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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908

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Nr. 39
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Das Edelmetallgewerbe und das neue Kunstschutzgesetz
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https://doi.org/10.11588/diglit.55854#0302

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Schnitzarbeiten aus Elfen-
bein und Bernstein, zum
Teil mit Metall verziert,
aus der Grossherzoglichen Fach-
schule Erbach i. Odenwald.

Eintragung der betr. Erzeugnisse für ihre Firmen
in das Musterregister.
In all den Fällen, wo es sich um ausser-
dienstliche nicht bestellte Arbeiten oder um An-
gebote freischaffender Personen handelt, verfahre
man im höchsten Masse vorsichtig. Andere
Branchen sind ja noch weit mehr an dem neuen
Kunstschutzgesetz interessiert, als speziell das
Goldschmiedegewerbe; aber in Mitleidenschaft ge-
zogen wird dieses auch durch die neuen Bestim-
mungen, und für den, der im einzelnen Falle
speziell davon betroffen
wird, kann die
Sache recht emp-
findlichwerden.
Grosse Ver-
lags-Anstalten
namentlichvon
Zeitschriften,
auf die das neue
Gesetz ebenfalls
Anwendung findet,
erwerben jetzt nur noch
soviele Entwürfe, Photographien, Zeichnungen etc.,
wie sie unbedingt für das laufende Jahr brauchen
(— dasselbe ist aus ähnlichen Gründen neuerdings
auch mit den Manuskripten der Fall!), während sie
sich früher grössere Bestände, ganze Archive an-
legten. Man möge sich also auch in der Edel-
metallbranche nur auf das ganz unbedingt Nötige
und das Allerbeste im Ankauf von Zeichnungen
und Modellen beschränken. Das ist vorläufig
jedem Fachkollegen dringend anzuraten.
Es wäre übrigens interessant, über die
ganze, noch keineswegs völlig geklärte Materie
die Ansicht von Männern aus der Praxis, von
Fabrikanten und eigentlichen Goldschmieden

Verhältnis frei schaffenden Kunstgewerbler oder Künstler.
— Aber nun setzen die „Grundsätze“ in Nr. 33
ein — also auch für jene ausserdienstlichen Ar-
beiten eines Angestellten — und da ist zu sagen,
dass die einzelnen, von dem kunstgewerb-
lichen Verband vorgeschlagenen Bestim-
mungen einer recht sorgfältigen Nach-
prüfung von selten der Arbeitgeber — sagen
wir, der Fabrikanten, der grösseren Gold-
schmiede etc. — bedürfen. Die Bestimmungen
sind unseres Erachtens viel zu hoch angesetzt,
besonders da nach einer Entscheidung des Reichs-
gerichts (für Strafsachen, Bd. 18, S. 32) auch künst-
lerische Vorarbeiten, wie Skizzen, Studien, Modelle, selbst
wenn erst halbfertig, als Werke der bildenden Kunst
angesehen werden müssen.*)
Was überhaupt unter den Begriff der bildenden Kunst
fällt, hat das Reichsgericht ebenfalls bestimmt (Ent-
Scheidungen für Zivilsachen, Bd. 18, S. 107), nämlich: f”
„Ein Werk der bildenden Kunst ist durch eine
individuelle Tätigkeit mit den Darstellungsmitteln
der Kunst geschaffen und für die Anregung und
Befriedigung des ästhetischen Gefühls durch An-
schauen bestimmt“.
Fehlen indes die Bedingungen der rein ästhe-
tischen Darstellung, des ausgesprochen künstle-
rischen Geschmacks, wie bei vielen Erzeugnissen der
Industrie und des Handwerks, so findet das Kunst-
schutzgesetz keine Anwen- I
düng. Schutz gegen
Nachbildung wird
nur durch Anmel-
dung zum Muster-
register erreicht.
Und hier nun
leiden die Grund-
sätze des Verbandes
an einem wesentlichen
Mangel; sie unterscheiden
nämlich nicht zwischen Herstellung eines kunst-
gewerblichen Erzeugnisses und derjenigen eines
gewerblichen Musters oder Modells, sondern § 1 |
der Grundsätze bestimmt:
„Als Entwurf eines kunstgewerblichen Erzeug-
nisses gilt jede Zeichnung und jedes Modell, sofern ;
sie so gehalten sind, dass danach ein Sachkundiger
das zur Ausführung des Werkes Erforderliche vor- ;
nehmen kann. Als Zeichnung gilt jede flächenbildende 1
Darstellung.
Jede schriftliche Aufstellung, in der die Ge-
samtkosten einer kunstgewerblichen Arbeit in
Einzelleistungen angegeben werden, wird als
Anschlag betrachtet.

zuerkennen, sondern jedesmal erst genau festzustellen,
ob es sich um eine wirklich kunstgewerbliche, bezw’
künstlerische Arbeit handelt. Und selbst dann ist
die schriftliche Vereinbarung eines Preises von
Fall zu Fall auf Grund freien beiderseitigen
Uebereinkommens immer noch besser, als
das, was die „Eisenacher Ordnung“ fest-
setzen möchte.
Am zweckmässigsten ist es, der mittlere
oder kleine Goldschmied fertigt sich, wenn er
nicht disponible einwandfreie Muster benutzen
kann, die Zeichnungen etc. zu Arbeiten seiner
Branche selbst an, oder er lässt sie in der Werk-
statt von einem Angestellten entwerfen. Grössere Firmen,
Fabrikanten usw. sichern sich ebenfalls durch Dienstvertrag
oder bei Einzelbestellungen durch vorherige genaue,
schriftliche Abmachungen und, wo das angängig, durch

Als Werkzeichnung gilt jede Zeichnung, die
bestimmt ist, der Ausführung unmittelbar zu dienen.
Ein Hilfsmodell, das denselben Zwecken dient,
steht der Werkzeichnung gleich".
Demgegenüber und namentlich mit Rück-
sicht auf die folgenschweren Bestimmungen
für Verstösse gegen das neue Kunstschutz-
gesetz**), wird man also seitens der Arbeit-
bezw. Auftraggeber gut tun, nicht ohne weiteres
diese „Eisenacher Ordnung“ als verbindlich an-
*) Vgl. § 2, Satz 3: des neuen Kunstschlitzgesetzes: „Als Werke der bil-
denden Künste gelten auch Entwürfe für Erzeugnisse des Kunstgewerbes“ . . .
**) Geldstrafe bis zu 3000 Mark, bezw. Busse bis zu 6000 Mark, selbst
Gefängnisstrafe bis zu 6 Monaten, Vernichtung der unberechtigt hergestellten
Vervielfältigungen etc.

zu hören.
Im Vorstehenden konnten auch nur einige
besonders wichtige, sozusagen prinzipielle
Gesichtspunkte des Urheberrechts im Zu-
sammenhang mit den neuen Vertragsent-
würfen des Verbandes deutscher Kunstge-
werbevereine erörtert worden. Die Praxis
bietet darüber hinaus — auch im Gold-
schmiedegewerbe — noch eine Fülle inter-
essanter, bedeutsamer Fälle, bei denen nur eine
genaue Kenntnis der einschlägigen gesetzlichen
Bestimmungen es dem einzelnen ermöglicht, den Umfang
der ihm zustehenden Rechte voll auszunutzen bezw. sich
vor Schaden zu hüten. —od.
 
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