf das Drängen des Gefolges der
Kaiserin in See. Nach kurzer Zeit gelangte man zur
Ueberzeugung, daß es unmöglich sei, die Kaiserin wieder
zur Besinnung zu bringen. Die Damen versuchten nun
den Zustand näher zu prüfen und stellten das Vorhanden-
sein eines Blutfleckens auf dem Kl ei de fest, der
von der Innenseite durchgedrungen war. Während dessen
war das Schiff in den Hafen zurückgekehrt. Nach der
Landung wurde die Kaiserin auf eine Bahre aus Segeln
und Segeltuch in das Hotel „Beaurivage" gebracht und
die Aerzte Dr. Golai und Mayor gerufen. Der Kaiser
wurde telegraphisch benachrichtet und ein Priester berufen.
Trotz angestrengtester Mühen verschied die Kaiserin
um 3 Uhr. Laut ärztlicher Untersuchung wurde der Mord
verübt mit einer dreieckigen zugespitzten Feile.
Sofort nach der That ergriff der Mörder die Flucht durch

reiten können, eine eiserne Konstitution besitzen, allerlei Ent-
behrungen ertragen, mit Jedermann und über alles reden
können, und vor allem unentwegt inmitten des Scklacht-
getümmels, während die Kugeln ihm um die Ohren sausen,
fest im Sattel sitzen und seinen Bericht schreiben können.
Solch ein Mann war Leonhard Berzhausen.
Lucie hatte von diesem Mann, den sie für einen Helden
hielt, viel gehört, und sie bewunderte insgeheim seine vielen
Vorzüge.
Eines Tages erkundigte sie sich bei einem Herrn, der ihn
kannte, nach Berzhausen und bat jenen, den Journalisten doch
bei ihr euizuführen. Er kam — Lucie fühlte sofort großes
Interesse für ihn. Er war nicht gerade ein schöner Mann,
besaß jedoch eine imposante, kraftstrotzende Gestalt und offene
treuherzige Auzen. Trotz seiner vierzig Jahre war er in
Gesellschaft auffallend schüchtern. Nur mit denen, die er
näher kannte, plauderte er sehr lebhaft und interessant, daß
man seinen Schilderungen mit wahrer Begeisterung lauschte.
Als Leonhard einige Zeit in Lucies Haus verkehrt hatte,
ertappte sich die junge schöne Wittwe manchmal dabei, daß sic
sich in Gedanken fragte: „ist er eigentlich hübsch?" — und
die Antwort lautete dann immer: „ich weiß nicht — ich glaube
— man sagt aber, er sei nicht hübsch — und eigentlich ist er
doch hübsch."
Späterhin hegte sie innerlich den Wunsch, diesen ruhigen,
ernsten Mann zum Freund zu haben. Bei seinen Charakter-
eigenichasten mußte man sich unter allen Umständen auf ibn
verlassen können. — Und bald wurde Leonhard Lucies Freund
— ein sehr ergebener, treuer Freund.
„Wann sehe ich Sie wieder?" pflegte sie jedesmal zu
fragen, wenn er sich von ihr verabschiedete.
„Wann Sie wollen. Sie brauchen nur zu befehlen,"
lautete die Antwort. Er kam jedoch nie uneingeladen.
Er stattete ihr .keine Höflichkeits- und Gelegenheitsvisiten ab,
wenn sie nicht ausdrücklich zum Kommen aufforderte.
Es war ein? stille Zeit für Lconhard's Thätigkeit, nirgends
gab es Krieg Z bezog in Friedenszeite« ein nicht gerade

die Rue des Alpes und suchte auf den Square des Alpes
zu entrinnen, wurde aber von den Lohnkutschern Victor
Vuillemin und Louis Chamartin, die in der Nähe der
Anlegestelle gehalten hatten und Zeuge des Vorganges
gewesen waren, aufgehalten und von ihnen dem Gensdarm
Kaiser übergeben, der ihn nach dem nächsten Polizeiposten
brachte. Er folgte ohne Widerstand und fang auf dem
Transport. Er sagte: „Ich habe sie gut getroffen, sie
muß todt sein!" Auf der Polizei erklärte er, er sei mittel-
loser Anarchist; er habe es nicht auf die Arbeiter, sondern
auf die Reichen abgesehen. Im Gerichtsgebäude wurde er
vom Untersuchungsrichter L e ch e t v e r n o m m e n in Gegen-
wart des Regierungsrathes Divier, des Polizeioffiziers
Thiebaud und des Staatsanwalts Navarra. Hier be-
hauptete der Mörder, er verstehe nicht Französisch, und
verweigerte zuerst jede Auskunft. Nachher sagte er, er sei
seit seinem 13. Jahre Anarchist und bereue seine That nicht.
In seinen Kleidern fand man ein Dienstbuch, mit dem
Namen Luigi Lucch eni aus Italien, geb. 21. April 1873
in Paris. Seinen Militärdienst hat er in Parma absol-
virt. Nach der Vernehmung begab sich der Staatsanwalt
nach dem Thatort; die Polizei hatte inzwischen Maßnahmen
getroffen, um durch einen besonderen Dienst die Ruhe im
Hotel Beaurivage zu sichern. Der Thatort wurde abge-
sucht, um das Mordinstrnment zu finden. Die Polizei
stellt lebhafte Nachforschungen nach etwanigen Mitschuldigen
an. — Ein Fischer behauptet, die Kaiserin sei gestern
von drei Kerlen verfolgt worden, als sie in der Stadt ver-
schiedene Einkäufe besorgte.
Genf, 10. Sept. Der Regierungsrath von Genf
trat zusammen, um die Sachlage zu prüfen. Er beschloß,
auf dem Rathhause die Cantonalfahne mit Trauerflor zu
hissen, und verfügte sich hierauf in corpore nach dem
Hotel Beaurivage, um dort seiner Trauer angemessenen
Ausdruck zu verleihen. Zahlreiche Magazine der Stadt
sind geschlossen, in Cursaal und Theatern die Vorstellungen
abgesagt. — Der Mörder hat erklärt, er sei zu dem
Zweck nach Genf gekommen, um eine hervor-
ragende Persönlichkeit zu ermorden. Er habe zu-
nächst die Absicht gehabt, den Herzog von Orleans
zu ermorden, sei aber aus Gründen, die er nicht angeben
will, von diesem Plane abgekommen. Nur durch Zufall
habe er von der Anwesenheit der Kaiserin in der Schweiz
und ihrer Fahrt nach Genf vernommen.
Bern, 10. Sept. Die Nachricht von dem an der
Kaiserin von Oesterreich verübten Morde wurde im Bundes-
rathshause mit großem Schmerze ausgenommen.
Bundespräsident Rueffy und diejenigen seiner Collegcn, die
zur Zeit von Bern abwesend sind, wurden sofort tele-
graphisch nach Bern berufen, desgleichen der Bundcsanwalt.
Der Bundesrath wird heute Abend vollzählig versammelt
sein und seine Mitglieder werden eine erste vorläufige
Unterredung haben können. Der Bundesrath ist amtlich
auf morgen, Sonntag, Vormittags 10 Uhr, einberufen
worden. Der Gesandte Oesterreich-Ungarns, Graf Kuefstein,
der sofort von dem Morde benachrichtigt wurde, begab sich
in das Bundesrathshaus und reiste dann sofort mittelst
Extrazuges in Begleitung des Sekretärs des Bundesanwalts
nach Genf ab. Der Bundesrath war wohl von der Ab-
sicht der Kaiserin, auf schweizerischem Boden zu verweilen,
benachrichtigt und diese Thatsache der Regierung des
Cantons Waadt, wo die Kaiserin sich aufhielt, zur Kennt-
niß gebracht worden, damit sie die einschlägigen Maßnahmen
treffe. Man wußte aber von der Absicht, sich nach
Genf zu begeben, im Polizeidepartement gar nichts;
die Kaiserin befand sich dort im strengsten Jncognito.
Bern, 10. Sept. Die unselige That des italienischen

glänzendes Honorar von seinem Verlag und mußte sich, da
er für andere literaische Arbeiten nicht gerade zu viel Talent
besaß, einschränken.
Lucie war bald die Vertraute all seiner Freuden und
Leiden, er erzählte ihr mit größter Offenheit alles, was ihn
betraf, und doch beklagte er sich nie, wenn Kummer oder
Aerger auf seinem Gemüth lasteten. Sie bekam nachgerade
einen solchen Einfluß auf ibn, daß sie alles aus ihm heraus-
lockte, was ihn bedrückle und was er verschwieg.
„Es muß wieder einmal ein ordentlicher Krieg kommen,"
sagte er eines Tages, als sie Plaudernd beisammen saßen.
„Das ist zwar ein unchristlicher Wunsch, den mir die Selbst-
sucht einflößt, aber schließlich sind wir Menschen alle mehr
oder weniger Egoisten, wenn wir in Verlegenheit sind-"
„Hören Sie, Herr Bergbausen," sagte Lucie, „ich bin
kürzlich hinter einige Ihrer Geheimnisse gekommen."
„Geheimnisse — ich? Ich habe gar keine!"
„Doch, doch! Ich weiß! Kürzlich hörte ich, daß Sie viel
Getv kür wohlthätige Zwecke ausgeben! Das geht über ihren
Etat!"
„Oh das — das will nichts sagen! Man muß doch die
Menschen, denen es noch schlechter geht, als unsereinem, nach
Kräften unterstützen! Das ist einfach Menschenpflicht. Ich
thue das nicht etwa, Wei! ich mitleidig oder großmüthig bin,
nein, es macht mir nur Spaß."
„Das ist ja recht schön von Ihnen. Aber das Wohlthnn
.ist ein Lurus, den sich nur die Reichen erlauben dürfen —"
„Wie Sie es zum Beispiel thun," unterbrach er sie, in-
dem er bewundernd zu ihr aufschaute.
„Ich kann es aber auch, ich habe die Mittel dazu. Aber
Sie — Sie müssen doch mit Ihren Verhältnissen rechnen —
Sie müssen an sich denken!"
„Hm, wenn man immer zuerst an sich denken wollte, dann
kämen die Anderen sehr schlecht dabei weg."
Lucie schwieg nachdenklich. Sie bewunderte den Charakter
dieses guten Menschen immer mehr.
(Fortsetzung folgt.)

Fnsertionsgebühr
15 Vf. für die Ispaltigt
Petitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
M, der Inserate auf den Plakat-
v tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Rr. 82.

Die Kaiserin von Oesterreich ermordet.
Genf, 10. Sept. Die Kaiserin von
Orsterreich ist heute Mittag am Landungs-
steg beim Hotel Beaurivage von einem
italienischen Anarchisten mittelst Stilets in
die Herzgegend gestochen worden und verstarb
alsbald im Hotel, ohne das Bewußtsein
wieder erlangt zu haben. (Wiederholt aus
einem am Samstag Abend ausgegebc^en und
Sonntag allen Abonnenten zugestellten Extra-
blatt.)
Tiefes Mitleid mit der unglücklichen Kaiserin von
Oesterreich ist das erste Gefühl, das sich wohl bei jedem
suk r Leser geregt hat, als er diese schreckliche Nachricht er-
'uhr. Die Kaiserin Elisabeth von Oesterreich hat nie eine
Msischc Rolle gespielt, sie ist nie Jemandem in den Weg
^treten, im Gegentheil, sie ging mit einer gewissen Scheu
sn Menschen aus dem Wege und trotzdem hat der Dolch
'"es Mörders diese vielgeprüfte, harmlose Frau zu seinem
Msir erwählt. Wie traurig, wie tief traurig und wie
Merklich I
- . Es ist, als wenn ein Verhängniß auf der Familie der
Merin lastet. Ihr Sohn hat sich selbst getödtel, ihre
Schwester ist verbrannt und sie selbst nun ermordet worden.
-Jr arme Kaiser Franz Joseph, der diese neue, furchtbare
. "tastrophe, diesen das Innerste aufwühlenden Jammer er-
n muß, und dazu noch im Jubiläumsjahr seiner Re-
»'"Ung!
Bon dem königlichen Opfer weg, wendet sich der Blick
dem Mörder. Mit Entsetzen und Abscheu fragt man
.7' wie eine solche Verruchtheit möglich sei. Der Mörder
wd als ein Anarchist bezeichnet, d. h. als einer, der sich
Oberhalb der Banden des Gesetzes fühlt, einer von Jenen,
'E Morden und Todtschlagen in ein gewisses Programm
Macht haben. Man darf den Anarchismus nicht für
M politische Richtung ansehen, wofür er sich gern aus-
Mn möchte, sondern er ist nichts als die Larve für den
Mikt des Mordes und der Zerstörung, der in seinen
."Hangern lebt und nach Bethätigung lechzt. Da geht
? Mensch vorbei, er sieht aus wie die anderen auch,
M in seinem Herzen lebt die Gier zum Vernichten, er
M er muß Blut sehen, sein perverser Instinkt treibt ihn
zu, und so greift er, je nach den Umständen, zum Dolch,
Messer, zur Bombe um sein blutiges Gelüste zu be-
. Häufig geht mit der Blutgier die Eitelkeit Hand in
Md. Solche Mordlustige wollen nicht nur morden,
' "dern sie wollen damit auch weithin Sensation erregen.
M sind eine beständige schwere Gefahr für die hoch-
. "enden Personen und es ist leider fast unmöglich, sie
.E' Zeiten unschädlich zu machen, denn äußerlich sieht man
ihre Mordpläne nicht an und erst wenn die That
Hetzen ist, kann man sie fassen.
Unter den Italienern, bei denen das Messerslechenleider in
eiten Bezirken eine Art Volkssitte ist, scheint die anar-
tMsche Mordsucht besonders zu grassiren. Wir erinnern
tz/tl, daß auch der Mörder Carnots ein Italiener war.
.-' wird sich für alle Staaten, in denen fremde Italiener
Menthalt nehmen, sehr empfehlen, auf sie ein wachsames
hM.ZU haben und diejenigen, die direkt als Anarchisten
. arirt find, von den Grenzen zurückzuweisen, respektive
""szuweisen. In dieser Beziehung ist die Schweiz noch
m Nachsichtig. Die schreckliche Erfahrung, die sie jetzt ge-
vir^-lM' und die der Schweiz große» Nachtheil bringt,
° sie hoffentlich veranlassen, sowohl schärfer auf die
»-Misten aufzupasscn, als auch schärfer gegen sie vor-

PreiS
"ut Familienblättern
, .'monatlich SO Pf.
in's Haus gebracht.
"rch die Post bezogen
, vi-fteljährl. 1.25
'schließlich Zustellgebühr.
^Vhon-Anschluß Nr. 82.
Nr. 212.

Lucie.
Novelle von C. Hertenbach.
n (Nachdruck verboten.)
ieh^ncie Corbach war Wittwe. Sie war jung, schön und
den In ihrer Jugend hatte sie einem älteren Mann,
DjsiUE "nHt liebte, auf Wunsch des Vaters die Hand gereicht.
LanM war Gutsbesitzer und durch die schlechte Lage der
M^wlrthschaft in große Bedrängniß oerathen, sodaß er die
/L Verbindung, die sich seiner Tochter bot, als eine
">ar j», Gasung betrachtete und — darauf bestand. Lucie
djch-Mer eine gute Tochter gewesen — sie gehorchte auch
sich ni»' ^bre Mutter war schon längst todt — es kümmerte
hej>Mwnnd um des jungen Mädchens Herzensglück. So
'hin -in Mw achtzenjäkrige Lucie Herrn Corbach und war
vn"s bfljchtgetreues Weib bis zu seinem frühen Tode.
"Mg n, E, ftdrte nicht zurück in das Haus des Vaters. Sie
ließ sisi" einer Verwandten einige Monate auf Reisen und
Heu-, ?.?ann in der Stadt nieder, wo sie ein reizendes kleines
Nn^Oadas sie sich auss behaglichste einrichtete.
schäft-« Ablauf des Trauerjahres besuchte sie wieder Gesell-
Eftiell n "d veranstaltete solche. Es dauerte nicht lange, da
M erkix Moder Heirathsanträgc; ste lehnte jedoch alle ab
Nesi .'Mte, uje wieder heirathen zu wollen. Sie batte die
e'"em Men gelernt und schauerte bei dem Gedanken, sich
Geldes ö" eigen geben zu sollen, der sie um ihres
tviirßj M'Uen nahm. Vermöge ihrer bezaubernden Liebens-
E'"e Rn» - ihr"" berückenden Schönheit spielte sie bald
M b«„ue'n der Gesellschaft, um die sie von anderen Damen
-Bogel Met Wurde. Sie selber kam sich jetzt vor wie ein
'lest ü„,M.nach langer Gefangenschaft aus dem Kerker be-
Zu °w Schwingen nach Herzenslust regen kann.
MluM^ Säften, die sie zu ihren kleinen Gesellschaften
Wüeri einzuladen pflegte, gehörte auch Leonhard Äerg-
Klikng>,Mr war seines Berufes Kriegskorrespondent. Ein
2Lanx-,,,r'chterstatter muß viele Fähigkeiten besitzen, vor allem
uth und kühnste Unerschrockenheit. Er muß tadellos
 
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