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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 281 - 306 (1. Dezember 1898 - 31. Dezember 1898)
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ständigkeit und Unabhängigkeit, ich schätze sie immer als die
höchsten irdischen Güler, und kann sie in meiner gegenwär-
tigen Stellung am leichtesten finden- Dazu erntet der Arzt
niemals besseren Dank, als wenn er dort hilft, wo diese feh-
lende Hilfe häufig auch den materiellen Untergang bedeutet.
Dann — ich bin arm, gnädiges Fräulein . . ."
Olga blickte voll erhöhter Theilnahme, fast bewundernd
auf ihr Gegenüber. Und doch war der Doktor keineswegs
schöner geworden, im Gegentheil. Er sah stark abgearbeitet
aus, die Stirn war hoch aber kahl geworden, nur das Auge
blickte hell, scharf und heiter. Das junge Mädchen hätte gern
noch ein Weilchen fortaeplaudert, aber am Weihnacktstage ist
jede Minute kostbar. Auf die Uhr blickend, sagte sie: „Ich
mutz gehen, Mama erwartet mich im Volkskindergarten, wo
die Christvescheerung stattfindet. Um sie zu ordnen, ging
Mama schon vor zwei Stunden dort hin. Während ihrer
Abwesenheit kamen noch eine Menge Bescheerungsgegenstände
von allen Seiten, ich muh sie abliefern. Der Korb ist noch
fast gefüllt — es ist die höchste Zeit. . . ."
„Dürfte ich Ihnen einen Vorschlag machen, Fräulein Olga?"
„Nun?"
„Wir schicken das Mädchen nach Hause und nehmen selbst
den Korb — wir tragen ihn abwechselnd. Ich weih durch
meine ärztliche Thätigkeit am besten, wo das Geben am
nothwendlgsten ist! Es geschieht viel von der heutigen Wohl-
thätigkeitspflege, aber nicht immer zweckmäßig. Unser Zeit-
alter ist keineswegs so schlecht, als man uns glauben machen
will. Aber das Bessere ist des Guten Feind! Es bleibt
besser, die Eltern selbst zu Gebern zu machen, im Allgemeinen
wenigstens. Ich bemerke auch Spielzeug in Ihrem Korbe
— wie werden sich die Kleinen freuen! Darf ich Sie geleiten,
dorthin, wo es ganz besonders willkommen ist?"
„Ich möchte wohl, aber —"
„Ich würde glücklich sein, wenn Sie sich mir anvertrauen
wollten, sehr glücklich! Kommen Sie, die Zeit ist kostbar?"
Nock ein einziger Augenblick der Ueberlegung und — Olga
war entschlossen. Sie nahm dem Mädchen den Korb ab und
sandte es nach Hause, um ihr Nichtkommen erklären zu lassen.

Dann trat sie zu Hannchen, um ihr Lebewohl zu sagen und
eine baldige Wiederholung ihres Besuches in Aussicht zu stellen.
Auch der Doktor trat noch einmal zu seiner Patientin, prüfte
den Puls, entkorkte selbst den Wein, den der Präsident ge-
schickt hatte, und befahl Hannchen stündlich einen Schluck zu
nehmen. Dann bot er Olga den Arm, um ihr den Weg an
solche Orte der Bedürftigkeit zu zeigen, welche der Hilfe am
meisten bedurften.
Hannchen hatte während der letzten Viertelstunde die bei-
den scharf aufs Korn genommen gehabt, kein Wort ihres
Gesprächs war ihr entgangen. Jetzt richtete sie sich sogar
soweit in ihrem Bette in die Höhe, als es der festangelegte
Gypsverband gestattete, und sah dem Paare triumphirend
nach. Sie hatte sich niemals über ihr Schicksal beklagt —
jetzt aber, wo sie sich so „estimirt" sah, und wo es ihr sogar
vergönnt war, das Glück von zwei guten Menschen zu machen.
Pries sie ihr Geschick. Denn sie war es gewesen, sie allein,
trotz allem. Sie hatte das Einfädeln immer gut verstanden,
auch in die feinsten Nadeln. Aber wie jetzt war es ihr noch
niemals gelungen! Was würden die Nachbarinnen sagen,
wenn sie nächstens zum Kaffee komme» würden! .... Mit
solchen Gedanken erwartete sie die Krankenschwester, welche
die Nachtwache halten sollte. Als zwei glückselige Menschen
und gute Engel zugleich betrat der Doktor mit Olga die
Hütten der Armuth. Daß der praktische Verstand des Doktors
in allem das Rechte traf — Olga erkannte es bald. Nach sei-
nem Rath verlheilte sie ihre Gaben, daS Nützliche wie das
Angenehme. Freilich mußte sie sich dafür gefallen lassen, ein-
mal „Frau Doktorin" genannt zu werden, was ihr das Blut
in die Wangen trieb. Nach anderthalbstündiger Wanderung
kehrten sie miteinander nach dem Elternhause zurück, wo ihrer
ein froher Weihnachtsabend harrte. Von verlangender Liebe
sprach aber keines von ihnen heute ein Wort. Ihre gemein-
same Abendwanderung und die Bilder, welche sie gesehen, und
die Erfahrungen, die sie gemacht, ließen sie erkennen, daß
Weihnachten der höchsten irdischen Liebe, der Menschen-
liebe angeböre! Aber dieses Gleichgefühl erschien ihnen
als neue Bürgschaft ihres Glückes.

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Telephon-Anschluß Nr. 82.

Linois nach Kreta abgehen sollte und ebenfalls untüchtig
wurde. Zu gleicher Zeit wurde der große Kreuzer Cäcilie
als dienstunfähig in den Hafen von Toulon geschleppt.
Der Panzer Charles Märtel, der im Jahre 1896 mit
einem Kostenaufwand von 28 Millionen vollendet worden
war, zerstörte sich beim Auslaufen aus der Hafeneinfahrt
von Brest den Kiel und die Schraube, und als er, wieder-
hergestellt, seine Geschütze versuchte, da versagten die
hydraulischen Apparate und seine schweren Geschütze wur-
den beschädigt. Als er zum dritten Male auslief, verlor
er seinen Sporn. Im Jahre 1896 konnte der große
Kreuzer Descartes nicht auslaufen, man mußte seinen
Rumpf ausmauern, seine Maschinenräume waren unbewohn-
bar, der Tommandant erklärte das Schiff für unfähig,
hohe See zu halten, trotzdem wurde es nach China ge-
sandt, und als dort Schießübungen vorgenommen werden
sollten, war das Pulver unbrauchbar geworden. Auch
auf dem Schiffe Admiral Duperrs, auf welchem ein Brand
im Pulvermagazin ausgebrochen war, entzündete sich das
Pulver nicht, weil es sich zersetzt hatte. Auf manchen
Schiffen, so behauptet Gohier, wagt man bei den Schieß-
übungen kaum mehr Feuer zu commandiren, wenn man
nicht die Kanoniere zuvor aus den Gcschützthürmcn hat
heraustreten lassen und häufig fürchtet man die eigenen
Waffen mehr, als diejenigen des Feindes.
Das sind in der That böse Zustände und Vor-
kommnisse.
Deutsches Reich.
— Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt: Einige Organe
der freisinnigen und sozialdemokratischen Presse beschäftigen
sich heute mit einem angeblich in Aussicht stehenden neuen
Flottenplane. Das Blatt ist in der Lage, auf das
bestimmteste festzustellen, daß an keiner Stelle die Vor-
lage eines neuen Flottenplanes oder einer Aenderung des
Flottengesetzes beabsichtigt ist. An der ganzen Sache ist
kein wahres Wort.
— Der Germania zufolge richtete der Verband kath o-
lischer Studentenvereine an Seine Majestät den
Kaiser eine Adresse, worin die ehrfurchtsvollsten Glück-
wünsche zur Vollendung der Orientreise ausgesprochen
werden und hervorgehobcn wird, daß das Geschenk des
Grundstückes der Oorrniticm, sowie die die Schenkung be-
gleitenden Worte, daß der Kaiser allen Unterthanen seinen
Schutz gewähren werde, einen mächtigen Widerhall in der
Brust aller katholischen Studenten geweckt habe und daß
sie diese empfunden haben als einen anspornenden Zuruf:
sich dicht um den Thron des von Gott eingesetzten Füh-
rers zu sammeln. Daraufhin ging vom Civilkabinct des
Kaisers eine Antwort ein, worin die Freude des
Kaisers über die Kundgebung treuer Ergebenheit seitens
der studentischen katholischen Jugend ausgesprochen und
bekannt gegeben wird, daß der Kaiser die Gnade hatte,
die Adresse dem Hohenzollernmuseum zu überweisen.
— Das Organ des Kardinal-Staatssekretärs Ram-
polla, die Voce della Verita w üth et gegen die Poli tik
Deutschlands. Zunächst kommt das vatikanische Blatt
auf die Pro tektor atsangele genheit zurück und
versucht nachzuweisen, daß Frankreich im Orient wohler-
worbene Rechte habe, indem es die einzige christliche Macht
sei, die sich von jeher der verfolgten Christen gegen den
muselmanischen Fanatismus annahm. Frankreich sei dem-
nach in seinem vollen Rechte, wenn es seine im Protokoll
des Berliner Vertrages, und zwar im Paragraphen 52,
verbrieften Prärogative gegen die deutsche Politik verthei-
dige und sich nicht einschüchtern lasse. Erst wenn einmal
die christlichen Mächte sich behufs gemeinsamen wirksamen

Nr. 296.
Von der französischen Kriegsflotte.
In dem Buche I-'arinss oontro In nation, dessen
Verfasser strafrechtlich verfolgt wird, spricht sich Urbain
^ohicr auch über den Zustand der französischen Flotte
^s. Die meisten dieser Angaben gründen sich auf Ver-
öffentlichungen der Zeitungen sowie auf Berichte, die der
jetzige Marineminister Lockroy verfaßt hat, als er zum
ersten Mal sein Awt als Marineminister niedergelegt hatte.
Diese Aeußerungen verdienen daher, wie die Köln. Zeitung
hervorhebt, auch in Deutschland Beachtung.
So mußten, als im Jahre 1890 das Kanalgeschwadcr
Koste Uebungcn abhalten wollte, sofort nach dem Aus-
fahren zehn Schiffe als schwer beschädigt wieder nach
Brest und Cherbourg zurückkehren. Im Jahre 1891 mußte
k Syrien der Kreuzer „Seignelay" auf den Strand fahren,
Keil sein Steuerapparat versagte, bald darauf platzten
die Kessel des Panzers „Admiral Baudin", wobei 14 Mann
derwundet wurden. Als im Jahre 1893 die Blockade von
Siam erklärt wurde, konnte das Geschwader von Cochin-
china nicht auslaufen, der Aviso Pluvier gerieth bei Saigun
auf Grund; der Kreuzer „Eclaireur", der ihn von Brest
aus ersetzen sollte, konnte nicht auslaufen, weil er reparatur-
bedürftig war. Im selben Jahre ereigneten sich Unglücks-
fälle auf fünf in Toulon stationirten Torpedobooten, und
sine nach Toulon entsandte Kommission fand, daß unter
55 Torpedobooten nur fünf seetüchtig waren. Diese
Kommission fand ferner die großen Panzerschiffe Magenta,
Neptune und Marceau in einem unbegreiflichen Zustande;
auf dem Panzer Sarrazin wurden, während die Kommission
in Toulon tagte, durch Kesselcxplosion ein Ingenieur und
dier Matrosen getödtet, und die Kommission kam in ihrem
Bericht zu dem Schlüsse: „Die Unfertigkeit scheint der
regelrechte Zustand unserer Flotte zu sein."
Als im Jahre 1894 der Zug nach Madagaskar unter-
nommen wurde, waren fünf Kriegsschiffe hierzu bestimmt,
allein an Bord des „Dupetit-Thouars" wurde der
Ingenieur durch einen Unglücksfall an der Maschine ge-
iödtet, auf der „Aräthuse" wurden, nachdem sie kaum den
Hafen von Brest verlassen hatte, 20 Matrosen durch
Platzen eines Kesselrohrs verbrüht, der „Mätäore" wurde,
Nachdem er mit großer Mühe Algier erreicht hatte, un-
tauglich. Das Schiff „La Romanche" und „Le Gabos"
kehrten schon zwei Tage nach dem Verlassen des Hafens
Nach Cherbourg zurück, und so waren sämmtliche fünf
Nach Madagaskar bestimmten Schiffe unbrauchbar. Im
Jahre 1896 gab es Unglücksfälle durch die Maschinen auf
den Panzerschiffen „Jemmapes", „Friedland", auf den
Kreuzern „Dupuy-deLome", „Coötlogon Descartes" und
nuf dem Torpedoboot „Tourbillon", sowie Unglücksfälle
durch Geschütze auf den Schiffen „Duquesne", „Bouvines",
-Jauräguiberry", „Brennus". Die Küstenwachtschiffe
»Furieux" und „Requin" gingen unter. Der Torpedo-
läger „Flcurus" erreichte nur 17 Knoten Geschwindigkeit
Nnd hatte drei Jahre lang alle möglichen Unglücksfälle zu
bestehen. Als im Jahre 1896 der Streit um Kreta ent-
stand, waren von zehn Schlachtschiffen des Mittelincer-
geschwaders nur zwei verwendbar, und als später auf dem
dor Kreta liegenden Admiralschiffe die Kessel unbrauchbar
Kurden, schickte man demselben Kesselwände, welche, für
rin anderes Schiff bestimmt, unverwendbar waren und
nicht paßten.
Als der Admiral Pottier vor Kreta im Jahre 1897
rin Schiff zur Verstärkung verlangte, bestimmte man hierzu
das Schiff Linois, allein kaum hatte es die Reede von
Toulon verlassen, als die Maschine unbrauchbar wurde.
Dasselbe Schicksal hatte der Falke, der an Stelle des

Montag, den 19. DklWdn

1898.

Schutzes der Christen gegen den Islam geeinigt hätten,
werde man von einzelnen Nationen absehen können. Bis
dahin aber möge Frankreich auf seinen Prärogativen be-
harren, und werde es stets den Papst, den obersten Hüter
der internationalen Gerechtigkeit, an seiner Seite finden.
In einem andern großen Artikel speit das vatikanische Leib-
organ anläßlich der Rede v. Bülows Gift und Galle
gegen das deutsche Reich, das heutzutage sogar mit Eng-
land und Amerika gegen Frankreich und die lateinische
Welt konspirire. Italien und auch Oesterreich täuschten
sich schwer, wenn sie sich durch den kostbaren Anschluß an
Deutschland gedeckt wähnen, während letzteres sich im Ver-
ein mit England und Amerika zur Theilung der Welt an-
schicke. Verstünden die lateinischen und katholischen Völker
ihre Interessen, so ließen sie sich nicht dermaßen düpiren
und ins Verderben locken. Wann endlich werden ihren
Regierungen die Augen aufgehen? — Auch die Germania
wird von dem radikalen Blatt angefahren. Sie hatte da-
rüber geklagt, daß Frankreich den Patriarchen von Jeru-
salem, Pavia, zu verdrängen suche. Die Voce erwidert
hierauf, nur eine interessirte Seite könne die Dinge so dar-
stellen, um Frankreich einer unerlaubten Pression auf den
heiligen Stuhl zu verdächtigen. Auch gegen den Reichs-
tagsabgeordneten Lieber richtet sich die Voce della Verita
noch einmal; sie hält in einem offenen Brief an
Dr. Liebers Adresse ihre ersten tadelnden Be-
merkungen aufrecht und hat nichts zurückzunehmen. Liebers
Behauptung, das französische Protektorat sei eine Ver-
folgung, treffe den Papst selbst, der dieses Protektorat be-
stätigte. Beweis sei ein Brief an Kardinal Langenieux,
den das Blatt wörtlich abdruckt. Es folgen scharfe An-
griffe auf Lieber, der früher die Voce della Verita ein
Schandblatt genannt habe. Sodann wird Abg. Fritzen auf-
gefordert, jenen Kirchenfürsten zu nennen, der von der
Verfolgung der deutschen Katholiken im Orient gesprochen
habe. Schließlich wird Lieber aufgefordert, für
seine Worte Buße zu Ihnn. Es sei ungerechtfertigt,
daß die Voce parteiisch sei, habe sie doch auch stets die
französischen Katholiken zurechtgewiesen, wenn diese gegen
weise Anordnungen des Papstes renitent blieben.
— Aus Friedrichsruh wird gemeldet, daß das
Mausoleum für den Fürsten Bis marck zu Friedrichs-
ruh jetzt in seiner äußeren Gestalt vollendet ist. Die etwa
90 Fuß hoch aufragende Kuppel des Hauptbaues, unter
dem sich die Gruft des Fürstenpaarcs befindet, endigt in
einer stumpfen Kegelspitze. Die Kapelle wird von italieni-
schen Arbeitern mit einem Terrazofußboden versehen. Die
Herstellung des Wandputzes ist in Angriff genommen. Die
Vollendung des inneren Schmuckes wird noch mehrere Mo-
nate in Anspruch nehmen, zumal wenn Frost einlreten sollte.
Baden, ff Mannheim, 18. Dec. Heute fand hier
eine Versammlung der natio nalltbe ralen Partei
für den Amtsbezirk Mannheim statt. Hierbei hielt Herr
Reichstagsabgeordneter Bassermann eine eindrucksvolle Rede,
in welcher er den Eindruck der verflossenen Etatsberathung
im Reichstag schilderte. Er führte aus, daß es ihm in
seiner Etatrede hauptsächlich darauf angekommen sei, ein
positives sozialpolitisches Programm für die nationalliberale
Partei zu entwickeln. Der Eindruck, welchen die neukon-
stituirte nationalliberale Reichstagsfraktion gemacht hat, sei
ein hoch erfreulicher. Von den 48 Abgeordneten sind 33
neu in den Reichstag eingetreten. Nur 15 Mitglieder sind
alte Abgeordnete. In diesen 33 neuen Mitgliedern habe
die nationalliberale Partei den Zuwachs eines großen
Kapitals von Intelligenz und wirthfchaftlicher Einsicht er-
halten. Dieselben hätten Alle das Bestreben, positive Ar-
beit zu leisten auf allen Gebieten des wirthschaftlichen Lebens.

4)

Das „Bischen."
Weihnachrserzählung von Zoö v. Reuß.
(Schluß.)
.Wenn's weiter nichts ist!" entfuhr es Olga.
„Meinen Sie wirklich?" entgegnete er freundlich und frug
Vach dem Ergehen ihrer Eltern.
Olga berichtete und schloß: „Wir erwarteten Sie immer,
"Ker Sie kamen nicht."
„Vermißten Sie wirklich mein Kladderadatschgesicht?"
„Ich trage die Schuld — ich weiß," gestand Olga.
„Allerdings — ja," gab er unwillkürlich in ernstem Tone
iu. „Ich glaubte sie anderweitig in Anspruch genommen und
kochte nicht stören — nein! Dazu war ich selbst überaus
beschäftigt."
„Also war es nicht meine — „Mogelei"?"
„Haben sie auf dem Balle etwa auch „gemogelt" ? Hahaha!
Nun davon wußte ich nicht einmal. Ader ich bemerkte Ihr
anderweitiges Interesse — Sie sind noch zu jung, um es
schlau zu verstecken. Und ich konnte mich nicht darüber freuen,
Um Sie selbst nicht! Die kleine „Mogelei" — sie sei Ihnen
kroßmüthig verziehen. Es ist Ihnen kaum zu verdenken . ..
Ach war immer ein Stümper in der edlen Tanzkunst, auch in
«er Tanzstunde. Nein, ich nehme es Ihnen nicht übel, wenn
Sie Ihre Füßchen etwaigen Bärentritten nicht preisgeben
Kollten. Ich versuchte mich nur in der Tanzkunst, wenn es
wir nicht wohl möglich war, mich dem Gegenstände meiner
Verehrung auf andere Weise zu nähern. Nun wird das
Tanzen ohnehin gänzlich für mich vorbei sein — Sie wissen
doch, daß ich Armenarzt geworden bin?"
"Nun, diesem Umstande verdanke ich in erster Linie auch
das Glück, Sie endlich einmal wieder zu treffen. Man sandte
Su mir. nachdem ein paar meiner Herren Kollegen nicht ge-
kommen waren."
„Daß es Ihnen gut geht — man braucht nicht zu fragen!"
„Vortrefflich — ich bin vollkommen befriedigt. Selb-
 
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