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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Ueber das indische Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0153

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Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Innen-Dekoration".

September-!)eft

eöer Vas mölsche ^Munstgemevöe

finden wir in Reisebriefen welche die „Köln. Ztg." abdruckte, das Folgende: Der
Direktor eines deutschen Museums schrieb mir nach Indien, ich möge ihm doch aus
einem Lande, wo man nur so aus dem vollen zu wählen habe, für die und die
Lumme kunstgewerbliche Lachen mitbringen. Naive Zumuthungl Wie wenig muß
der Herr indische Verhältnisse kennen! Als ob man in Indien wie in Europa in
einen Laden gehen, die gewünschten Sachen aussuchen, nach dem Preise fragen,
zahlen und den erhandelten Gegenstand mitnehmen könnte. Lin Einkauf, der in
Europa eine Sache von fünf oder zehn Minuten ist, erfordert hier Stunden oder
Tage des zähesten Feilschens. Da aber wohl Niemand gern den zehn- oder zwanzig-
fachen Werth einer Sache bezahlt, so muß sich Jeder, der etwas kaufen will, auf
ein mit unglaublichem Zeitverlust verknüpftes Feilschen einlassen, wozu aber doch
nicht jeder Reisende Beruf und Talent in sich fühlt. Kommt man in das Laden-
geschäft eines Eingeborenen und fragt nach dem Preise eines Gegenstandes, der
etwa zwei Rupien werth ist, so werden zwanzig oder dreißig Rupien gefordert.
Bietet man als Kenner zwei oder drei Rupien, so wird man nach einigem Feilschen
das Gewünschte ohne große Schwierigkeiten erhalten. Bietet man aber als Nicht-
kenner einen viel zu niedrigen oder zu hohen Preis, in dem erwähnten Falle eine
halbe Rupie oder zehn Ru-
pien, so liegt die Sache ganz
anders. Aus beidem ersieht
der Verkäufer, daß dieser
Fremdling ein Nichtkenncr,
ein günstiges, vom gütigen
Gott gesandtes Gpfer der
Ausbeutung ist. Derselbe
Mann, der eine Stickerei,
eine Metallarbeit oder der-
gleichen, obwol er dreißig
Rupien forderte, willig für
zwei Rupien hergeben würde,
hält, sobald ihm zehn Rupien
in Aussicht gestellt werden,
zäh an seiner Forderung von
dreißig Rupien fest und läßt
den Käufer lieber Weggehen,
ehe er die zehn Rupien an-
nähme. Diese Erfahrung
habe ich mehrfach selbst ge-
macht. Eine in Agra ge-
fertigte Marmorsknlptur, die
vielleicht zehn Rupien werth
war und für die 2y gefordert
wurden, gefiel mir so gut,
daß ich mein Gebot auf
steigerte. Aber trotz aller
Mühe bin ich abgereist, ohne
daß ich das kleine Kunst-
werk zu einem annähernd
dem Werthe entsprechenden
Preise hätte erstehen können.

Ein guter Kenner des Lan-
des, dem ich diesen Vorfall
erzählte, erwiderte: „Hätten
Sie statt achtzehn Rupien
zehn oder elf geboten, so
würden Sie die Skulptur
jetzt bei sich haben." Daß
diese Karaktereigenschaft der
Hindus den Absatz ihrer
Kunsterzeugnisse nicht gerade
erleichtert, braucht wohl kaum
erwähnt zu werden. Ein-
zelne Hindus mögen ja auch
Wohl an einzelnen besonders
dummen Reisenden recht viel verdienen. Aber der europäische Absatz des mit sehr
niedrigen Arbeitslöhnen rechnenden indischen Kunstgewerbes würde sehr viel
umfangreicher sein, wenn man sich einer etwas größeren Reellität befleißigen
wollte. Anstatt gut ausgestattete Läden mit festen Preisen zu unterhalten, lauern
selbst die wohlhabenderen Händler gleich Wölfen den Fremden auf und belästigen
sie im Gasthause, bei Ausfahrten und Spaziergängen in unglaublicher Weise.
Manchen Mann, der seine hunderttausend Mark werth sein mochte, habe ich wegen
allzu großer Zudringlichkeit aus meinem Zimmer hinausgexrügelt, in das er un-
berechtigterweise zum so und so vielten Male eingedrungen war. Die Regierung
hat neuerdings in Lackhnau ein Museum moderner indischer Gewerbserzeugnisse
eingerichtet, wo man solche auch zu festen und reellen Preisen kaufen kann: für
das Kunstgewerbe wie für den kauflustigen Reisenden ein wahrer Segen.

Die indische Kunst hat sich niemals zu den höchsten Leistungen der Skulptur
und der Malerei emxorzuschwingen vermocht. Architektur, Reliefskulptur und Kunst-
gewerbe waren die Felder, auf denen sie sich am fruchtbarsten bethätigt hat; heute
aber ist nur ein nach mehrfacher Richtung mißgestaltetes, aber doch immerhin schönes
Bastardkind des alten Kunstgewerbes übrig geblieben. Benares liefert jetzt sehr viel

rohere Nessingwaaren als früher. Schönere Geräthe von feinerm Geschmack, auf
denen durch Anwendung von Schellack reizende Zeichnungen hervortreten, werden
in Moradabäd gefertigt, aber auch diese werden übertroffen durch die Stahlwaaren
von Ieyxore, deren Arabesken durch Linhämmern allerfeinsten Silberdrahtes her-
gestellt sind. Das Silberstligran von Delhi ist dagegen dauerhafter, aber weniger
fein, als jenes von Malta. Holzschnitzereien kommen heute nur noch aus Bombay,
während sie früher in ganz Indien gefertigt wurden. In Agra blüht, durch allzu
starke europäische Nachfrage ein wenig beeinträchtigt, die Kunst des Marmor-
mosaiks und die noch eigenartigere Kunst des Steinfiligrans, die ich mich nicht
entsinne, in gleicher Vollkommenheit irgendwo auf der Erde vorgefunden zu haben.
Die Umgebung von Delhi ist die Heimath der mit Gold und Silber überladenen
Prunkstrickereien. Dazu kommt dann allerlei Firlefanz, den im einzelnen aufzuzählen
allzu weit führt. Beispielsweise benutzen die Frauen des Nordens als Kopftücher
Stoffe, die mit winzig kleinen Spiegelchen beklebt sind. Daß sich aber diese Spiegel-
stoffe prächtig auch zur Ausschmückung europäischer wohnräume verwerthen lassen,
habe ich in den deutsch-indischen oder englisch-indischen Häusern mehrfach zu beobachten
Gelegenheit gehabt. Kaum ein anderes Land liefert überhaupt so viele auch für

europäischen Zimmerschmuck
verwerthbare Prunk- und
Ausstattung; - Gegenstände,
als gerade Indien.

Das Kunstgewerbe der
Indier wird heute noch ganz
und gar als individuelle Ar-
beit, nicht aber fabrikmäßig
betrieben und unter den Ar-
beitern gibt es vielfach noch
Künstler. Aber die zudring-
lichen Händler sind scheuß-
liche Barbaren. Die Ein-
geborenen legen ihre Kapi-
talien vielfach in Schmuck an,
wodurch eine andauernde
und reichliche Aufmunterung
des Kunstgewerbes bedingt
wird. Aber die Lieferungen
für Europa und die Europäer
haben dem indischen Kunst-
geschmack mehr geschadet als
genutzt. Sobald das indische
Kunstgewerbe für europä-
ischen Bedarf arbeiten soll,
tritt die große, sich auf alle
Einzelheiten erstreckende
Verschiedenheit in den
Lebensformen von Euro-
päern und Drientalen deut-
lich zutage. Diejenigen
Gegenstände, welche die
indischen Künstler für den
indischen Bedarf Herstellen,
werden wohl von europä-
ischen Museen, aber nicht
von europäischen Privat-
leuten gekauft, die lieber
Zigarrenständer, Aschen-
becher, Blumenvasen, Vi-
sitenkartenteller u. s. w. als
Tempelgefäße, Nargilehs,
Spucknäpfe usw. in ihren
Zimmern aufstellen. Man
verlangt indische Formen,
aber man verlangt sie von
Gegenständen des europä-
ischen Gebrauches. Auch jene Schmucksachen, welche die indischen Gold- und Silber-
schmiede für die Frau eines Radscha fertigen, sind allzu schwer und auffallend
bunt, so daß sie nimmermehr von einer vornehmen europäischen Dame getragen
werden. Daher findet man jetzt schon überall mit indischen Mustern verzierte,
aber zu europäischem Gebrauch bestimmte waaren. Hand in Hand hiermit geht
gewöhnlich eine Verschlechterung des Materials und des Geschmackes. Die Sticker-
eien von Delhi haben jetzt schon vielfach europäische Seiden- oder Atlasstoffe als
Unterlage. Und leider findet man bei fast allen indischen Geweben heute nicht
mehr die zarten Farben von früher, sondern meistens die schreienden Farbentäne

des Anilins. -

Stoischen den vielen des Mutzbodens stch bildende Spalten sind
Brutstätten von allerlei Ungeziefer, von den Krankheit erzeugenden Bakterien ganz
zu schweigen. Man sollte daher nicht versäumen, wo sie sich zeigen, sie alsbald
dicht zu machen, wozu ein Kitt aus gebranntem Gips mit Leim sich eignet, welchem,
wenn der Fußboden nicht gleich wieder gestrichen werden soll, ein der Farbe des-
selben entsprechendes Farbmittel zuzusetzen ist. Der Kitt ist frisch zu verbrauchen
aber vorkommendenfalls leicht neu anzurühren.
 
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