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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Das Schöne im Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0045

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Die Zeitschrift für „Innen-Dekoration" ist
bei der deutschen Reichs-Post unter Nr.
3037 der Post - Zcitungsliste eingetragen.

verbreitet in Deutschland, Gestern.-Ungarn, überhaupt in fast allen Unlturstaaten.
Vertreter f. Gestern.-Ungarn: Spiell-agru ^ Schurirh, Wien I. Kmnpfg. 7,
in Leipzig: Vd. Schmidt, Gnerstraße 3;. Erhältlich durch jede Buchhandlung.

Kleinere Beträge sind stets vorauszube-
zahlen. Einzelne pefte kosten Ulk. ;.2S.
Telegramm-Adr.: Verlag Koch, Darmstadt.

II. Jahrgang.

ßavmstaöt, im Mär? M).

2ar?

Nachdruck unserer Brigirial-Artikel ist


»chöne
unftgeweröe.

von G. B.

js liegt uns ferne, den mannigfaltigen
Auslegungen, die der Begriff des Schö-
nen in: Laufe der Zeit erfahren, eine
neue hinzufügen zu wollen; ebensowenig wie
es unsere Absicht ist, irgendwelche frappante,
theoretische Entdeckungen auf diesem schon
hinlänglich ausgebeuteten Gebiete darlegen
zu wollen. Es sei mit diesen Zeilen nur
Denjenigen eine Anregung allgenreiner Natur
geboten, die bei Schaffung ihrer Produkte
noch nicht ganz den Sinn dafür verloren
haben, daß es neben der Perausschlagung
eines möglichst hohen materiellen Verdienstes
auch noch andere Standpunkte gibt, welche beim Aunstgewerbe
berücksichtigt sein wollen, daß es nicht genügt, sich „Aunstgewerbe-
treibende" zu nennen, wobei alles Andere, nur keine Ärmst im Spiele ist.

Zn unseren Tagen, in denen das Aunstgewerbe immer mehr
und mehr seine Individualität verliert, in denen die zur schwindel-
haften Vollkommenheit gelangenden mechanischen Hilfsmittel, das
Prinzip der Theilung der Arbeit zum Herrschenden erheben und er-
lauben, solche Objekte dein breitesten Strome der Menschen zugänglich
zu machen, die ehedem nur dem Bemittelten und Bestbemittelten erreich-
bar waren, wo also meebanische Präzision und Aälte dem individuellen
Geist und individueller Wärme weichen, wo uns die Marke der
Fabrik die Marke des Meisters ersetzt, wo in dem Zeitraum einer
Minute gleichsam das Merk früherer Tage und Wochen entstehen
soll — in einer solchen Zeit epochaler Leistungen muß doch dem
Schönen im Aunstgewerbe sein Recht werden.

Der unaufhaltsame, fortschreitende Geist der Zeit sorgt übrigens
förmlich ahnungslos und von selbst dafür, daß der Gewerbetreibende
außer an das Bedürfniß und an die Nützlichkeit auch möglichst an
die Schönheit seiner Objekte denke. Den: einfachen Arbeiter selbst ge-
nügt nicht mehr der ungeschlachte Tisch, Stuhl, Lilderrahmen, die
primitiven Oellampen usw., sein Geist ist schon lange für die zier-
licheren, gefälligeren Formen all dieser Objekte empfänglich geworden.
Selbst das Gefängniß und der Aerker streifen ihre Düsterkeit und
Finsterheit ab, um der Nettigkeit und Sauberkeit Raum zu geben,
und diese trachten selbst dort das edle Gefühl des Schönen zu ver-
breiten, wo eigentlich Gefühl am Allerwenigsten vorhanden ist.

Bei jenen Aunstobjekten, welche ihrer inneren Bestimmung zu-
folge einem wirklichen Bedürfnisse dienen sollen, wird selbstredend
dieses Bedürfniß, diese Bestimmung vorerst klar zum Ausdruck ge-
bracht werden müssen, und das Gerüste dieser Beiden erst wird mit
den Attributen der Schönheit umkleidet: aber aus dem Wesen, aus
dem Geiste dieses Objektes folgend, nicht als bloßes Anhängsel, das
dem einen Objekte gerade so zukäme, wie dem anderen. Denn gleich-
wie Schönheit ein Zweck bei Hervorbringung eines Aunstobjektes sei,
so ist auch Schönheit eine unbedingt nothwendige Eigenschaft desselben.

Hierbei erstreckt sich dann der Begriff des Aunstobjektes nicht
ausschließlich auf Gegenstände, die aus dem Luxus ihre Existenzbe-
berechtigung schöpfen, sondern selbst auf Gegenstände des gewöhnlichsten
Gebrauches, gleichviel, ob bedeutend oder unbedeutend. Zn Pompeji
gewahren wir neben edlen Schöpfungen der Architektur und Skulp-
tur Hausgeräthe, die beredtes Zeugniß dafür ablegen, daß dieselben
neben ihrer inneren Bestimmung auch die Gebote der Schönheit als
Eigenschaft besitzen.

Ein Fischschwanz oder Spargel als Messer- oder Gabelstiel,
der nachlässig hingeworfene Handschuh, der vertiefte Elesantenkopf
als Aschenbehälter zur Darstellung gebracht, sind ebensoviele vergehen
gegen jene unvergänglichen Gesetze, die in der Verschmelzung der
inneren Bestimmung mit der Schönheit eines Aunstobjektes begründet
sind. Der Fischschwanz und der Spargel, der Handschuh und der
Elesantenkopf haben keine Wahrscheinlichkeit als Messer- oder Gabel-
 
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