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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 255 - 280 (1. November 1898 - 30. November 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0487

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mit Familienblättern
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vierteljährl. 1.25
^'schließlich Zustellgebühr.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

HkiSellikM Aituiiß.

Xr. 262. Wes Klatt. Miltmch, dra S. November

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Für hiesige Geschäfts- und
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der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Nr. 82.


Wochenchronik.
(Vom 30. October bis zum 5. November.)
Oct. 80.: Aus England kommen Nachrichten von der Mobil-
machung eines Theiles der englischen Flotte.
„ 31.: In Jerusalem findet in Anwesenheit des Kaiser«
vaares die feierliche Einweihung der Erlöser-
kirche statt.
„ 31.: Der Kaiser übernimmt in Jerusalem das ihm vom
Sultan geschenkte Terrain der Dormition de la Vierge
und überweist dasselbe dem Palästina-Verein deutscher
Katholiken zur Nutznießung.
Nov. 1.: In Frankreich kommt ein Ministerium Dupuy an
die Regierung.
„ 1.: Die amerikanischen Friedensunterhändler ver-
langen von Spanien die Abtretung sämmtlicher
Philippincninseln.
„ 3.: Bei den Abgeordnetenwahlen zum preußi-
schen Landtag büßen die Konservativen und die
Nationallibcralen einige Sitze ein.
„ 4.: Das neue französische Ministerium erzielt in der
Kammer ein Vertrauensvotum mit 429 gegen 64
Stimmen.
„ 4.: Auf Kreta ziehen die vier dort betheiligten Groß-
mächte ihre Flaggen auf, womit die thatsächliche Herr-
schaft der Türkei üler die Insel ihr Ende ge-
funden hat.
„ 4.: Frankreich entschließt sich, die Expedition Marchand
aus Faschoda zurückzuziehen.
„ 4.: Das Kaiserpaar reist per Bahn von Jerusalem
nach Jaffa und schifft sich dort nach Beyrut ein.
„ 5.: Trotzdem Frankreich die Expedition Marchand aus
Faschoda zurückzieht, setzt England seine Rüstungen
fort.

Politische Umschau.
Heidelberg, 9. November.
Der Ccntrumsabgeordnete Prinz Arenberg hat
sich dieser Tage in Berlin über die Kaiserreise nach Je-
rusalem und deren für die Katholiken so erfreuliche Er-
gebnisse in bemerkenswerther Weise ausgesprochen. Nach
der Märkischen Volksztg. sagte er: Es sei ja durch die
Presse bekannt, daß die deutschen Katholiken durch den
deutschen Kaiser das Grundstück „Dormition de la Samte
Vierge" überwiesen bekommen hätten, also jenen Ort, an
welchem die heilige Jungfrau mit dem heiligen Johannes
ihre letzten Tage beschlossen habe. Das sei eine hoch-
edle That des Kaisers, die um so höher anzuerkennen
sei, als das Grundstück nicht vom Sultan dem deutschen
Kaiser geschenkt wurde, wie von verschiedenen Seiten
behauptet werde, sondern von unserem Kaiser für eine sehr
hohe Summe gekauft worden sei. Bereits vor der
Orientreise habe der Kaiser durch den deutschen Botschafter
in Konstantinopel, Staatsminister a. D. Freiherrn v. Mar-
schall, Verhandlungen mit dem Sultan anknüpfen lassen,
um das betreffende Grundstück zn erwerben; dieselben seien
jedoch auf große Schwierigkeiten gestoßen. Wenn unser
Kaiser trotzdem sein Ziel erreicht und den deutschen Katho-
liken das Grundstück überwiesen habe, so werde diese edle
That besonders auch deßhalb noch hoch von den Katho-
liken angeschlagen, weil sie durch diese Schenkung in den
Stand gesetzt würden, an heiliger Stätte eine Kirche bauen
zu können. Wir deutschen Katholiken sind die
einzige Nat on des Abendlandes, welche nunmehr eine
der heiligen Stätten Jerusalems für sich allein besitzt.
Redner kam sodann auf die Protektorats frage zu
sprechen, die vor der Orientreise unseres Kaiserpaares von
den Franzosen in einer sehr eigenthümlichen Weise auf-
geworfen worden sei; diese glaubten ein Recht darauf zu
haben, ihren Schutz den deutschen Katholiken aufzu-
drängen, trotzdem die Vertreter der französischen Re-
gierung, zudem meist Atheisten, die schismatische Propa-
ganda ans Kosten der römischen Katholiken förderten —

wenigstens indirekt. Durch die Uebcrgabe der Dormition
de la Sainte Vierge sei dieser Streit rechtlich beendet. Die
deutschen Katholiken werden jetzt auf reichseigenem Grund
und Boden eine ihnen gehörige Kirche bauen, auf welch:
Seitens einer fremden Macht irgend ein Protektorat wohl
kaum beansprucht werden dürfte. Die edle That des
Kais-rs sei aber auch ein Akt der Parität. . . - Dies
würden die Katholiken ihm nie vergessen.
In diesen Tagen ist von französischen Blättern
sehr nachdrücklich die Frage erhoben worden, was wohl
die Alliance mit Rußland werth sei, wenn Frank-
reich aus Faschoda vor dem bestimmten Willen Eng-
lands zurückweichen mußte? Die einst über alle Maßen
gerühmte Alliance! wurde in der letzten Woche in Frank-
reich nur noch sehr gering bewerthet. Nun h aben aber die
russischen Blätter soeben eine Antwort gegeben, die Frankreich
überrascht und erfreut und den Werth der Alliance wieder sehr
steigen läßt. Die russischen Blätter sagen: nun gut, Frank-
reich geht aus Faschoda heraus, aber wie ist es denn mit
England und Egypten? Wie Frankreich aus Faschoda
hcrausgeht, so möge England aus Egygten heraus-
gehen; es ist endlich Zeit dazu! Man muß nämlich
wissen, daß England s. Zt. als es Egypten gelegentlich
des Arabi-Aufstandes besetzte, die Versicherung gab, es
wolle durchaus nicht dauernd in Egypten bleiben, sondern
das Pharaonenland wieder verlassen, wenn sich dort geordnete
Verhältnisse eingestellt haben würden. Seitdem sind 16
Jahre verflossen, ohne daß England seine Mission als er-
füllt ansähe. Wenn nun die russischen Blätter die Ansicht
der leitenden russischen Kreise wiedergegeben haben, so
wäre man in Rußland nicht abgeneigt, die Frage der
Räumung Egyptens durch England auf die Tagesordnung
zu setzen. Ist dies richtig, dann sind die energischen und
andauernden Rüstungen Englands erklärlich, dann zieht
aber auch eine sehr drohende Wolke an dem politischen
Horizont herauf.

Deutsches Reich.
— Ueber die Reise des Kaiserpaares nach Da-
maskus und seinen Aufenthalt dortselbtt ist noch zu be-
richten : Auf der ersten Station von Beyrut aus, in Alleih,
wurde das Kaiscrpaar von dem Generalgouverneur des
Libanon, Raum Pascha, begrüßt. Die Gemahlin Raums,
eine Tochter Franki Paschas, der im Jahre 1869 als
Gouverneur des Libanon den Kronprinz von Preußen em-
pfangen hatte, überreichte der Kaiserin einen Blumenstrauß.
Die Wache war von der libanonischen Miliz gestellt. Die
von allen Seiten herbeigeströmten Drusenstämme des Ge-
bietes brachten Huldigungen dar. Der Kaiser verlieh
Raum Pascha den Rothen Adlerorden 1. Klasse. In
Moallaka meldete sich der Generalgouverneur von Damas-
kus, Naszim Pascha. Auf allen Stationen, vor denen
der Eisenbahnzug vorbeikam, war die Bevölkerung zahl-
reich versammelt und wiederholte unaufhörlich den arabi-
schen Ruf: „Gott möge den Kaiser segnen und ihm langes
Leben schenken!" Die Begeisterung der Menge machte
einen unbeschreiblichen Eindruck. Die Ankunft erfolgte kurz
nach 5 Uhr. Der Kaiser ritt zu Pferde in die Stadt.
Die Begeisterung erreichte hier ihren Höhepunkt. Die Reihe
bildenden türkischen Truppen stießen unaufhörlich ihr
„Tschok Uascha" aus, während eine nach Hunderttausenden
zählende Menschenmenge den Kaiser mit freudigen Zu-
rufen begrüßte. Das Kaiserpaar stieg im Militärserail ab.
Der Weg dahin konnte nur mit Mühe frei gemacht werden,
da die Menge Kopf an Kopf alle Straßen füllte. Trotz
des ungeheuren Meuschenzuflusses herrschte musterhafte

* Das Romanfeuilleton findet der Leser im heutigen
Zweiten Blatt.

Erstes Concert des Bachvereins.
Heidelberg, 8. November.
Sein Publikum und sein altes Glück sind dem Bachverein
treu geblieben. Der Schöpfer und Leiter desselben, Herr Prof.
Wolfrum, wurde, der freundlichen Sitte gemäß, mit Beifall
empfangen. Es ist wohl am Platz, zumal bei Beginn der Saison,
üch dankbar und freudig daran zu erinnern, daß Prof. Wolfrum
für Heidelberg eine neue ungeahnte Musikaera geschaffen hat,
deren hohe künstlerische Bedeutung enthusiastischer Würdigung
allezeit werth war und ist.
Die Kunst eines Saisonprogramms besteht im richtigen Cres-
cendo. In Anwendung desselben hat Prof. Wolfrum piano ein-
Sesetzt, musikalisch-universell, mit nur etwas erzwungener Allianz
von Beethoven, Wagner, Dvorak, Liszt und Schumann, einer
Allianz, die den Dirigenten vielleicht ein gewisses Zugeständniß
gekostet, dem Publikum aber desto mehr Freude bereitet hat.
. Beethovens Symphonien sind nicht Sache der freien Wahl,
sondern der Pflichterfüllung für jedes Concertinstitut. Sie müssen
"gelmäßig wtederkehren wie die Feiertage im Kalender. Dieses
Mal war es der Fest- und Feiertag der heiligen Erorca, bei der
leder Musikalische einmal im Jahr mindestens seine Andacht gern
und ergeben verrichten soll.
Leider sind uns diese Werke so zu eigen geworden, daß sie
uns nicht mehr oder doch nur unter ganz ungewöhnlichen Voraus-
setzungen zu Offenbarungen werden. Die Hauptbedingung hierfür
fit das Orchestermaterial. Die Grenzen der Menschheit, an denen
nch der Dirigent hier einst stieß, sind weiter und weiter gedehnt
worden, so weit die Kräfte reichten, aber Prof. Wolfrum mag
smmerr noch seufzen: „mein Vaterland muß größer sein." Mit dem
Streichquartett kann man sehr zufrieden sein, nur seine quanti-
tatwe Verstärkung ist noch zu erwarten, am meisten, besonders
hmpchtlich der Instrumente, lassen einzelne Posten der Holzbläser
°u wünschen, die Blechblasinstrumente sind zum größten Theil
fchr gut besetzt.

In der klaren pietätvollen Ausarbeitung der Symphonie hatte
Prof. Wolfrum seine sichere, ruhige Dirigentenhand walten lassen.
Die Tempowahl ist individuell. Wir wißen, daß er bei Beet-
hoven in langsamen Sachen zu breiter Entfaltung neigt. Es
mag dahin gestellt bleiben, ob das Haupt- und Heldenthema des
I. Satzes so gemessen-ruhig ausklingt, ob es nicht feuriger
und stürmischer zu einer gewaltigen Explosion drängt, jedenfalls
befremdet die Verlangsamung des II. Marschsatzes zu düster-
schleichendem Trauerzug. In den beiden ersten Sätzen ließ sich
das Orchester kleine Unebenheiten zu Schulden kommen.
! Desto frischer mutheten die raschen Sätze an.
! Die Palme durfte man der Durchführung des Scherzos —
die gefährliche Hornpassage zeugte nur in ihrem ersten Auftreten
j von „Nerven" — zuerkennen. Auch der letzte Satz hatte Vollkraft
und rüstiges Leben.
Vorzüglich gelang Schumann's Genoveva-Ouvertüre. Es
war sicherlich mehr als Zugeständniß, es war gewiß unfreiwillige
Sympathie, was den Leiter auf dieses lange nicht gehörte Werk
hinwies. Der Lyriker Schumann zeigt hier einen merkwürdig
dramatischen Wurf. Dieser konzeutrirte, in strammster Steigerung
aufwachsende musikalische Gedanke hat etwas unleugbar Lapi-
dares. Ist doch — und das hat Liszt wie kein Zweiter er-
kannt — gerade Genoveva eine Oper, die, innigst verwandt mit
„Euryanthe", unbewußt Wagner'schen Prinzipien-Tendenzen
zustrebt. Ihr Unglück war es, daß ihre vortrefflichen Eigen-
schaften bei dem Größeren potenzirt und erdrückend gewaltig
auftraten.
Was wohl andererseits Prof. Wolfrum zu Dvorak ge-
führt haben mag? Wenn Dvorak Herrn Wolfrum willkommen
ist, dem Publikum kann das nur willkommen sein. Der Slave
ist sicherlich kein ausgeprägter musikalischer Charakterkopf, aber
eine liebenswürdige, geistreiche Physiognomie. Mehr das slavische
Kostüm, was ihm so gut steht, als das, was in dem Kostüm
steckt, ist es, was ihn anziehend erscheinen läßt. Die Legenden
sind typisch für seine gefällige, leichtfaßliche, geistvolle, aber nicht
großartige Kompositionsweise. Fein und immer geschmackvoll ist,
wie seine Erfindung, auch seine Instrumentation. Seine Schwäche
ist eine gewisse Gleichförmigkeit, die bei dem Auftreten einer

Ordnung. Die Wohnung des Kaiserpaares war von vor-
nehmen Arabern in künstlerischer Weise mit Möbeln und
Stoffen ausgestattet worden. Um 7 Uhr sand bei dem
Kaiserpaar ein Essen statt, zu dem die Spitzen der Be-
hörden eingeladen waren. — Am Dienstag Vormittag
besuchte das Kaiserpaar die vor einigen Jahren abge-
brannte, jetzt aber in Wiederherstellung begriffene pracht-
volle Ommijadenmoschee und drei der interessantesten
vornehmen arabischen Häuser, darunter das Haus, in dem
Kaiser Friedrich als Kronprinz im Jahre 1869 wohnte,
und das deutsche Consulat. Die Begeisterung der Be-
völkerung von Damaskus ist ganz unbeschreiblich. Das
Wetter ist prachtvoll; Mittags heiß, die Nacht frisch.
Alles ist wohl.
— Das Kaiserpaar wird die Rückreise nach
Deutschland von Kleinasien aus ganz zur See machen,
also das Mittelländische Meer der Länge nach durchfahren,
die Straße von Gibraltar passiren und dann um die West-
küste von Portugal, Spanien und Frankreich herum fahren,
den Aermelkanal passiren und schließlich in der Nordsee
einlaufen. Aus allen inzwischen aus Jerusalem vorliegenden
Nachrichten geht unzweideutig hervor, daß die körperlichen
Anstrengungen aller Theilnehmer an den dortigen Festlich-
keiten infolge der ungewöhnlichen tropischen Hitze außer-
ordentlich groß gewesen sind. Das trifft natürlich auch
auf die Kaiserin zu, die mehrere Tage über sieben Stunden
bei glühender Sonne hat im Sattel zubringen, auch bei
langen Wagenfahrten wegen des unbeschreiblichen Staubes
und der mangelnden Luftbewegung schwere Strapazen hat
durchmachen müssen. Die Kaiserin hat diese allerdings
vorzüglich überstanden. Es ist aber eine selbstverständliche
ärztliche Vorsicht,, daß das Kaiserpaar noch nicht in weni-
gen Tagen direkt von dem heißen Süden nach dem kalten
Norden zurückkehrt, sondern durch eine längere Schifffahrt
sich für den Eintritt in den Winter körperlich kräftigen
soll. Auf der Heimreise wird die Hohenzollern in dem
spanischen Häsin Cadix anlegen. Der spanische Minister-
rath hat auf die Nachricht hievon beschlossen, das spanische
Geschwader zum Empfange dorthin zu senden.
— Der Germania zufolge beschloß die Bischofskon-
screnz zu Fulda eine Dankadresse an Seine Majestät
den Kaiser wegen der Schenkung des Grundstückes
„Dormition de la Vierge" zu Jerusalem.
Baden, st Mannheim, 8. Nov. Zum ersten Male seit
langen Jahren wird sich bei den Wahlen zur Krsisver-
sammlung, die morgen stattfinden, eine lebhaftere Bethei-
iignng geltend machen, da außer der nationalliberalen Partei
auch die Demokraten, Freisinnigen und das Centrum eine ge-
meinsame Vorschlagsliste aufgestellt haben. Voraussichtlich wer-
den auch die Sozialdemokraten für die Oppositionsliste einlreten,
so daß ein Sieg derselben nicht unwahrscheinlich ist. Ein Sieg
der Opposition ist umso eher möglich, als sie mit ihrem Wahl-
vorschlag erst in letzter Stunde herausgerückt sind, so daß die
nationalliberale Partei nicht mehr im Stande ist, eine regere
Betheiligung seitens ihrer Mitglieder an der Wahl herbeizufüh-
ren. Bisher gingen die Kreiswahlen stets unter einer lächerlich
geringen Betkeilianua vor sich._
Aus der Karlsruher Zeitung.
Karlsruhe, 8. Nov. Der Großherzog erhielt
am Sonntag ein Telegramm des Kaisers aus Beyrut über
die am Samstag dortselbst erfolgte glückliche Ankunft.
Gestern Abend spät traf ein weiteres Telegramm aus
Damaskus ein, worin Seine Majestät hochbefriedigt von
dem Ueberschreiten des Libanon sich äußert und Damas-
kus als eine der schönsten Städte schildert, wo Ihren
Majestäten ein begeisterter Empfang von der aus weitem
Umkreis zusammengeströmten muselmännischen Bevölkerung
zn Theil ward. Die Reise war von herrlichem Wetter
begünstigt.

Vierzahl von Legenden fast ermüdend wirkt. Den Vorzug unter
der gebotenen Auswahl verdient Nr. 1; die Ausführung war bei
der ganzen Serie eine gleich feinfühlige und geschmackvolle.
Sehr gespannt durfte man auf den Solisten des Abends,
auf Alois Burgstaller, sein, denn, wenn Einer den echten
Ring, die Gabe, durch stylgemäßen Vortrag den Menschen wohl-
gefällig zu werden, ererbt hat, so müßte er es sein. Ausgewach-
sen und auferzogen im Heiligthum, war in ihm ein Verkünder
der Tradition zu erhoffen.
Als Sänger ist er eine hochinteressante Erscheinung, eine
Individualität, die ausgeprägte Verkörperung eines Styls,
der — um es gleich zu fixiren — Herold der Deklamation.
Seine Stimme? — Ich wäre eben so leicht versucht, zu be-
haupten, daß er eine wundervolle Tenorstimme (bei schwacher
Tiefe) habe, so wuchtig traten gesanglich manche Phrasen zu
Tag, als ich behaupten könnte, er habe ein kleines Stimm-
material, so künstlich half er sich durch weise Beschränkung
andererseits über die Anforderungen des Gesanges hinweg. Burg-
staller hat gestern Wagner und Liszt gesungen und hat sich da-
bei als der berufenste Liszt-Sänger bewährt, den ich kenne, —
nach der Konzertprobe mehr denn als der berufenste Wagner-
sänger. Sein Tenor ist ungemein fesselnd und reizvoll, in der
saft durchgehends angewandten voix mixts von einem eigenarti-
gen Zauber. Aber gerade diese andauernde Anwendung der ge-
deckten Halbstimme erweckt den Eindruck, als ob ihm eine ge-
sunde Bcuststimme nicht zur Verfügung stehe. Dann aber schleu-
dert er wieder in dramatischen Momenten Töne von echter
Heldentenorkraft hervor, blendend und markig, die jedoch, wie
der Rückschlag auf das Organ beweist, immerhin mit einer ge-
wissen Anstrengung abgerungen sind. Um den Sänger, den
Liedersänger im engern Sinn, beurtheilen zu können, müßte er
die Prüfung eines Schubert'schen oder Brahms'schen Liedes be-
stehen. Offen gestanden, kann ich mir nicht vorstelleu, wie eines
oder das andere bei ihm klingen würde.
Herr Burgstaller ist zweifellos ganz herausgebildet auf die
Deklamation, und darin ist er phänomenal.
In seinen Liedern hat Liszt, wie Wagner in seinen Dramen,
in dem Deklamatorischen die äußerste Konsequenz gezogen. Des-
 
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