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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 281 - 306 (1. Dezember 1898 - 31. Dezember 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0614

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Der Frühzug, der in Heidelberg gegen 6 Uhr abgehen würde,
soll die von Baiel zwischen 10 unv 11 Uhr Vormittags nach
Zürich, Luzern und Genf abgehenden Züge erreichen und der
Spätzug die zwischen 7 und 9 Uhr von da in Basel ankommen'
den Züge aufnehmen und um 1 Uhr 35 Min. Nachts in Heidel-
berg eintreffen. Bei dieser Kurslage würden voraussichtlich
noch weitere günstige Anschlüsse an badische und fremde Züge
erreicht werden können.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 10. December.
Die deutschen Studenten in Hamburg. Einem Rufe der
Universität Bonn folgend, versammelten sich in den Tagen vom
3.-7. December in Hamburg gegen 100 Abgesandte aller deut-
schen Universitäten, technischen, landwirchschaftlichen, thierärztlichen
Hochschulen, der Berg- und Forstakademieen, die insgesammt
gegen 40000 Studenten vertraten. Es galt eine Ehrung des
Mannes, der immer ein Vorbild deutscher Studenten sein wird,
des Fürsten Bismarck. Es wurde beschlossen, daß die deutsche
Studentenschaft alljährlich am 31. Juli eine Wallfahrt zum
Grabe nach Friedrichsruhe veranstalten solle, deren jedes-
malige Vorbereitung und Leitung Berlin zufällt. Jede Hoch-
schule darf 3—5, Berlin 12 Vertreter dazu entsenden Darauf
gelangten die umfassenden Vorschläge Bonns zur Berathung. Ihr
erster lautet: Die deutsche Studentenschaft richte einen Appell an
das deutsche Volk, unserem unvergeßlichen Altreichskanzler ein
bleibendes, würdiges und echt volksthümliches Zeichen nationalen
Dankes aufzurichten. Unter jubelndem Beifall, fast einmüthig,
wurde der Plan angenommen. Ein weiterer Vorschlag Bonns,
den Sonnwendtag, den 21. Juni, als studentischen Bismarck-
gedenklag zu wählen, an dem eine einfache Feier bei der Säule
im Freien siatlfinden soll, wurde ebenso einmüthig angenommen.
Hierauf fand ein Vorschlag Heidelbergs, eine ständige Ver-
tretung aller deutschen Universitäten zu begründen, einstimmigen
Beifall. Er wurde dem Ausschüsse überwiesen, dessen Thätigkeit
der weiteren Bearbeitung der Sache der Bismarcksäulen gilt, und
in den die Universitäten Bonn (Vorsitz), Heidelberg, Berlin und
die technische Hochschule Stuttgart gewählt wurden. Das Ehren-
präsidium dieses Ausschusses wurde Herrn Oberpräsident a. D.
v. Bennigsen angetragen.
K Elektrische Straßenbahn Heidelberg-Wiesloch. Behufs
Erlangung zur Konzession zu obiger Bahn haben drei Bau-
Firmen Gesuche an die Großhherzogliche Regierung ein-
gereicht: 1. Die Elektrizitäts-Aktien-Gesellschaft vorm. W. Lah-
meyer u. Cie. in Frankfurt a M., 2. die Kontinentale Bahn-
baugesellschaft Hiedemauu u. Cie. in Berlin und 3. die
Aktiengesellschaft für Bahnbau und Betrieb in Frankfurt a. M.
Nachdem die beiden ersten Gesellschaften ein weiteres Interesse
an der Sache in letzter Zeit nicht belhätigt haben, dürfte für den
Bau nur die letztere Gesellschaft in Betracht kommen. Bevor die-
selbe das dcm Ministerium des Innern vorliegende Projekt aus-
arbeiten ließ, versicherte sie sich der Zustimmung der betheiligten
Gemeinden. Diese wurde überall bereitwilligst ertheilt, nur der
Gemeinderath der Stadt Wiesloch knüpfte an seine Zustimmung
die ausdrückliche Bedingung, daß die Bahn nicht durch die Stadt
gebaut werden dürfte. Derselbe ging dabei von der Ansicht aus,
daß im Interesse der Stadt Wiesloch ein Anschluß au die zu
erstellenden in Wiesloch eiumündenden beiden Nebenbahnen unter
allen Umständen vermieden werden müsse. Diesem Wunsch hat
die konzesstonirende Ballgesellschaft Rechnung getragen, indem sie
das Projekt dahin ausarbeiten ließ, daß die Bahn beim Keller-
schen Garten in Wiesloch ihren Anfang nimmt und von da auf
der östlichen Seite der Staatsstraße weiterführt. Nur bei Leimen
soll der westlich von der Straße liegende Gemeindeweg benützt
werden. In Nußloch soll die Linie durch die Hauptstraße des
Ortes geführt werden, wobei zu bemerken ist, daß die enge Stelle
bei der Kirche keine Bauschwierigkeiten verursacht und auch keine
Verkehrsstörungen zur Folge haben wird. Die vorhandenen
Steigungen sind nicht unerhebliche und betragen an zwei Stellen
bis zu 1: 1b, jedoch lassen sich dieselben mittelst der vorher-
gesehenen starken Motoren leicht überwinden. Da ein eigener
Bahnkörper nicht erforderlich ist, so sollen die Gemeinden zu Bei-
trägen nicht herangezogen werden. Was die Stellung der Großh.
Regierung zu der Sache betrifft, so hat dieselbe keine Einwendung
zu machen gegen eine Führung der Bahn von Heidelberg bis
Nußloch, sie trägt jedoch Bedenken vermuthlich wegen befürchteter
Schädigung der Staatsbahnlinie, die Konzession bis Wiesloch zu
ertheilen. Es wird somit Seitens der Interessenten der Nach-
weis zu liefern sein, osß ein Verkehrsbedürfniß bis Wiesloch
existirt. Zu diesem Zweck, wie zur Kenntnißnahme der Pläne, soll in
etwa 14 Tagen eine Versammlung der Interessenten nach Leimen
einberufen werden. Die in dieser Versammlung zu fassenden
Beschlüsse sollen der Regierung zur Kenntniß gebracht werden.
Im Interesse der Gemeinden Nußloch, Leimen und Rohrbach
läge es schon heute, auf die Bahnbau-Gesellschaft
einzuwirken, die Bahn unter allen Umständen zu bauen, auch
wenn die Konzession nur bis Nußloch ertheilt werden sollte. Die
Baufirma ist eine sehr leistungsfähige Gesellschaft, von welcher
man eine gute Bauausführung und einen flotten Betrieb erwarten
darf. Sie hat sich bereit erklärt, den zum Betrieb nöthigen
Strom von den Elektrizitätswerken in Wiesloch und Heidelberg
zu beziehen. Für die vom Wieslocher Werk strombeziehenden
Gemeinden ist dies von nicht zu unterschätzender Bedeutung, weil
durch den vermehrten Konsum die Strompreise für Licht mit der
Zeit billiger zu werden versprechen. Eine sehr thatkräftige Unter-
stützung erhält das Bahnprojekt durch den Stadtrath der
Stadt Heidelberg, welcher sich einstimmig für den Bau der
Linie bis Wiesloch ausgesprochen hat.
O Kunstverein. Die Ausstellung der plastischen Kunstwerke
der Bildhauer Carl Pracht und N. Pfretschner, Berlin, hat sich
die Gunst der Besucher in ganz besonderem Maße erobert. Die
Marmorbüste von Prof. Th. Mommsen wird von Kennern als
ein Kunstwerk ersten Ranges bezeichnet, die Büste Heinrich
von Treitschke's dagegen ist uns Heidelbergern etwas fremd, weil
wir Treitschke anders in Erinnerung haben, als er von Pfretschner
dargestellt ist; dagegen ist das Bismarck Relief desselben Meisters
mit dem eigenhändigen Modellirungszeichen Bismarcks, v. B„
ganz ausgezeichnet zu nennen. Unter den Neuangekommenen
Oelgemälden nennen wir zuerst das große Gemälde von August
Wolf, Venedig, „Allegorie" (Sittsamkeit und Verführung).
August Wolf, der sein: Heimath Heidelberg stets mit der Aus-
stellung neuer Werke erfreut, zeigt auch in diesem Bilde wieder,
daß er an geweihter L-tätte der Kunst wohnt und daß die Werke
Tizians und Paul Veronese's ihm als Vorbilder gedient haben.
Das Gemälde wird sicher en e günstige Aufnahme und Beurthei-
lung finden. Unter dem Zeichen „Heidelberger Malerinnen" sind
in der heutigen Anzeige (auf die hiermit verwiesen wird) eine
Reihe Damen genannt, die durch Einsendung flotter Oelgemälde
eine Anzahl frischer Blüthen in die Ausstellung gestreut haben,
an denen sich gewiß viele Besucher erfreuen werden. Namentlich
das Damenpublikum möchten wir auf diese Werke ganz besonders
aufmerksam machen. Die sonstigen neu gesandten Oelgemälde
von Heinisch, Robert Hoffmann und Prof. Simm sind durchweg
gute, stimmungsvolle Arbeiten. Die Ausstellung von 20 Ge-
winnen für die diesjährige Verloosung wird allgemein interessiren;
sie darf als Beweis dafür angesehen werden, daß der Kunst-
verein seinen Mitgliedern durch die Verloosung nur Gutes und
Gediegenes zu bieten bemüht ist.
O Das Fußballwettspiel, das morgen in Frankfurt zwischen
Süd- und Norddeutschland stattfinden sollte, fällt aus. Die Nord-
deutschen bekommen nicht die nöthige Mannschaft zusammen.
- Polizeibericht. Ein junger Mann kam wegen Ausdrehens
von Gaslaternen zur Anzeige, ebenso zwei weitere junge Leute
wegen Ruhestörung. — Gestern Abend wurde gemeldet, daß es
in der Wirthschaft zum Stall brenne; es hatte sich jedoch nur
Gchmalz über das Herdfeuer ergossen, und die dadurch entstandene

Flamme schlug zum Kamin heraus; weiterer Schaden ist nicht
entstanden.
A Schwetzingen, 8. Dcc. Nachdem die Pfarr wähl für
die tnesige evang. Kirche s. Z. einen resultatlosen Verlauf
genommen batte, wurde von dem Landesbinpof, dem Grox-
herzog. Herrn Pfarrer Heinrich Junker in Rütteln die Pfarr-
stelle übertrugen und wird derselbe noch vor Weihnachten sein
Amt antreten. — Das Jagd recht aui der hiesigen Gemar-
kung, wofür seither 921 Mk. bezahlt wurden, kam gestern in
zwei Distrikten getheili, zur Neuverpachiung: cs wurden da-
für 1800 Mk. gelöst.
st Mannheim 9. Dez. In der am 5. Dezember 1898 abge-
haltenen öffentlichen Sitzung des Großh. Landgerichts Mannheim
behufs Bildung der Spruchliste der Geschworenen für das
I. Quartal 1899 wurden folgende 30 Hauptgeschworene
ansgelooft: 1. Max Jöhlinger, Kaufmann in Wiesloch, 2. Friedrich
Nüßler, Kaufmann in Mannheim, 3. Gustav Deurer, Oekonom in
Mannheim, 4. Josef Werner, Müller in Neckargemünd,
5. Karl Gustav Georg Feder, Fabrikant in Großsachsen, 6. Dr.
Albert Holz berg, Jnstitutsvorsteher in Heidelberg, 7. Ernst
Hotz, Privatmann in Wertheim, 8. Wilhelm Krieger, Privat-
mann in Heidelberg, 9. Karl Cassar, Bildhauer in Mannheim,
10. Karl Benz, Fabrikant in Mannheim, 11. Louis Link, Gast-
wirth in Mosbach, 12. Edmund v. König, Kaufmann in
Heidelberg, 13. Peter Geyger 1., Metzger in Käferthal,
14. Julius Ebert, Privatmann in Neckargemünd, 15. Wilhelm
Schäfer, Ziegeleibesitzer in Brühl, 16. Georg Philipp Kupserschmitt,
Privatmann in Neckarau, 17. Heinrich Kiefer, Wachszieher in
Walldürn, 18. Georg Adam Krämer, Fabrikant in Walldürn,
19. Josef Lindau, Kaufmann in Heidelberg, 20. Ludwig
Kühner, Privatmann in H e ide l ber g, 21. Wilhelm Mackert,
Kaufmann in Tauberbischofsheim, 22. Andreas Gärtner, Land-
Wirth in Zimmern (T. Bischofsheim), 23. Ludwig Bai er le,
Verwalter in Wieblingen, 24. Erwin Britsch, Kaufmann in
Tauberbischofsheim, 25. Rudolf Montigel, Kaufmann in Mosbach,
26. Christof Lingg, Bürgermeister in Leimen, 27. Max Dussel,
Fabrikant in Schwetzingen, 28. Abraham Schmutz, Gutspächter
in Bockschaft, 29. Heinrich Stöß, Fabrikantin Ziegelhausen,
30. Heinrich Rothenhöfer, Kaufmann in Meckesheim.
st Mannheim, 9. Dec. (strafka armer III.) 1) Der be-
kannte Fall des Studenten Wilhelm Alexander Gustav Co ul in
von Breiten wurde infolge der Revision des llrtheils heute noch-
mals verhandelt. Das Schöffengericht hatte Coulin zu 1 Woche
Gefäugniß oerurtheilt, und die Ferieustrafkammer vom 4. Aug. d.J.
hatte die von ihm eingelegte Berufung verworfen. Nach der heute
aufs eingehendste wiederholten Beweisaufnahme wurde die Be-
rusnng abermals verworfen. Die Oeffentlichkeit war ausgeschlossen.
2) Der nämliche Student Coulin erschien im zweiten Falle als
Nebenkläger. Angekiagt war der 35 Jahre alte Schutzmann
Daniel Schuhmacher von Heidelberg wegen Körperverletzung
im Amt. In der Nacht vom 30. Nov. zum 1. Dec. v. I. war
Schuhmacher von Coulin aufgefordert worden, einen Betrunkenen
hinwegzugeleiten. C. lhat dies auf so herausfordernde Art, daß
der Schutzmann die Ruhe verlor, den Studio an der Brust
packte und ihm auf den Kopf schlug. Coulin hielt übrigens
heute selbst eine Art Vertheidiguugsrede für den Schutzmann.
Das Urtheil lautete auf eine Geldstrafe von 20 ev. 2 Tage
Gefängniß. 3) Auf Geldstrafen von zusammen 510 hatten
Bezirksamt und Schöffengericht gegen den Liegenschaflsagenlen
Louis Reiß von Heidelberg wegen unbefugter Geschäfrsthätigkeit
erkannt. Die Berufung des Reiß hatte den Erfolg, daß die
Strafe aus 150 herabgesetzt wurde.
8. 0. Karlsruhe, 9 Dec. Die Erkrankung des erst kürzlich
zum Oberlandesgertchtsrath beförderten ehemaligen Reichstags-
präsidenten Frhrn. von Buol scheint ernsterer Natur zu sein, da
zu seiner Stellvertretung ein Landgerichtsrath ins Oberlandes-
gericht berufen wurde.
8. 0. Karlsruhe, 9. December. An die Brauereigesellschaft
Moniuger wurden 12808 gm Gelände im Bannwald zum
Preis von 6 Mark pro gm vorbehaltlich der Zustimmung des
Bürgerausschusses abgetreten.
Freiburg, 7. Dec. In den letzten Tagen waren in der Aus-
lage der Firmen S. Knopf sowie S. Wronker u. Cie., die
sich sonst nicht mit Buchhandel befassen, eine Auslese Zolascher
Romane zu deu Schleuderpreisen von 25 bezw. 30 Pf. der Band
zum Verkauf ausgestellt. Dec französische Urtext ist, wie von
Kennern festgestellt ist, bedeutend gekürzt und in ein „Deutsch"
übertragen, das neben der äußeren Ausstattung der Bücher schon
allein hinreicht, um diese Machwerke als „Schundliteratur" zu
charakteristren. Das Geschäftsgebaren der gen. Firmen Hal denn
auch allgemeine Entrüstung hervorgerufen und Aergerniß erregt.
Die Absicht derselben, ihren ohnedies nicht ganz einwandfreien
Reklamezwecken noch einen neuen zugkräftigen hinzuzufügen und
auf die große Masse der Ungebildeten und Halbgebildeten, nament-
lich aber auf die unreife Jugend einwirken zu lassen und solche
auf diese Weise in das Geschäft zu locken, liegt auch dem Un-
befangenen klar vor Augen. Nun hat sich die Polizei in die
Sache gemischt und die Bücher sind aus der Auslage verschwunden.
Schopfheim, 8. Dec. Ein heiteres Stückchen passirte gestern
Mittag am Bahnhof in Maulburg. Kommt da ein dicker Herr,
welcher sich dem Lokalzug als Passagier anvertrauen will, aber
— mit des Geschickes Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten
— die Eingangsthür des Eisenbahnwagens erwies sich als viel
zu schmal. Er konnte sich trotz Drückens und Zwängens nicht
durchbringen. Schließlich mußte er, laut Markgräfler Tagblatr,
unter allgemeiner Heiterkeit der Mitreisenden im Packwagen
Platz nehmen.

Eingesandt.
Heidelberg, 9. Dec. Der evang. Kirchengemeinderath, einem
früheren „Eingesandt" in der hiesigen Lokalpresse und dem Wunsche
der Kirchengemeindeversammlung Folge gebend, hat die Pläne
der in der Weststadl zu erbauenden evangelischen Kirche in
dankenswerther Weise in den letzten Tagen nochmals öffentlich
zur Besichtigung ausgestellt, wodurch der Kirchengemeinde Ge-
legenheit geboten wurde, sich ein Urtheil über dieselbe zu bilden
und darnach Stellung zu dem Projekt zu nehmen. Wenn hier-
durch eine spätere Ueberraschung der Betheiligten vermieden wird,
so erscheint eine solche doch nach anderer Richtung hin nicht aus-
geschlossen. Wir vermissen nämlich die Vorlage eines Finanz-
plans, aus welchem hervorgeht, wie die Bauschuld und alle für
die neue Pfarrstelle erforderlichen Ausgaben bestritten bezw. ge-
tilgt werden sollen und wie sich hiernach die Kirchensteuer für
die Folge gestalten wird. Es wäre sehr zu beklagen, wenn
letztere überhaupt erhöht oder eine mehr als unerhebliche Er-
höhung erfahren sollte, einmal, weil der jetzige Steuerfuß die
Einwohnerschaft schon hoch genug belastet, sodann aber auch,
weil hierdurch der so wünschenswerthe wettere Zuzug von
Fremden nach Heidelberg gehemmt werden würde, denn es ist
eine unbestreitbare Thatsache, daß die Höhe der Abgaben in den
meisten Fällen für den Privatmann, Pensionär rc. ausschlag-
gebend dafür ist, wo er seinen Wohnsitz nehmen will. Aus diesen
Gründen, welche auch von der Kirchengemeindeversammlung nicht
unberücksichtigt bleiben dürfen, ist unsere Stadtverwaltung be-
müht — was auch von der Bürgerschaft aus das dankbarste
anerkannt und gewürdigt wird — die Umlage möglichst auf ihrer
gegenwärtigen Höhe zu erhalten, d. h. nicht über dieselbe ohne
dringende Nothwendigkeit hinausgehen zu lassen. Wird ohne
Rücksicht auf die Höhe der Kirchensteuer ein Bauprojekt jetzt
angenommen, so hat sich die Kirchengemeinde hierdurch auch in
Hinsicht auf den Steuerfuß die Hände gebunden, denn man wird
später mit Recht einwenden können, wer L gesagt Hai, muß auch
8 sagen. So weit uns bekannt, besteht die Absicht, den ordent-
lichen Finanzplan erst nächstes Jahr zur Vorlage zu bringen,
ein Vorhaben aber, wie die Erbauung einer Kirche, welches die
Finanzlage der Kirchengemeinde in so fundamentaler Weise be-
einflußt, erheischt unserer Ansicht nach, daß die Frage im
Zusammenhang behandelt und klar gelegt werde.

Wir geben uns der sicheren Hoffnung hin, daß auch dieser
Anregung Folge gegeben weide..
Literarisches.
— Z „Richard Rothe. Sein Charakter, Leben u. Denken.
Zur Feier seines hundertsten Geburtstages dargestellt von
Wilhelm Hönig, Stadlpfarrer in Heidelberg. Berlin,
C. A. Schwetsct ke u. Sohn. 1898." Es in eine höchst verdienst-
volle That, die uns in dieser Darstellung zugut kommt. B"
Gelegenheit des 28. Januar 1899, da vor 100 Jahren Richard
Rothe geboren wurde, ist es nothwendig, daß die über Deutsch-
lands Grenze hinausgehende Bedeutung Rothes einem Geschlechte
in ihrem Werden vergegenwärtigt wird, das ihn, den 2. Kirchen-
vater unseres Jahrhunderts, nicht vergessen darf. Für uns in
Heidelberg liegt noch eine besondere Veranlassung vor, des ebenso
innig frommen, wie freien und weitherzigen Mannes zu gedenken,
der Viele durch seine Predigten mächtig erbaut hat, der zweimal
eine Zierde der Hochschule gewesen ist und von hier große
Wirkungen auf das Leben in seinen verschiedenen Gestaltungen
ausgehen ließ. Bei seiner Centenarfeier, bei der auch seine Büste
in Marmor in einer Kapelle der Peterskirche aufgestellt werden
wird, wird gewiß auch dargelegt werden, wie dieser in sich ein-
heitlich herausgebildete Charakter auf Grund seiner Eigenart
Mitgrüudcr des Protestantenvereins, der von hier ausging,
werden mochte. W. Hönig, auch im weiteren Sinne ein Schüler
des herrlichen Mannes, hat in seiner Festschrift mit verständnis-
voller Liebe in fesselnder gewandter Sprache, eine ausnehmend
gelungene Charakteristik Rothes gegeben, die Jeden mit
warmem Danke erfüllt, der N. noch selbst gekannt hat. Hönig
hat dann Rothe nach seinen äußeren Schicksalen und innerem
Werden als Student, als Gesandtschaftsprediger in Rom, als
Lehrer im Prcdigerseminar in Wittenberg, als Professor in
Heidelberg, Bonn und wieder in Heidelberg bis zu seinem am
20. August 1867 erfolgten Tode treu und geistvoll dargestellt
und schließlich die schwierige Aufgabe geleistet, des großen
Theologen großartige Weltanschauung in kurzen Zügen klar und
übersichtlich verständlich zu machen. In diesem Leben zeigt sich
zugleich ein Theil der modernen Geschichte der evang. Kirche
überhaupt und der badischen Landeskirche insbesondere. Die dabei
von Rothe und seinem Geschichtschreiber Hervorgehobenen Grund-
sätze über Kirche, Staat, Lehrfreiheit, Bekenntnißzwang u. s. w-
sind gerade für unsere Tage von großer Bedeutung. Wir wünschen
der Schrift eine weite Verbreitung und ein gründliches Gelesen-
werden.

Theater- und Äunftnachrichten
Heidelberg, 10. Decbr. (Stadttheater.) Wie bereits
mitgetheilt, beginnt nächsten Dienstag, den 13. d., der hier so
sehr beliebte Komiker Herr Büller ein zweimaliges Gastspiel.
Der genannte Künstler wird am ersten Abende als „Striese" in
dem Lustspiele „Der Raub der Sabineriunen" auftrelen. Neben
dem liebenswürdigen Gaste sind an diesem Abende in hervor-
ragenden Rollen beschäftigt die Damen Frenzel, Konrad, Sand-i,
Tacco und die Herren Blank, Tankmar, Göbel und Rudolph.
Mannheim. (Großh. Hof- und Nationalthealer.» Sonntag,
11. Dec.: „Die Hugenotten". Montag, 12. Dec.: „Die Räuber"-
Dienstag, 13. Dec.: IV. Musikalische Akademie.
Karlsruhe. (Großh. Hoftheater.) Im Hoftheater in Karlsruhe:
Sonntag, 11. Dec.: „Im weißenRöss'l". „DieNürnbergcrPuppe".

Handel und Verkehr.
Frankfurt, 9. Dec. Effekte nsocietät. Abends. 6'/« Uhr.
Oesterr. Creditaktien 3O4'/g b. Diskonto-Kommandit 195.70 b.
Berliner Handelsgesellschaft 164.90 b. Darmstädter Bank 153.70 b-
Oesterr.-Ungar. Staatsbahn 3O5'/z—b. Lombarden 58'/« bis
V«—V«—58 b. 3pCt. Portugiesen 24.60 b. Spanier 41.60 b.
5pCt. Mexikaner 93.60 B. 50 G. Bad. Zuckerfabrik 53.80 b. G.
Harpener 175.70 b. Hiberuia 196.50 B. 40 G. Bochumer
219 80 b. Oberschles. Eisen 152 b. Concordia 271 b. Albert
128.20 b. G- La Veloce 78.20 b. Wiener Elektr.-Aktten 137.50 b.
Ungar. Elektr.-Aktien 118.80 B. 70 G. Gotthard-Aktien 148 b.
Schweizer Central 149 b. Schweizer Nordost 109 b. Schweizer
Union 78.90 b. Jura-Simvlon 90.30 b., dto. Genuß-Scheine
8.70 B. 60 G. 5pCt. Italiener 93.50 b. ult.
6H.-6-/, Uhr: Albert 129 b. G.
Bei ruhigem Verkehr erfuhren Lombarden fortgesetzte Er-
mattung, die übrigen Wertste zeigten wenig Veränderung.
Berlin, 9. Dec. Heidelberger Straßen- und Bergbahr-
gesellschast 151.25 b.
Mannheim, 8. Dec. (Produktenbörse.) Per 100 Kilo.
Weizen Pfälzer 18.— bis 18.25, Norddeutscher 18.- bis —,
Azima 18.25 bis 19.25, Theodosia 19.75 bis 20.50, Saxonska
—bis , Girka 18.25 bis 19.—, Taganrog bis
, rumänische 18.50 bis 19.50, amerikanische Winter 18.25
bis —, Amerikan. Spring 17 75 bis —, Walla-Walla
18.25 bis —.—, Milwaukee —.— bis —.—, Kalifornier —
bis , La Plata —bis — —, Kernen 18— bis —,
Roggen Pfälzer 15.75 bis 16.—, russischer 16 25 bis 1650,
Gerste hies. Gegeud 17.— bis 17.50, pfälzer 17.75 bis 18.25,
Futtergerste 12 50 bis-, Hafer Bad. alter 14 50 bis 15.50,
neuer bis —, Russischer 15.50 bis 16.75, Norddeutscher
—bis —, Mais Amerikan. mixed 11.75 bis 12.-, Mais
Donau 12.— bis —Kohlreps deutscher neuer 25.25 bis
25.50, Wicken 16,50 bis —.—, Roth Kleesamen 80.— bis 90.—,
Amerikaner —.— bis —, Lucerne 85.— bis 86.—, Provence
116.— bis 125.—, Esparsette 27.— bis 28.—, Leinöl mit Faß
42 50 bis —.—, Rüböl mit Faß 58.— bis —.—, Petroleum
mit Faß fr. mit 20 Tr. 2270 bis —, Petroleum 10 000
22.20 bis —, Sprit versteuert 114.— bis —.70er un-
versteuert 29.— bis —.
Weizenmehl 00 0 1 2 3 4
30.- 28 — 26.— 25.— 24.— 21.—.
Roggenmehl 0: 25.50, 1: 22.—.
Tendenz: Weizen etwas schwächer. Uebriges unverändert.
1' Mannheim, 8. Dec. (Tabakbericht.) Die gute Meinung
für farbiges Schneid- und Einspinngut, sowie farbiges Rolleudeck
hat Stand gehalten, und wurden sämmtliche Haardtorte zu
steigenden Preisen, und zwar zu 22—28 geräumt. Hocken-
heim verkaufte seine ganze Creszenz von 24—28 Reilingen
von 24—26 Plankstadt ca. 400 Ctr. zu 24—25 Kirch-
heim 22—24 und Sandhofen zu 20—27 ^L, welch' große
Preisdifferenz dadurch veranlaßt wurde, daß ein Theil des so
schönen, aber sehr empfindlichen Tabaks durch Schimmel und
Feuchtigkeit gelitten hatte. Walldorf erlöste 18—20 und im
Brurhein wurde in der Bruchsaler Gegend, welche in diesem
Jahre infolge der Ungunst der Witterung nur lehr kleinblättrige
Tabake liefert, der zudem noch ziemlich unsicher im Brand ist,
wurden einige kleine Orte zu 15—17 verkauft. Obergrombach
(äußere Haardt) bekam 18—19
? Neckarbischofsheim, 9. Dec. Der hiesige Tabak -
ca. 400—500 Centner — wurde heute in wenigen Stunden zu
18—20 Mark glatt verkauft. Käufer sind die Firma Oester-
reicher u. Reinemann von Mannheim und Stein-Mingolsheim. —
In Adersbach wurden 18—22, in Helmhof 24 bezahlt.
Wiesloch, 8. Dec. Der heutige Schweinemarkl war
mit 56 Stück Mtlchschweinen beschickt. Preis für das Paar
13 bis 16
Heidelberg, 10. Dec. (Marktpreise.) Heu per Centner
2.20 bis 2.50, Korn-Stroh per Ctr. 2.20 bis 2.40, gem.
1.60 bis 1.80, gelbe Kartoffeln per Centner 3.20 bis 3.40,
Salatkartoffeln per Ctr. 4.10 bis 4.50, per Pfd. 4 bis 6 A
Butter in Ballen 0.95 bis 10.5, in Pfd. 4.10 bis 1.15,
Zwiebeln per Pfund 7 bis 8 Knoblauch 30 bis 35
Gelbrüben 3 bis 4 Rosenkohl 20 bis 25 Schwarzwurzeln
20 bis 50 <-j, Kastanien 8 bis 10 Eier per Stück 7 bis
10 per Hundert 6.20 bis 6.80, Nüsse per Hundert 40 bis
60 Mispeln 40 bis 50 Blumenkohl per Stück 40 bis
60 Rothkraut 18 bis 25 Weißkraut 8 bis 12 Wirsing
 
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