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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Barber, Ida: Mode in der Wohnungseinrichtung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0048

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Seite >Z6.

Z l l u st r. k u n stgewerdl. Zeitschrift f ü r „Zn n e n - tste k o r a l io n".

iMärz-Lsest.


^oöe in Lev "^WohmmgSrjttrjchtllng.

Von Ida Barber, lVien.*) o


>an spricht so viel von der Eleganz und Schönheit unserer Wohnungs-
einrichtungen. Fragt man nun, worin das wirklich Schöne bestehe,
so tritt die nicht gar leichte Arbeit an uns heran, aus dem bunten
Chaos all' dessen, was Kunst und Mode im regen Verein gefördert,
eine Auswahl zu treffen. Halten wir heute eine Umschau über all' die Neuheiten
ab, die die Mode im Dekorationsfach geschaffen. Unsre Hauseinrichtung soll
modern, stilvoll, bequem, praktisch sein. Diesen Anforderungen ist oft schwerer zu
genügen, als man glaubt, das moderne Mobilar ist eigentlich recht unmodern, da
ein altdeutsches Speisezimmer, ein Salon in, Stil I-ouis seire, ein Rokoko-Boudoir,
ein Herrenzimmer im Stile b'raneois II. — alles Nachahmungen, die auf ferne
Zeiten zurückgreifen. Eine Ein-
richtung stilvoll zu gestalten, ist
womöglich noch schwieriger, als ihr
einen modernen Karakter zu ver-
leihen. Gewöhnlich verläßt mau
sich da auf die Dekoratöre, die aber
in vielen Fällen vom echten Stil,
der historische Forschungen voraus-
setzt, wenig verstehen. Welch' ein
Unfug wird beispielsweise heutzu-
tage mit den sogenannten „alt-
deutschen" Speisezimmer - Einricht-
ungen getrieben! Der Urväter
Hausrath sieht man auf Etageren,

Wandbänken, Buffets angehäuft,
messingene Schüsseln, Fayence, alte
Schnitzereien, grobkörnige Gewebe,
die nie im altdeutschen Hause Be-
achtung gefunden, werden zu Por-
tieren verwendet,alteGlasmalereien
zu Erker- und Fcnsterbekleidungen,
vergilbte Stucks zum Schmuck der
Decken, verschossene Gobelins zur
Bekleidung der Wände. Die Haus-
frau, ihrem Dekoratör vertrauend,
ist zumeist ob ihrer stilvollen Ein-
richtung seelenvergnügt, während
der Nenner, der das zusammenge-
würfelte Zeug prüfenden Blicks
mustert, kaum ein ironisches Lächeln
unterdrücken kann. Die nur dem
äußeren Schein, dem sogenannten
„Stil" zu Liebe angeschafften Gegen-
stände sind auch zumeist weder be-
quem, noch praktisch. Sollte man
nicht bei Anschaffung einer neuen
Polstergarnitur in erster Reihe
fragen: Wie sitzt, wie liegt man
darauf? Und nicht in zweiter erst
vielleicht gar in dritter —: Ist sie
stilvoll?

Für Limo ist beispiels-
weise die Parole ausgegeben: „Mo-
biliar Doms seine!" Sehen wir
uns nur die hohen, gradlinigen
Möbel mit den schmalen Holzbc-
kleidungen, den dürftig gepolsterten
Sofalehnen, die eckigen, harten
Seitenflächen an, so wissen wir auf
den ersten Blick, daß sie wenig für
den Komfort berechnet sind. Und
doch kauft man sie, findet sie schön,
zieht sie all' den mollig weichen,

wie zum Ausruhen geschaffenen Polstermöbeln vor, die uns in wahrhaft über-
raschender Schönheit auf den verschiedenen Ausstellungen der letzten Jahre vorgeführt
wurden. Es gehört ein Muth dazu, der den meisten jungen Frauen fehlt, heute
bei Einrichtung des Hauses zu sagen: „Ich wähle nicht das, was mir der Deko-
ratör empfiehlt, sondern das, was mir praktisch und gut scheint." Wie verletzend
wäre es, wenn hernach die Freundinnen kämen und das alles so gar nicht mode-
recht fänden! Nein, für das viele Geld, das solch' eine neue Einrichtung kostet,
soll sie doch wenigstens verblüffend schön sein, so schön, daß den guten Freundinnen
die Worte der Bewunderung ansgchcn und der Neid und die Scheelsucht ihnen
nur so von dem Gesicht herunterzulescn sind! Ich hatte dieser Tage Gelegen-
heit, solch' eine exquisit schöne Einrichtung zu sehen; im Salon stand ein Kamin
von brasilianischem (Onyx mit hohem Spiegel, Anschaffungspreis (wie man im
Vertrauen sagte) 2000 Gulden. (Obgleich riesige Holzscheite aufgefeuert wurden,
war im großen weiten Raum eine eisige Kälte. Zu beiden Seiten des Kamins
mit Perlmutter und Bronze ausgeleNe Schränke, zivischeu den Pfeilern gleichartige
Spiegel, die Wand rechts zierte eine Garnitur aus vieux-rose Damast im Stil

Abbildung Nr. iqq. Wlirll in rinrn

Kouis seire, seitwärts Geridons mit Blumen, in der Mitte eine in Schlangenlinien
gehaltene Polsterwand, vor derselben Fantasietische mit Bildern. All.s sehr schön,
doch vergebens suchte ich in dem mit raffinirtem Luxus ausgestatteten Raume nach
einem wollig weichen, warmen Plätzchen, das so recht zu einem gemüthlichen
Plausch einlud. Wir betraten das im Rokokogeschmack gehaltene Boudoir; rechts
ein Miniatursofa, himmelblauer Brokat, davor ein Bronzetisch, Stühle mit Gold-
gestellen, der Größe nach für zchniährige Kinder passend, zu beiden Seiten reizende
Bahuds, ein Sekretär, kann: so groß, daß die Schreibfläche zwei Konzextbogen
neben einander fassen konnte — dann eine Unmenge Nippes auf kunstvoll ge-
schnitzten Etageren — auch hier, sagte ich mir, findest du das lauschige Plätzchen

nicht, an dem dir Freundin Ellen
von ihrem jungen Eheglück so ganz,
im vertrauen erzählen wird. Jur
Speisezimmer eine riesige altdeutsche
Kredenz, die das ohnehin finstere
Zimmer noch mehr verfinsterte,
hohe, steife Stühle, ein breiter Eß-
tisch, ein altdeutscher prunkschrank
mit kostbaren Glas- und Silber-
Sachen, anstatt des Spiegels ein
zwischen den Fenstern postirter
buffetartiger Kasten mit Thürmchen
und Aufsätzen. Alles sehr modern
(denn der Spiegel im Speisezimmer
ist ja, wie mir Freundin Ellen
sagte, außer Mode), aber immer
noch kein gemiithlich weich aus-
staffietes, zum traulichen Gedanken-
austausch einladendes Plaudercck-
chen. Das Schlafzimmer zeigte die
modegerechten hohen Aufsatzbetten
aus schwarzem Birnholz, das mik
Mosaikeinlagen von Perlmutter und
Metall ornamentirt wqr, über den
Betten hohe blaue Stoffstellagerr
mit Cremespitzen untersetzt, rechts
dreitheilige Spiegelkästen von
schwarzem Holz, wie die Betten
ausgelegt, breite Wasch- und Toi-
lettetisch mit Spiegelaufsätzen, seit-
wärts etliche pouffs, eine langge-
streckte Paresseuse mit himmel-
blauem Damast bezogen, die so recht
zum Sitzen einzuladen schien. Doch
der Schein trügt! Da fehlte die
weichgepolsterte Wandlehne, das
wäre ja Alles für die stilvoll ge-
haltene Einrichtung nicht passend,
wir werfen noch einen Blick irr
das Rauchzimmer. Gobelins an
den Wänden, Glasmalereien an
den Fenstern, ringsherum geschnitzte
altdeutsche Bänke, hohe Bauern-
stühle vor den braunlackirten Tischen

— ein eleganter Zigarrenschrank

— voilä tout. (Obgleich die ultra-
moderne, von einem erstenDekoratör
gefertigte Einrichtung nahezu 12000
Gulden kostet, kein einziges be-
quemes Polstermöbel, in dem man
so recht behaglich der Ruhe pflegen

Mollokill--SülON. von Paul -toqeck. kann. Wäre es nicht wirklich an

der Zeit, daß man bei Anschaffungen
für den Haushalt wie für die Garderobe in erster Linie die Frage, ob praktisch
und zweckdienlich, in Anbetracht ziehe? Solch' modern sein sollende, harte, steif-
lehnige Garnituren L In Kouis qninxe und Kouis seire sind zu der Urväter Haus-
rath zu legen, — Kamine, die keine genügende Wärme geben, haben trotz hoher
Anschaffungspreise absolut keinen Werth, Gobelins und Vorhänge, die die Zimmer
finster erscheinen lassen, melancholisch stimmen, sind eher vom Nebel als vom Guten,
Portieren und Makartdekorationcn sind längst als Staubfänger, Krankheitserzeuger
bekannt, und wenn man sie dennoch aller (Orten sieht und anschafft, so möchte man
den Aerzten fast Recht geben, die da sagen: „Die Menschen wollen nicht gesund
sein." — Wie man von hygienischer Kleidung spricht — so ließe sich auch gar
viel über hygienische Wohnungseinrichtung sagen. Statt der Himmelbetten, die
eine Art stagnircnder Luftsäule in sich bergen, freihstehende, offene Bettgestelle, statt
der schwer zu reinigenden Polstermatratzen elastische Drahtmatratzen, die die Luft-
zirkulation nicht wie jene hemmen, statt der Stores, welche Sonne, Luft und Licht
den Eintritt wehren, zweitheilige lichte Gardinen.

(Fortsetzung auf Seite q2.)

*) Bann. Courier.
 
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