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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Ein modernes Möbel-Magazin, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0080

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Leite 6-p

Zllustr. kunstgewcrbl. Zeitschrift für „pnucn-Dekoration".

Alai-t)est.

Min modernes

Je Zahl der Magazinhäuser, jener Gebäude, die vollständig als große
Waarenbazare angelegt sind, mehrt sich in allen größeren Städten
ständig. Berlin besitzt jetzt Lagerhäuser, die nicht nur gefällig zum
Verkauf aufgestapelte Maaren ihren Besuchern zeigen, sondern ihnen den wohl-
thucnden, künstlerisch befriedigenden Anblick einer Anzahl vornehmer stilvoll und
luxuriös ausgestatteter Wohnungen vorführen. Wir finden daselbst in allen Stock-
werken völlig eingerichtete Gruppen von Wohnungen, Zimmern, Salons, Boudoirs,
Schlaf- und Speiseräumen in vornehmster, wie in solid bürgerlicher, einfacherer
Ausstattung, im Geschmack der Renaissance, des Rokoko, Barock; jede Wohnung
harmonisch abgestimmt und als ein Ganzes gedacht.

Sehen wir uns nun einmal ein solches modernes Möbelmagazin an. Das
Erdgeschoß ist größtentheils als vornehme I un g g e s e llen-W o hn u n g gedacht.
Der unverheirathete vermögende Mann liebt es besonders, alten Hausrath, kunst-
gewerbliche Ra-
ritäten usw. aus
alten Patrizier-
häusern zusam-
men zu kaufen
und im eigenen
Heim praktisch
zu verwcrthen.

Ein mit kostba-
ren Perlmutter-
Intarsiaturen
verzierter alter
Schrank, Kandc-
laber in Schmied-
eisen, Truhen u.

A. reizen die Lust
des Kenners und
des Geschmack
besitzenden Laien.

Ganz reizend be-
haglich ist der
Erker ausgestat-
tet, noch schöner
fast das altdeut-
sche Speisezim-
mer mit hoher
Holztäfelung und
kräftigen Renais-
sance - Möbeln.

Schon hierhäben
wir einer beson-
deren Kunstfer-
tigkeit ein war-
mes Wort der
Anerkennung zu
sagen. — Altes
Holzwcrk, Füll-
ungen, Leisten,

Bretter, vielleicht
von einem Ge-
genstände herge-
nommen, der be-
schädigt oder für
den Raum nicht
zu verwenden ge-
wesenfist mit gro-
ßer Kunstfertig-
keit benutzt wor-
den, um daraus
altdeutsche Mö-
belstücke vollständig neu zu bilden. — Wo an Schränken, Truhen, Gesimsen etwas
gefehlt, da haben die Kunsttischler die Ergänzung so treu nach dem vorhandenen
Original neu hergestellt, daß es dem geübtesten Auge nicht gelingt, das Neue von
dem Alten zu unterscheiden.

An die altdeutsche Junggesellen-Wohnung schließt sich hinten alkovenartig
ein kokettes Rokoko-Boudoir in dem tändelnden Geschmack des vorigen Jahr-
hunderts an, meist aus Altem, doch mit diskreter Zuhilfenahme von neuen Sachen
komxonirt. Zu gelegentlichen Besuchen, zu kleinen Eauserien mag dieser mit
dicken, starkgemusterten Seidenstoffen, mit Spiegeln und Möbeln im Puder- und
Reifrockstil ausgestattete Raum wohl gedacht sein. — Die in den Oberstock führ-
ende Treppe leitet auch in ihrer Ausschmückung angemessen in das Kommende
über. Geländer und Hintergrund sind so bekleidet, daß nirgends eine Unterbrech-
ung sich verräth.

Den ersten Stock nimmt eine Wohnung ein, deren einzelne Theile nach
verschiedenem Geschmack und verschiedenen Formengesetzen eingerichtet sind. Wir
treten zuerst in den Salon. Die geschweiften Kommoden und Schränkchen mit
herrlichen Bronzebeschlägen sind wohl alt, aus dem vorigen Jahrhundert hervor-

Abbildung Nr. t66. Sslon im Kkile Wouiv XlV. von m. Ballin, München.

gegangen, ebenso der Klavierkasten, den man heute so prunkvoll üppig kaum,
kopiren würde. Dazu passen aber die polstermöbcl, geschweiften Formen, Gold,.
Lack, die prachtvollen deutschen und französischen Stoffe mit schweren Mustern,,
dazu passen alle Kleinigkeiten ganz vortrefflich, die diesen Raum füllen, unter
einander aber wieder sich zu sestgeschlossenen Etablissements gruppiren. Wer im.
Salon gern dem pompösen Rokoko die Herrschaft läßt, der wählt für das Herren-
und das Speisezimmer lieber die ernstere, behaglicher wirkende Renaissance.
So sehen wir in den Hinteren Partien dieser Wohnung auch wieder matt gebeiztes
Eichenholz, Formen, wie sie das ts. Jahrhundert in den Niederlanden geschaffen,
kräftig und warm im Ton, Altes und Nenes, Originales und Ergänztes bei
einander. Besondere Bewunderung verdient die koloristische parmonie, die in
jedem der Räume herrscht.

Wir kommen unmehr in den zweiten Stock. Hier befinden wir uns wieder in

einer vollständig,
ausgestatteten
eleganten Wohn-
ung, der nur
Wirthschafts- in.
Küchen - Räume
fehlen. Die Ein-
heit des Stils,
die noch vor wen-
igen Jahren von
strengen Stilisten
verlangt wurde,
läßtsich.nirgends.
mehr halten. —-
Man will eben
Wohnstube, Sa-
lon, Speisezim-
mer je nach ihrer
Bestimmung de-
koriren. So sehen
wir denn Pracht-
möbel des Roko-
ko - Geschmackes,
breite, geschweif-
te Formen mit
Goldbrokat ge-
polstert in dem
einen Salon. In
einem anderen
Etablissement ist
ein altes Rokoko-
kleid von schwe-
rem, kräftig des-
sinirten Stilstoff
zu Möbclbezügen
verwendet. Da-
neben ladet das^
schwere Barock
aus der Zeit Lud-
wigs XIV. zur
Rast ein. Mit
der Pracht ver-
bindet dieser Stil
eine gewisse Be-
haglichkeit, und
diese wird noch
erhöht durch dir
koloristischeStim-
mung aller Dra-
perien und Mö-
belstoffe, in denen Oliv und Bronzebraun in verschiedenen Nüanzen vorherrschen.
Paravents, kleine Luxusmöbel und jenes Ueberslüssige, was ja jede Wohnung erst
wirklich wohnlich macht, fehlen natürlich auch dieser nicht.

Im Herren- und Speisezimmer der aus sieben Räumen bestehenden Wohn-
ung finden wir jene orientalischen Lseltaschen, die keine abendländische Kunst
nachzubilden versteht, zu Polsterungen verwendet, den Speisetisch mit maurischer
goldgestickter Decke bekleidet, die Zimmerdecke täuschend in Holz-Imitation gemalt,
die Fenster aus alten Stücken Glasmalerei und neuer kunstvoller farbiger Ver-
glasung zusammengesetzt, kurz, auch hier wieder Altes und Neues, Originales und-
Nachgeahmtes zu wohlthuender künstlerischer Wirkung vereint.

Weiter oben in dem interessanten Hause wird es einfacher, darum aber
kaum minder schön. Die Rokokomöbel, deren Holzwerk in mattem Bronzeton ge-
halten, sind mit herrlich gemusterten Kretonnes gepolstert; nebenbei werden wir
über die karakteristischen Eigenschaften der sogenannten „Dresdener Rokokofasson"
belehrt, die einfacher, neuer, geringer, ist, als die von Versailles hervorgegangene,
immer aber noch sehr vornehm wirkt.

(Schluß im zweiten Bogen dieses Heftes.)
 
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