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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 229 - 254 (1. Oktober 1898 - 31. Oktober 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0413

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Freitag, den 21. Waber

1898

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Aus der Karlsruher Zeitung.
Karlsruhe, 20. Octbr. Der Großherzog wird
sich morgen früh von Schloß Baden nach Karlsruhe be-
geben, um daselbst Audienzen zu ertheilen und Vorträge
entgegcnzunehmen. Die Rückkehr nach Baden-Baden wird
Abends erfolgen.
— Registraturassistent Karl Friedrich Groß wurde zum
Amtsregistrator bei Großh. Bezirksamt Baden ernannt, dem
Aktuar Michael Ries wurde die Amtsstelle eines Verwaltungs-
assistenten beim Landesgefängniß Mannheim, dem Ftnanzasststen-
ten Eduard E ini cke eine solche beim Landesgesängniß und der
Weiberstrafanstalt Bruchsal übertragen.
— Maschinentechnische Staatsprüfung. Auf
Grund der ordnungsmäßig bestandenen maschtnentechnischen
Staatsprüfung sind unter die Zahl der Maschineningenieur-
praktikanten ausgenommen worden: Wilhelm EHermann von
Dietlingen, Otto Hesst von H eidelberg, Friedrich Land-
wehr von Müllheim, Otto yimmetheber von Karlsruhe,
Ernst Bernheim von Thiengen, Karl Stulz von Mahlberg,
Julius Beutler von Lahr, Adolf Buch von Erfurt, Julius
Nos von Karlsruhe, Friedrich Noll von Ober-Dielbach, Adolf
Holzer von Schwetzingen, Hermann Nuß von Karlsruhe.

internationale Bedenken und ohne Verkennung der eigenen
Interessen Deutschlands möglich und angemessen ist. Die
Verpflichtung der wirklichen Wahrung dieser Interessen ist
die alleinige Richtschnur der kaiserlichen Regierung." Der
Ausschuß der Colonialgesellschaft beschloß am 18. d. M.
in einer Resolution, obige Begründung anzuerkennen und
die weitere Entwicklung der Dinge abzuwarten.
— Wie erst jetzt bekannt wird, hat der Centralvor-
stand des Gustav Adolf-Vereins dem Kaiser die
Summe von 36 000 Mark für kirchliche Zwecke in Palä-
stina zur freien Verfügung gestellt. Von diesem Gelds
soll in Jerusalem eine weitere evangelische Kirche
gebaut werden, für welche der Kaiser bei seinem Aufenthalt
daselbst den passendsten Ort aussuchcn wird. Auch haben
der Kaiser und die Kaiserin die Spendung einer größeren
Summe als Beihilfe zu den Baukosten zugesagt.
— Die in München erscheinenden Pilgerbriefe theilen
mit, den Borromäerinnen in Jerusalem sei nahe-
gelegt worden, sich von Frankreich beschützen und
subventioniren zu lassen; sie hätten aber darauf verzichtet
und das deutsche Konsulat um dessen Protektorat
gebeten, welche Bitte gewährt worden sei.
Baden. L.O. Karlsruhe, 20. Oct. Der sozial-
demokratische Parteivorstand macht die Verlegung des
Volks freund nach Karlsruhe von der Sammlung eines
„genügend großen zur richtigen Finanzirung des Unter-
nehmens unerläßlichen Preßfonds" abhängig.
Baden-Baden, 20. Oct. Unter dem Vorsitze des Ober-
bürgermeisters Gönner-Baden fand heute Vormittag eine Kon-
ferenz der Oberbürgermeister des Landes, welcher auch Bürger-
meister Back-Straßburg anwohnte, statt. Zur Berathung stand
die sehr wichtige Petition an die Regierung wegen Milderung
der Maßregel gegen die Einfuhr von Schlacht-
thier en. Ueber die Beschickung der Pariser Weltausstellung
referirte Gönner-Baden. Auch andere, mehr Landesinteressen
berührende Angelegenheiten, wie Abschaffung des Ortsstatuts
über Wirthschaftskouzessionen, wurden behandelt.
Preußen. Breslau, 20. Oct. Der Chefredacteur
der Schles. Ztg., Dr. v. Falck, ist als vortragender Rath
ins Kultusministerium berufen worden.

Deutsches Reich.
Der Würzburger Professor der katholischen Theo-
Schall, setzt seinen Kampf gegenJesuitismus
dummungsPolitik unbeirrt durch die An-
mit denen ihn die gemeiner» und beschränkter»
der Centrumspresse beehren, wacker fort. In
neuern Schrift „Die neue Zeit und der alte Glaube"
»Mbnrg, Höbel) entwickelt er im Gegensatz zu der Auf-

Stadttheater.
O Heidelberg, 21. Oktober.
„Das Erbe." Schauspiel in 4 Akten von Felix Philippi.
Zum 1. Male. Herr Felix Philippi legt sich das bekannte
Dichterwort, wonach der Künstler lu das volle Menschenleben
greifen soll, auf seine eigene Weise aus und zieht daraus Nutzen
in des Wortes realster Bedeutung. Er nimmt frisch-fröhlich aus
dem Fluß der Ereignisse unserer Tage das heraus, was gerade
im Vordergründe des Interesses steht und verarbeitet es zu einem
Theaterstück: mit deutlicher Anspielung auf die Leiden Kaiser
Friedrichs erschien „Wohlthäter der Menschheit", und der Kotze-
Skandal gab ihm die Idee zu seinem „Wer war es?". Auf sein
neuestes Werk nun, das gestern Abend auf unserer Bühne er-
schien, ist es ihm gelungen, schon lange vorher die Aufmerksam-
keit ganz besonders zu konzentrireu; man sprach schon geraume
Zeit davon und besonders vorsichtige Leute wählten dazu den
Flüsterton, der ihnen als die empfehlenswertheste Tonart zur
Behandlung dieser Materie erschien: es sollte nämlich in dem
neuen Schauspiel der Rücktritt Bismarcks behandelt sein. Und
so ist es: Unter dem greifbar deutlichen Bilde eines großen
Eisenwerkes und des Verhältnisses des jungen Chefs zu dem
alten Prokuristen, der das Institut zu dem gemacht hat, was es
ist, ist der bedeutsame politische Vorhang, natürlich mit einigen
Modifikationen, und, was bei Philippi auch natürlich ist, mit
versöhnendem Abschluß dramatistrt.
Die Fabel ist sehr einfach: Die E. M. Larun'schen Eisenwerke
sind durch die geniale und rastlose Thätigkeit des ersten Beamten
des Etablissements, des Geh. Commerienrath Sartorius, der ihm
seine ganze Lebensaufgabe geweiht hat, zu einer mächtigen Be-
deutung und höchstem Ansehen gelangt. Der alte Baron Larun
hat in Erkenntniß der hohen Fähigkeit seines Mitarbeiiers die-
fem in Allem freie Hand gelassen, sodaß Sartorius mit Recht
als die Seele und der eigentliche Beherrscher dieses Reiches der

erscheint täglich.
"Magz ausgenommen.
. Preis
Familienblättern
k,, Monatlich 50 Pf.
'" Z Haus gebracht.
bezogen
dZflteljahrl. 1.25
Beßlich Zustellgebühr.
^»-Anschluß Nr. 82.

Nur frisch gewagt.
Eine heitere Garnisongeschichte von Hugo Dinkelberg.
(Fortsetzung.)
e„c^und Matze konnte es denn auch, als das Chorlied be-
tz,^.b)ar, nicht länger unterlassen, den Grafen nach dem
ly.^Ve seiner stillen Fröhlichkeit auszuforschen, und ließ sich
üenn» .' einen Blick des Einverständnisses mit den übrigen
sjjk„^en Herren wechselnd, in ein leises und heimlich ge-
Privatgespräch ein. Aber der Herr Major zeigte sich
ich- rÄ wortkarger als sein Nachbar, er lächelte, schmun-
Erkü Mttelte den Kopf und machte abwehrende Bewegungen.
«Mißlich schien ihm die Prüfung gar zu eingehend und zu
denH werden und er brach das Gespräch kurzweg mit
Pink- s gesprochenen Worten ab: „Mein herzlieber Freund
io>ch gebe Ihnen und den übrigen Herren, die uns da
d>eni„ "d beobachten, die feste Versicherung, daß ich ebenso
^Ntlw! lvie der Herr Rittmeister v- Rabenau und alle übrigen
Äcn» > den, den Schleier zu lüften vermag, welcher über dem
üchfjMto der jungen Dame ruht." Fast schien es in der
die ,des Sprechenden gelegen zu haben, durch diese Worte
tza.jfullnerksamkeit Aller zu erregen: denn laut genug dazu
deabsff.i/e gesprochen und sie hatten auch den vermutheten oder
zei„ "Misten Erfolg; denn auf allen Seiten wurden die ein-
ivu„Mudrten Gesuche abgebrochen und die ganze Gesellschaft
«i, igp siä> mit neuen Fragen und Bitten an den Grafen und
hist,,» dw zunächst sitzenden Herren, welche einstimmig die Er-
Und^^°d»aben, daß der Herr Graf nicht die Wahrheit sage
er unbedingt von der geheimnißvollen Erzählung
.deres kennen müsse. Diese Erklärung brachte aber
Äien » die ganze Gesellschaft in Aufruhr, aber der Major
klä.". trotzdem nicht Willens zu sein, diesen durch ein auf-
Wort zu stillen, er lachte frisch heraus in über-
wej?Wlcher Herzlichkeit und Fröhlichkeit und rief: „Ader
M„..Terren, ich kann doch nicht sagen, was ich nicht weiß,
omgs muß ich gestehen" — „Achtung!" liefen mehrere

Ausland.
Oesterreich-Ungarn. Wien, 20. Oct. Abgeordneten-
haus. Gregorig interpellirt Namens der Antisemiten den
Ministerpräsidenten, ob er bereit sei, zur Beruhigung der
Bevölkerung einen ausführlichen Bericht über den Pe st-
fall an der Nothnagelschen Klinik allsogleich dem Hause
bekannt zu geben und die schändlichen und ungeheure Ge-
, „so ist es, >o muß es sein, Ihr Fräulein Tochter muß uns
morgen das Räthsel lösen!"
(Fortsetzung folgt.)

JnsertionSgevühr
15 Ps. für die Ispaltige
Petiizerle oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- ',nd
Privatanzeigen bedeutend
ermäßigt.
. Gratis-Anschlag
M> der Inserate auf den Plak»t«
v tafeln der Heidelb. Zeituni
und den Plakatsäulm.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

Vom Aufenthalt des Kaiscrpaares
in Konstantinopel.
Konstantinopel, 20. Oct. Bei seinem gestrigen
H von Jedikule nach Ejub um die Mauer wurde Kaiser
von der Bevölkerung überall lebhaft begrüßt,
lkalk Botschafter wurden nach dem Empfang durch den
er auch von der Kaiserin empfangen. Um 3 Uhr Nach-
sjl W fand Frühstückstafel statt. Um halb 5 Uhr begab
das Kaiserpaar mit seinem Gefolge, dem deutschen Bot-
und dem Botschaftspersonal mit dessen Damen auf
Stationsschiff „Loreley" nach Therapia. Dort ging
dkk a sche Botschafter an Land, um die Majestäten an
^ Landungsbrücke des Sommerpalais des Botschafters zu
gongen. Der Kaiser, der Husarenuniform trug, und
Eiferin schifften sich darauf von der „Hohenzollern",
h vje „Loreley" begleitet hatte, aus und sprachen wieder-
»R Freude über den schönen Schmuck der Botschaft
h. - Es wurden Thce und Erfrischungen eingenommen,
^rend dessen der Kaiser sich längere Zeit mit Professor
cgand, dem jetzigen Leiter der Ausgrabungen von Milet,
Erhielt. Die „Loreley" krackte dann die Herrschaften
z- Ajn Schwarzen Meer und trat dann nm halb 7 Uhr
Rückfahrt an. Auf der Schraubenyacht „Teschrifie"
die Majestäten zunächst nach der Bucht
kj„ Baikop, wo auf der Jacht „Sultanie" das Mahl
si^ornmen wurde. Dann wurde die Fahrt zur Be-
der Festbeleuchtung längs der Ufer des Bos-
„ angetreten. Die Stationsgebäude am Bosporus
Hi viele Privathäuser waren aufs prächtigste erleuchtet.
minder glänzenden Lichtschmuck wiefen alle Kriegs-
auf. Der Kaiser und die Kaiserin gaben wieder-
'hrem Entzücken über das prächtige Schauspiel Aus-
dnm überaus schön war auch die Beleuchtung der
Elchen Kriegsschiffe vor Dolmabagdsche, die allgemeine
Änderung erregte. Als die „Loreley" um 11?/; Uhr
sch, zurückkehrte, wurde von drei hellerleuchteten türki-
I, " Kriegsschiffen Feuerwerk abgebrannt. Die Majestäten
Anteil in Dolmabagdsche und fuhren um 11^ Uhr zu
nach Jildis zurück.
k Heute Vormittag 10 Uhr traf das Kaiser paar auf
zu »Loreley" in dem prächtig geschmückten Haidar
Endpunkt der anawlischen Bahn zum
, "ug nach Hereke ein und wurde von dem Ver-
Änz Präsidenten Bankdirektor Siemens, Geh. Rath
d dvu, dem Director Zander und den anderen Herren
d erwaltungsrathes empfangen, die der Botschafter
sjjs-mrschall vorstellte. Militär bildete Reihen; die Musik
>Hen "^il Dir im Siegeskranz". Eine endlose Volks-
von Eingeborenen und Deutschen jubelte dem
s^vpaar zu. Die Eisenbahnschule in Haidar Pascha
bj-vvke patriotische Lieder an. Von dem Landungsplatz
vach dxm in alttürkischem Stil gehaltenen elektrisch
Wuchteten Eisenbahnwagen lagen kostbare Teppiche.
^ stürmischen Huldigungen setzte sich der Zug gleich
H °em Einsteigen des Kaiserpaares in Bewegung. Der
z. erschien auf der Plattform des Aussichtswagens und
"E sichtlich erfreut.

fassung, welche die Rettung des Katholizismus einzig von
einer hermetischen Abschließung von der Wahrheit erwartet,
das Ideal eines liberalen Katholizismus, der die bewegen-
den Mächte der Zeit, die Errungenschaften des Forschens
und Denkens in sich aufnehmen müsse. In seiner Be-
kämpfung des Konservatismus im Kirchenleben erkennt er
dessen Vorbild in den Sadducäern und Pharisäern des
alten Bundes. „Das Gemeinsame und Konservative der
Sadducäer und Pharisäer, der jüdischen Hierarchie und
Theologie lag darin, daß sie Jesus gegenüber etwas in
Religion und Kirche als wesentlich und unabänderlich auf-
recht erhalten wollten, was es nicht war, obgleich sie den
Buchstaben des Gesetzes für sich hatten." Der Verfasser
spricht dann noch über die Nutzlosigkeit der „Gewaltmaß-
regeln im Dienste der Religion", über die bedauerliche
Thatsache, daß viele Vorkämpfer des Autoritäts- und
Kirchenprinzips die Religion und das Christenthum allzu-
sehr oder fast ganz in der Kirchlichkeit aufgehen lassen.
Streng verurtheilt er „eine Gesinnung, die sich die Herr-
schaft Christi über die Seelen nicht als eine Herrschaft der
Liebe, sondern der Gewalt und des Schreckens denkt", und
die die Inquisition, die Ketzerverfolgung, den Geist des
intoleranten Absolutismus geschaffen hat. In der Welt-
herrschaft der Kirche sieht er nur die Herrschaft Gottes
und seines Wortes durch die Kraft des Geistes. Es ist
ihm ein verhängnißvoller Jrrthum, wenn man etwas, was
im Mittelalter als Erforderniß betrachtet wurde, obschon
das christliche Alterthum nichts davon wußte, als stehende
und nothwendige Institution des Christenthums auch für
die Gegenwart und Zukunft fordern wolle. Bezüglich ge-
wisser Anschauungen über „christliche Welt- und Bildungs-
verachtung" sagt Schell u. a.: „Es ist eine ganz heid-
nische Anschauung, als ob der Mensch durch den Gebrauch
seiner Geisteskräfte irgendwie aus der Abhängigkeit von
Gott herauskäme und als ob Gott deshalb ein Interesse
daran haben könne, den geistigen Fortschritt der Menschen
mit Mißtrauen zu beobachten, was darum als Sünde zu
verbieten." Er ist der Ansicht, daß die Kulturentwicklung
immer mehr aus dem Menschen eine geistig selbständige
Persönlichkeit mache und „den Kreis derer, die wirklich
durch Selbstbestimmung in religiös-sittlicher Hinsicht sind,
was sie sind, immer weiter ausdehne", er glaubt, daß die
Propaganda der Kirche in erster Linie auf die gebildete
Menschheit zu gehen hat. Benrerkenswerth ist jedenfalls
die Thatsache, daß Schell gelegentlich sich erlaubt, gewisse
crnstgesinnte Geister, die aus tiefer Hingebung für Glauben
und Kirche die Heilung der Uebelstände mit den Mitteln
der Aufklärung versuchten, anzucrkennen, z. B. den un-
ermüdlichen , tiefreligiösen, aber ' viel verdächtigen Wessen-
berg, den Fürstbischof von Würzburg, Franz Ludwig von
Erthal, oder den Bischof Sailer. Er kennt zwar die An-
sichten kirchlich gesinnter Kreise über Wessenberg, glaubt
jedoch, man dürfe „der ungerechten Verdächtigung niemals
den Namen eines edlen und wahrhaft kirchlich gesinnten
Mannes widerstandslos preiSgeben". „Entweder bekundet
das katholische Christenthum seine Befähigung, die gewaltige
Bewegung der Neuzeit zu leiten und zu befruchten, oder
es fällt dem Verdachte anheim, wenigstens irgendwie ver-
altet zu sein."
— Die Deutsche Colonial-Ztg. veröffentlicht eine Ant-
wort des Reichskanzlers vom 16. d. Mts. auf die
Eingabe der Deutschen Colonialgesellschaft, betreffend die
deutsch-englische Vereinbarung. In dem Ant-
wortschreiben heißt es, „diplomatische Gepflogenheiten,, so-
wie politische Rücksichten stehen jetzt noch der Veröffent-
lichung des Inhalts und des Vertrages zwischen Deutsch-
land und England entgegen, die erfolgt, sobald sie ohne
Stimmen, „jetzt kommt schon das Geständmß!" — „Keines-
wegs ein Gesländniß, das ein sicheres Ergebniß in Aussicht
stellt, nur eine Vermulhung, in dem Meeressturme der Un-
gewißheit ein kleiner Strohhalm, stark genug, ein Johannis-
würmchen zum rettenden Lande zu führen —" — „Nun? nun?"
fragten forschend mehrere Herren, während Freund Matze
sagte: „Meine Herren, beobachten Sie den Herrn Grafen ge-
nau, ich fürchte er findet einen Ausweg und entschlüpft uns
wieder mit seinem Geständnisse!" — „Zum Henker auch!"
entgegnete dieser, „ich will nicht entschlüpfen, nichts verheim-
lichen, weil ich nichts zu verheimlichen Habel" — Der Graf
wandte sich darauf im Examinirton an den Rittmeister von
Rabenau und fragte diesen: „Herr Kamerad, wen sollten
Sie nach dem Wunsche der unbekannten Dame hier grüßen?"
— „Die Garnison und die Morgenröthe," erwiderte der Ge-
fragte. — „Also die Morgenröthe?" wiederholte der Graf und
fuhr dann im Examen fort: „Und sagte die Dame dies letz-
tere Wort vielleicht zögernd und sich besinnend?" — „Aller-
dings und wie sich auf diesen Ausdruck besinnend!" — „Recht
so. recht so!" jubelte der Graf und rief dann: „Fähnrich!" —
„Herr Graf!" antwortete dieser, von seinem Stuhle, in wel-
chen er infolge allzuviel genossenen BiereS müde zurückge-
sunken war, jäh emporfahrend und die Finger an die Hosen-
naht legend. „Fähnrich," wiederholte der Graf, „wie heißt
auf lateinisch die Morgenröthe?" — „Aurora!" lautete die
prompt abgegebene Antwort, und „Aurora!" erscholl es im
Kreise herum, „Aurora Feuerstahl! Ihre Tochter, Herr
Bürgermeister!"
„Meine Herren," rief der Bürgermeister in den allge-
meinen Jubel hinein, „das ist ein Scherz, eine Finte vom
Herrn Grafen, ich gebe Ihnen die Versicherung, meine Tochter
war, als ich vor 8 Uhr Hierher ging, zu Hause. — „So
ist es ja nicht gemeint, Herr Bürgermeister, erwiderte der
Gruf, „ich bin nur der Ansicht, daß die fremde Dame mit dem
Gruße an die Morgenröthe Ihre Tochter im Auge hatte,
daß demnach diese Dame mit ihrer Tochter bekannt sein muß
und uns diese vielleicht über die erstere Auskunft geben kann."
„Gewiß, Herr Bürgermeister," riefen die übrigen Herren, i
 
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