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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Böttcher, F.: Italienische Rahmen aus dem XV. und XVI. Jahrhundert
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Juli-Heft.

cm allen Holzarbciten der Renaissance sind die Rahmen diejenigen,
welche aut dein kleinsten Raume die größte Fülle reizvoller Abwechsel-
ung bieten, und während es schwer, ja fast unmöglich wird, größere
Möbel der italienischen Renaissance in entsprechender Mannigfaltigkeit herbeizu-
schasfen, ist es möglich gewesen, eine wahre Mustcrkarte der zierlichsten Profile,
Ecklösungen, Bekrönungen und sonstiger ornamentaler Ausbildung auf dein Ge-
biete der Rahmen zusammenzustellen und im Aunstgewerbe - Museum in Berlin
zur Ausstellung zu bringen, so daß diese Sammlung keineswegs nur für den
Rahmenfabrikantcn, sondern auch für viele Zweige des Aunstgewerbes ihre hohe
Bedeutung hat. Der Direktor des genannten Museums, Professor Lessing, sagt, daß
in der Gestaltung des Rahmens für das Bild
und für den Spiegel die Aunst der italienischen
Renaissance die anmuthigstcn Blüthen ge-
trieben habe. Das in Gelmalerci ausgesührte
Tafelbild war erst in der Periode der Renais-
sance zur Entfaltung gelaugt und auch der
Glasspiegel gehört dieser Zeit an; für beide
neue Schöpfungen mußte die ornamentale
Aunst den besonderen Abschluß erfinden und
für beide Gebilde gab sie aus ihren Schätzen
mit überreichen Händen das Edelste und Beste.

Die Malerei der gothischen Aunst, von
wesentlicher monumentaler Ausbildung, haftet
an der Fläche des Bauwerkes und fordert den
Rahmen nicht. Das Bild muß sich erst los-
lösen von der Wand, muß ein Linzelleben
beginnen, um eines besonderen Abschlusses zu
bedürfen. Dieser Vorgang vollzieht sich in der
italienischen Aunst zunächst am Altarbilde.

Die ältesten auf Holz gemalten Tafelbilder,
welche für den Schmuck des Altares bestimmt
find, erinnern noch im Wesentlichen an goth-
ische Architektur. Lin hohes Gerüst von
Pfeilern und Spitzbogen ist aufgebaut, nicht
unähnlich einer weißen mit Spitzen und Fialen
gekrönten Fensterwand. Wie in eine solche
die gemalten Scheiben, so sind hier in den
Flächen Bilder eingelassen, meist Einzelfiguren
von Heiligen oder einzelne Vorgänge einer
Legende. In Venedig, wo sich die gothischen
Lchmuckformen erheblich länger als im übrigen
Italien erhalten haben, sind derartige Altar-
werke noch in sehr großer Zahl zu finden.

An die Stelle dieses Neben- und Ueber-
einander von Bildern setzt die Renaissance
nicht sofort das Einzelbild. Auch sie hält es
in vielen Fällen noch für nöthig, das große
Hauxtbild durch kleine Nebenbilder zu begleiten,
welche den Irrgang erläutern oder in seinen
religiösen Beziehungen weiter ausspinncn.

Das Hauptbild wird aufgebaut wie ein Taber-
nakel, in den Formen der wiedergewonnenen
antiken Baukunst. An den Seiten stehen
Pilaster flach oder auch säulenartig ausgebildet,
oben ruht das ausladende, völlig in Architektur
formen gegliederte Hauxtgesims, als unterer
Abschluß dient ein Sockel. In diesen Sockel,
der als Predella bezeichnet wird, sind dann
gewöhnlich kleinere Bilder eingelassen. Ueber
das Hauptgesims, wölbt sich dann zumeist
noch ein halbrundes Feld, die Lunetta, in
welcher sich zumeist eine gemalte Halbfigur befindet. Es ist in diesen Altar-
bildern genau derselbe Ausbau, wie in den meisten Altären der Robbie's und in
einer unendlichen Zahl von Grabmälern dieser Zeit. Dieser Aufbau steht regel-
mäßig auf dem Hinteren Rande des Altares, in manchen Airchen, z. B. in San
Spirito in Florenz, ist noch in dem ganzen Aapellenkranz Raum für Raum zu
einem solchen Altar mit seinem Bilderaufsatz enthalten.

Die ornamentale Ausbildung dieser Tabernakel pflegt sehr reich zu sein
und sich keineswegs aus die architektonischen Grundformen zu beschränken. Die
Pilaster erhalten fast regelmäßig ein aufsteigendes Vrnament, das sich golden auf
blauem Grunde absetzt. In das Gesims ist ein ornamentaler Fries eingefügt,
auch der Sockel erhält statt der Predellenbilder häufig Vrnamente, die Lünette ist
nach oben reich bekrönt, oder es tritt auch an ihre Stelle ein ornamentaler Giebel-
aufsatz von frei gearbeitetem Schnitzwerk. Bei großen Bildern — die schönsten
Beispiele in Padua und Siena — lösen sich die Pilaster als freie Säulen aus dein
Rahmen; dann wird die breite Leiste, vor welcher sie stehen, ornamentirt und die
Säulen selbst mit einem Mantel von Schmuckformen versehen. Die Verzierungs-
lust der Frührenaissance ist so groß, daß, wenn die Mittel zur Holzschnitzerei nicht
ausreichen, man sich doch nicht mit einfachen Leisten begnügt, sondern die Grna-

mente aus Stuckmasse aufsetzt und mit den übrigen vergoldet. — Sollte ein solches
Tabernakel an der Wand befestigt werden, so war natürlich ein Stützpunkt für
solchen Aufbau zu schaffen. Es werden entweder zwei Aonsolen unter den Pilaster-
gesetzt oder ein einzelnes Aonsol, nach unten spitz ablaufend, schmiegt sich dem
Sockel an. Derartige Tabernakel sind fest mit der Wand verbunden und haben
daher die strengere architektonische Form. — Sobald sich aber die Malerei von
dem Bann der Airche frei machte und weltliche Schönheit für weltlichen Lebens-
genuß sestzuhaltcn sich bestrebte, als man anfing, Gemälde kleineren Mnsanges
an die wände des Wohnraumes zu hängen, war diese monumentale Festigkeit
des Rahmens nicht mehr angebracht, derselbe wurde beweglich und »rußte auch

beweglich erscheinen, er war aufgehängt und
nicht mehr eingemauert, und hiermit ändern
sich seine Formen, das Prinzip des Taber-
nakels aus Pilaster und Gebälk, welches allen
Renaissanceformen im Blute steckt, wird nicht
verlassen, aber sehr geistreich umgebildet.

Noch in voller Pracht zeigt es der Spiegel-
rahincn, Säulen, Gebälk, Giebel und Aonsol
sind vorhanden, aber Alles ist in spielend
ornamentaler Weise behandelt, Niemand wird
dabei an einen ernstlichen Ausbau denken.

Der Spiegelrahmen ist in jener Zeit mit
dem Bilderrahmcn eng verwandt. Im Mittel-
alter hatte man nur Metallspiegel gehabt,
die, wie im klassischen Alterthum, selten über
die Größe eines menschlichen Antlitzes hinaus-
gingen und zumeist eine runde Scheibe bildeten.
Die Glasspicgcl, welche im ;5. Jahrhundert
aus kommen, waren nicht unerheblich größer,
wenn auch selten über qo am hoch, zumeist
kleiner. Aber immerhin zeigten sie in ihrer
viereckigen Form dem Beschauer den ganzen
Aopf mit Hals und Schulternansatz, etwa soviel,
als auf den Portraits jener Zeit auch nur
gemalt wurde. Diesem Augenblicksbilde galt
der kostbare Rahmen, der noch reicher sein
durfte, als bei einem wirklichen Gemälde,
dessen Farben einer zu großen Pracht hätte
schaden können. Diese Spiegel waren stets
mit einem Schiebedeckel versehen, um das
empfindliche Glas zu schauen, der Deckel wurde
mit Figuren oder Wappen bemalt.

Neben dieser mehr architektonischen Ge-
stalt des Rahmens tritt nun aber auch be-
reits ziemlich früh die andere einfachere Ge-
stalt auf, die sich mit einer abschließenden
Leiste begnügt, welche nach allen Seiten hin
gleichartig ausgebildet ist. Die Einrahmung
der Rosetten und Medaillons in den erhal-
tenen Resten antiker Baukunst gab hierfür die
nöthigen Vorbilder. Zunächst blieben die Rah-
men für die in der Frührenaissance sehr be-
liebten Rundbilder von architektonischenFormen
frei, sie erscheinen als einfacher Ring oder
auch, entsprechend dem Blattwulst antiker
Säulen, als geflochtener Aranz von Blatt-
werk oder Gebinden von Blumen und Früchten.
Hierfür sind die Rahmen der Robbiereliefs die
bekanntesten Beispiele. Auf einen sehr vor-
nehmen Rahmen der Berliner Sammlung ist
aus dem flachen Grunde des Reifens ein frei

gearbeiteter Lorbeerzweig aufgelegt.

Auch die eigentlichen Tabernakelaufbautcn der Altäre können die einfassenden
inneren Leisten nicht entbehren. Wenn das Bild sich als freihängendes gestaltet,
so hängt eigentlich schon die Leiste; die Holländer, welche sich mit keinen antiken
Erinnerungen schleppten, haben kaum jemals eine andere Einfassung für nöthig
befunden. Anders in Italien. Das architektonische Bedürfnis;,- ein Vben und
Unten, ein Tragen, Bekränzen und Abschließen zu scheu, bricht überall durch,
und so gibt man denn auch dem leichten Holzrahmen davon so viel, als er zu
tragen vermag; aber Alles ist mit vollendetem Geschmack seiner Schivere entkleidet
und in zierlich spielendem Schmuck aufgelöst. Der Grundgedanke der Tabernakel-
sorm erhält sich in Italien erstaunlich lange und klingt selbst in krausen Gebilden
des späteren Barock und Rokoko noch an. Ihre Blüthezeit ist aber das fünf-
zehnte und die Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, und wenn auch spätere
Zeiten die Rahmenschnitzerci zu erheblich größerer Pracht ausbildeu, so reichen
ihre prächtigen Stücke doch nicht entfernt an die vornehme Schönheit der großen
Zeit der Aunst. Die Dresdener Bildergallerie meist eine Anzahl herrlich geschnitzter
Rahmen auf, namentlich schön ist der der Madonna von Rafael und der der
Madonna von Holbein, beide sind vor ungefähr qs Jahren geschaffen worden. —

Abbildung Nr. sys. Wsfe. Ron Gustav Dorö.

--Dtattemfche ^Mahmen mrs Lem XV. unv XVI. °Da6r6miderL.
 
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