Leite 2.
Illustr. ku nstg e we r b l. Zeitschrift für „Inn e n-D e ko r ati o n".
Januar - Heft.
Mmiges iwev die ^mmdsätze dev Harmonie.
«Der Haupt werth bei der Dekoration irgend eines Gegenstandes
liegt in der z w e ck m ä ßi g e n V e r t h e i l u n g des dichtes,
und muß letzteres daher, um eine gute Wirkung zu erzielen, gewissen
Punkten entzogen, auf andere dagegen
wieder vereinigt werden. Ein Bild,
bei welchem sich das volle Licht aus
alle Theile gleichmäßig verbreitet,
würde schon auf den ersten Anblick
wenig reizen, und wenn wir dasselbe
beständig vor Augen haben würden,
gar bald ermüden. Deshalb nehmen
die Maler ihre Zuflucht zu dem soge-
genannten Halbdunkel, um eine
unbedingt nöthigs Abstufung zwischen
den verschiedenen Theilen ihrer Ge-
mälde zu erzielen und zu verhindern,
daß die Aufmerksamkeit des Beschauers
in gleicher Weise von allen auf die
Leinwand vereinigten Formen und
Gruppen auf einmal in Anspruch ge-
nommen wird. Beim Arrangement
von Möbeln usw. sind wir gezwungen,
nach denselben Grundsätzen zu arbeiten.
Wenn ein grelles Licht über das ganze
Zimmer vertheilt ist, infolgedessen
durch alle gleichmäßigen -Farbentöne
und Ähnlichkeiten der Formen das
Auge des Bewohners überall in glei-
cher Stärke in Anspruch genommen
wird, also vergeblich nach einzelnen
hervortretenden Punkten, auf welchen
es ruhen kann, suchen muß, so wird er bald von der unangenehmsten
Ermüdung, man kann sogar sagen Abspannung, befallen sein.
Es ist daher nothwendig, daß man am Tage mittelst Stoff-
Vorhängen und Stores, des Abends mittelst Licht- und Ofenschirm
nicht allein das Tages- oder Lampenlicht dämpft, sondern solches,
wie schon oben gesagt, zweckmäßig vertheilt, d. h. einein Punkte ent-
zieht und auf den andern vereinigt. Man wird in dem Zimmer
also ebenfalls eine Art Halbdunkel Herstellen, jede Aleinigkeit an
ihren Platz stellen, und der Effekt wird dann um so schöner
sein, als infolge der nicht vorher-
gesehenen Aontraste die Gegenstände
in ganz andrer Wirkung zur Geltung
kommen; die gleichmäßigen Formen
werden weniger eintönig erscheinen
und der malerische Aarakter der Ge-
sammt - Dekoration dadurch ganz be-
deutend gehoben.
Die Harmonie der Farben muß
man natürlich kennen und von Hause
aus im Auge haben, denn zu grell
gewählte Nüancen lassen sich selbst-
verständlich auch durch keinerlei Vor-
hänge usw. wesentlich in ihrer Wir-
kung abschwächen. Man muß zumal
darauf bedacht sein, daß die Farbe
der Tapete nicht Heller als die der
Decke gehalten wird, die Wand soll
Fußboden mit Decke verbinden, nicht
aber trennen; letztere muß also am
hellsten sein, und ein grober Verstoß
gegen das Gefühl und den guten
Geschmack wäre es, wollte man die
Farbe der Wand Heller, als die der
Decke wählen! Im klebrigen ver-
weisen wir noch in Bezug auf die
richtige und falsche Farben- bezw.
Lichtwirkung auf den in dem heutigen
Heft beginnenden Aufsatz des bekannten Fachschriftstellers I. v. Falke:
„Die Poesie in der Wohnung".
Unsere nebenstehenden Abbildungen zeigen in Figur Nr. f20, wie
das Arrangement nicht, dagegen in Figur s2s, wie es zur Erzielung
einer richtigen, angenehmen, das Auge fesselnden Lichtwirkung getroffen
werden soll, und machen eine eingehendere Erklärung überflüssig.
Abbildung Nr. ;20.
Dekoration mit falscher Farben- und Lichtvertbeilung.
Woeste m Vev
Von I. von Falke.
ser Hein: hat heute wieder Form, Farbe uud mannigfachen,
ihm lange unbekannten Schmuck erhalten und damit neuen
Reiz gewonnen. Das wird wohl Niemand in Abrede
stellen. Was ihm aber gewöhnlich fehlt, das ist ein wenig — wir
sind bescheiden — ein wenig Poesie! Die reichsten und kunstvollsten
Gemächer, welche uns die Ausstellungen vor Augen geführt haben,
so manches Haus, an dessen Ausstattung gar nichts gespart ist, sie
lassen doch jene Eigenschaft vermissen. Reich, stilvoll, vornehm, das
Alles ist noch nicht Poesie!
Poesie in der Wohnung! — Gewiß denkt der Leser zuerst an
die schönen gereimten Sprüche, mit welcher wir heute Wand und Decke
versehen. Wir haben Sprüche über der Thüre, auf dein Ofen, im
Gesims der Vertäfelung, auf den Trinkgläsern, auf den Tischtüchern,
auf Servietten und Handtüchern, auf dem Wasch- und Speisegeräth,
Sprüche im Salon und Schlafzimmer, im Vorzimmer, in Rüche und
Reller; wir haben Sprüche drinnen im Hause und außen am Hause,
und nicht blos Sprüche, sondern ganze Gedichte können wir von den
Wänden und Geräthen ablesen, auch „gespritzt" in den Rüchen.
Die Alten hatten die Sitte auch, aber sie waren sparsamer damit. Nun
ist ein kräftiger Spruch ohne Zweifel ein gutes Ding, aber man kann
auch des Guten zu viel haben, und wenn inan von diesem Guten
viel haben will, so kommt man schließlich zu Plattitüden, Gemeinplätzen,
wie etwa auf einem Handtuch zu lesen steht: „Eine Hand wäscht die
andere", oder man nimmt seine Zuflucht zu allerlei Scherzen und
Witzen, die, wenn sie uns beständig vor Augen stehen, wenn sie, so
zu sagen, permanent geworden, stereotyp sind, doch wohl fade und
langweilig werden. Damit ist keine Poesie in das Haus eingeführt,
vielmehr zum Hause Hinausgetrieben.
Lassen wir also Sprüche und Gedichte! Sparsam und treffend
angewendet, geistreich und neu, wenigstens nicht todtgeritten und ab-
gedroschen, wollen wir uns die Spruchweisheit gerne gefallen lassen,
aber sie meinen wir nicht, wenn wir von der Poesie im Hause reden.
Auch poetische Gegenstände haben wir nicht eigentlich im Sinne
bei unserer Forderung, nicht die Gegenstände der Malereien auf Wänden
und Plafonds. Gewiß ist es von großem Reiz für die Wohnung,
wenn Jemand im Stande ist, dieselbe mit Bildern zu schmücken, welche
nicht blos malerisch, sondern auch gegenständlich Auge und Geinüth
zu fesseln vermögen, wenn im Fries ein hübsches Märchen in einem
Bilderziklus erzählt wird, eine wohlbekannte Dichtung in einer Reihe
von Szenen sich vor uns entrollt; wenn in einem Speisezimmer die
Jahreszeiten und ihre Früchte, das Landleben, der Feldbau, Jagd
und Fischfang dargestellt sind oder Bilder aus jenen fernen Ländern
und Gegenden, welche uns die Delikatessen zusenden, so erhöht das
gewiß den Reiz, die Schönheit des Gemachs. Ebenso, wenn Arnoretten
das Schlafgenrach umspielen, oder liebliche Bilder geselliger Freude
das Wohngemach schmücken. Das Alles hat ohne Frage auch seine
Poesie und seine Wirkung in diesem Sinne. Allein solche Malereien
sind nicht Jedermanns Sache, da sie allzu kostbar sind; sie sind den
meisten Bürgerhäusern unerreichbar, und doch - soll auch diesen die
Poesie nicht fehlen.
Es ist auch gar nicht nöthig, daß wir die hohe Runst herbei-
rufen. Sie kann auch den entgegengesetzten Eindruck Hervorbringen.
Sie kann durch ihren künstlerischen Apparat zuviel sein, sie kann pompös,
steif, aufdringlich und feierlich wirken, und ist gar die Farbenstimmung
Illustr. ku nstg e we r b l. Zeitschrift für „Inn e n-D e ko r ati o n".
Januar - Heft.
Mmiges iwev die ^mmdsätze dev Harmonie.
«Der Haupt werth bei der Dekoration irgend eines Gegenstandes
liegt in der z w e ck m ä ßi g e n V e r t h e i l u n g des dichtes,
und muß letzteres daher, um eine gute Wirkung zu erzielen, gewissen
Punkten entzogen, auf andere dagegen
wieder vereinigt werden. Ein Bild,
bei welchem sich das volle Licht aus
alle Theile gleichmäßig verbreitet,
würde schon auf den ersten Anblick
wenig reizen, und wenn wir dasselbe
beständig vor Augen haben würden,
gar bald ermüden. Deshalb nehmen
die Maler ihre Zuflucht zu dem soge-
genannten Halbdunkel, um eine
unbedingt nöthigs Abstufung zwischen
den verschiedenen Theilen ihrer Ge-
mälde zu erzielen und zu verhindern,
daß die Aufmerksamkeit des Beschauers
in gleicher Weise von allen auf die
Leinwand vereinigten Formen und
Gruppen auf einmal in Anspruch ge-
nommen wird. Beim Arrangement
von Möbeln usw. sind wir gezwungen,
nach denselben Grundsätzen zu arbeiten.
Wenn ein grelles Licht über das ganze
Zimmer vertheilt ist, infolgedessen
durch alle gleichmäßigen -Farbentöne
und Ähnlichkeiten der Formen das
Auge des Bewohners überall in glei-
cher Stärke in Anspruch genommen
wird, also vergeblich nach einzelnen
hervortretenden Punkten, auf welchen
es ruhen kann, suchen muß, so wird er bald von der unangenehmsten
Ermüdung, man kann sogar sagen Abspannung, befallen sein.
Es ist daher nothwendig, daß man am Tage mittelst Stoff-
Vorhängen und Stores, des Abends mittelst Licht- und Ofenschirm
nicht allein das Tages- oder Lampenlicht dämpft, sondern solches,
wie schon oben gesagt, zweckmäßig vertheilt, d. h. einein Punkte ent-
zieht und auf den andern vereinigt. Man wird in dem Zimmer
also ebenfalls eine Art Halbdunkel Herstellen, jede Aleinigkeit an
ihren Platz stellen, und der Effekt wird dann um so schöner
sein, als infolge der nicht vorher-
gesehenen Aontraste die Gegenstände
in ganz andrer Wirkung zur Geltung
kommen; die gleichmäßigen Formen
werden weniger eintönig erscheinen
und der malerische Aarakter der Ge-
sammt - Dekoration dadurch ganz be-
deutend gehoben.
Die Harmonie der Farben muß
man natürlich kennen und von Hause
aus im Auge haben, denn zu grell
gewählte Nüancen lassen sich selbst-
verständlich auch durch keinerlei Vor-
hänge usw. wesentlich in ihrer Wir-
kung abschwächen. Man muß zumal
darauf bedacht sein, daß die Farbe
der Tapete nicht Heller als die der
Decke gehalten wird, die Wand soll
Fußboden mit Decke verbinden, nicht
aber trennen; letztere muß also am
hellsten sein, und ein grober Verstoß
gegen das Gefühl und den guten
Geschmack wäre es, wollte man die
Farbe der Wand Heller, als die der
Decke wählen! Im klebrigen ver-
weisen wir noch in Bezug auf die
richtige und falsche Farben- bezw.
Lichtwirkung auf den in dem heutigen
Heft beginnenden Aufsatz des bekannten Fachschriftstellers I. v. Falke:
„Die Poesie in der Wohnung".
Unsere nebenstehenden Abbildungen zeigen in Figur Nr. f20, wie
das Arrangement nicht, dagegen in Figur s2s, wie es zur Erzielung
einer richtigen, angenehmen, das Auge fesselnden Lichtwirkung getroffen
werden soll, und machen eine eingehendere Erklärung überflüssig.
Abbildung Nr. ;20.
Dekoration mit falscher Farben- und Lichtvertbeilung.
Woeste m Vev
Von I. von Falke.
ser Hein: hat heute wieder Form, Farbe uud mannigfachen,
ihm lange unbekannten Schmuck erhalten und damit neuen
Reiz gewonnen. Das wird wohl Niemand in Abrede
stellen. Was ihm aber gewöhnlich fehlt, das ist ein wenig — wir
sind bescheiden — ein wenig Poesie! Die reichsten und kunstvollsten
Gemächer, welche uns die Ausstellungen vor Augen geführt haben,
so manches Haus, an dessen Ausstattung gar nichts gespart ist, sie
lassen doch jene Eigenschaft vermissen. Reich, stilvoll, vornehm, das
Alles ist noch nicht Poesie!
Poesie in der Wohnung! — Gewiß denkt der Leser zuerst an
die schönen gereimten Sprüche, mit welcher wir heute Wand und Decke
versehen. Wir haben Sprüche über der Thüre, auf dein Ofen, im
Gesims der Vertäfelung, auf den Trinkgläsern, auf den Tischtüchern,
auf Servietten und Handtüchern, auf dem Wasch- und Speisegeräth,
Sprüche im Salon und Schlafzimmer, im Vorzimmer, in Rüche und
Reller; wir haben Sprüche drinnen im Hause und außen am Hause,
und nicht blos Sprüche, sondern ganze Gedichte können wir von den
Wänden und Geräthen ablesen, auch „gespritzt" in den Rüchen.
Die Alten hatten die Sitte auch, aber sie waren sparsamer damit. Nun
ist ein kräftiger Spruch ohne Zweifel ein gutes Ding, aber man kann
auch des Guten zu viel haben, und wenn inan von diesem Guten
viel haben will, so kommt man schließlich zu Plattitüden, Gemeinplätzen,
wie etwa auf einem Handtuch zu lesen steht: „Eine Hand wäscht die
andere", oder man nimmt seine Zuflucht zu allerlei Scherzen und
Witzen, die, wenn sie uns beständig vor Augen stehen, wenn sie, so
zu sagen, permanent geworden, stereotyp sind, doch wohl fade und
langweilig werden. Damit ist keine Poesie in das Haus eingeführt,
vielmehr zum Hause Hinausgetrieben.
Lassen wir also Sprüche und Gedichte! Sparsam und treffend
angewendet, geistreich und neu, wenigstens nicht todtgeritten und ab-
gedroschen, wollen wir uns die Spruchweisheit gerne gefallen lassen,
aber sie meinen wir nicht, wenn wir von der Poesie im Hause reden.
Auch poetische Gegenstände haben wir nicht eigentlich im Sinne
bei unserer Forderung, nicht die Gegenstände der Malereien auf Wänden
und Plafonds. Gewiß ist es von großem Reiz für die Wohnung,
wenn Jemand im Stande ist, dieselbe mit Bildern zu schmücken, welche
nicht blos malerisch, sondern auch gegenständlich Auge und Geinüth
zu fesseln vermögen, wenn im Fries ein hübsches Märchen in einem
Bilderziklus erzählt wird, eine wohlbekannte Dichtung in einer Reihe
von Szenen sich vor uns entrollt; wenn in einem Speisezimmer die
Jahreszeiten und ihre Früchte, das Landleben, der Feldbau, Jagd
und Fischfang dargestellt sind oder Bilder aus jenen fernen Ländern
und Gegenden, welche uns die Delikatessen zusenden, so erhöht das
gewiß den Reiz, die Schönheit des Gemachs. Ebenso, wenn Arnoretten
das Schlafgenrach umspielen, oder liebliche Bilder geselliger Freude
das Wohngemach schmücken. Das Alles hat ohne Frage auch seine
Poesie und seine Wirkung in diesem Sinne. Allein solche Malereien
sind nicht Jedermanns Sache, da sie allzu kostbar sind; sie sind den
meisten Bürgerhäusern unerreichbar, und doch - soll auch diesen die
Poesie nicht fehlen.
Es ist auch gar nicht nöthig, daß wir die hohe Runst herbei-
rufen. Sie kann auch den entgegengesetzten Eindruck Hervorbringen.
Sie kann durch ihren künstlerischen Apparat zuviel sein, sie kann pompös,
steif, aufdringlich und feierlich wirken, und ist gar die Farbenstimmung