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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Falke, Jakob von: Unsere Wohnung von Einst und Jetzt, [3]
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Becker, Hermann: Wohnstuben im XVI. und XVII. Jahrhundert, [5]: eine kulturgeschichtliche und vergleichende Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0202

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Seite s7^.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Znn e n - D e k o r a t i o n".

Dezember-Heft.

dafür geeignet, dennoch verbreitet sie sich von Tag zu Tag und wird
mehr und mehr, wenigstens jene Räume verzieren, welche der Ruhe,
der Behaglichkeit, der Geselligkeit gewidmet sind. Und welchen schöneren
Schmuck könnten wir denselben geben? Und welche Runst könnte

ihnen höheren Reiz, in höherem Maße
den Eindruck der Poesie verleihen?

Zn der Glasmalerei, auf den Wän-
den und auf dem Plafond, wenn wir
nach der Art der Zeichnung fragen,
herrschen die Motive der Renaissance vor
allen anderen, in den gewebten Stoffen
aber, in den Fußteppichen, Portieren,
Decken, Vorhängen, in diesen für die
künstlerische Ausstattung der Wohnung
so überaus wichtigen Bestandtheilen, ist
es vielmehr die orientalische Art, welche
die Herrschaft hat. Und das ist gerade
kein Widerspruch, denn die Flächenmuster
des Mittelalters und der ihm nachfol-
genden Epoche sind orientalischen Ur-
sprungs. Wie sehr sich orientalische
Teppiche und Decken mit der Renaissance-
wohnung vertragen, sieht man auf so
vielen Bildern des fünfzehnten und sechs-
zehnten Jahrhunderts, wo orientalische
Teppiche die Hauptzierde der Gemächer
bilden. Die Reichen und Vornehmen
jener Zeit hatten Vorräthe von ächten
Geweben des Orients, gerade wie wir
sie heute wieder sammeln, um sie über
Tische und Divans zu breiten, den Fuß-
boden mit ihnen zu bedecken, selbst die
Wände mit ihnen zu behängen.

Vor wenigen Jahrzehnten noch, als
die Reform des Geschmacks begann, da
gab es in unserer Wohnung nichts als
Teppiche mit großen und kleinen Blumenbouquets, neben denen sich
allenfalls Löwen und Hunde und Ratzen, auch wohl Reiter und ro-
mantische Pärchen unter unseren Füßen breit machten. Heute ist das
nun freilich noch nicht vollständig aus der Welt verschwunden, aber

Abbildung Nr. 262. Verschämt.

Schäsfer Lwalcker, A.-G., Berlin.

doch in den allergemrinsten Gebrauch, zum ordinärsten Geschmack
herabgedrängt, daß es kaum nöthig ist, davon Notiz zu nehmen. Die
moderne Weberei hat zur Ausstattung unseres Hauses überall die
orientalische Art ausgenommen; spielende, an sich zumeist nichtssagende
Muster bedecken die Flächen, aber sie bedecken sie in reizvoller Zu-
sammenstimmung verschiedener Farben, welche uns entzücken und zu-
gleich ein solches Maaß, eine solche Ruhe einhalten, daß sie in keiner
Weise sich vordrängen.

Doch es ist nicht die orientalische Art allein, welche die Arbeiten
der Weberei in unserer Wohnung verziert. Und hier kommen wir
noch auf eine sehr erfreuliche Erscheinung in unserer Zeit zu sprechen,
auf die Wandlung, welche mit der Stickerei vor sich gegangen ist.
Was die Stickerei im Hause leistete vor der Zeit, da die Wandlung
begann, das war ebenso verkehrt und unzulänglich in der Technik,
wie unschön, unerfreulich im Resultat. Mit oft unsäglicher Mühe,
mit Methoden, mit denen überhaupt nichts zu leisten war, wurden
Arbeiten hergestellt, die Niemandem eine Freude machten, die nur Be-
schäftigung der Hand, nur Todtung der Zeit waren. Das ist nun
vielfach anders geworden. Die Stickerei hat nicht nur ihre Methoden
geändert, und neue leistungsfähigere eingeübt, sie hat auch nach der
künstlerischen Seite neue Wege eingeschlagen und sie hat aus den alten
Stickereien und Stickbüchern des sechzehnten Jahrhunderts sowie ins-
besondere aus den nationalen Arbeiten eine Fülle neuer und schöner
Muster geholt, welche den orientalischen verwandt, doch eigenartig sind.
Was aber fast noch bedeutungsvoller erscheint, das ist, daß diese neue
Stickerei si h der Verzierung, wirklicher Haus- und Gebrauchsgegenstände
zugewendet hat und so in der That das Schöne dem Nützlichen hin-
zufügt. Zn dieser Beziehung ist es vor allem die Tisch- und Bett-
wäsche, alles Leinenzeug, das früher mit seinem kalten Weiß aller
Farbe entsagte und nunmehr, in Roth und Blau mit schönen Mustern
reich verziert, ein wirklicher Schmuck der Wohnung geworden ist.

5o zeigt unsere heutige Wohnung nach allen Richtungen eine
gründliche Veränderung. Diese Wandlung war aber auch um so
nothwendiger, um so wünschenswerther, als es die Rulturentwickelung
in unserer Zeit mit sich gebracht hat, daß unser Leben zur ruhelosen
Hetzjagd geworden ist. Ze mehr wir in der Welt umher- geworfen
werden, je mehr unser Leben einer Eisenbahnfahrt gleicht, um so
mehr wird es Bedürfniß und Pflicht, die Station, die uns noch ein
Ausruhen gönnt und schafft, „unser Heim" zu einer behaglichen und
schönen Stätte des Friedens und der Runst zu machen.

^Eohnfluöen xvi. und XVII. -Dahv-

hunSevt.

Line kulturgeschichtliche und vergleichende Studie

von Hermann Becker.

tjorlsetzung.)

er eigentliche Betthimmel „Zwergs über die Rammer", ist
grün überzogen. Das Bettzeug besteht aus einem Unter-
bett von blauem Drillich, einem Federpulmen (plumeaux)
von Drillich, zweien Ropfkissen von Barchent und einem Deckbett aus
demselben Stoffe.

Während Hans Sachs schon s5HH unter dem bürgerlichen Haus-
rath einen „gwand-kalter" (Rleiderschrank) aufführt, finden wir in
dem adligen Haushalte von s627 nur ein „kleider schaeppe". Die
Uleider werden aber fast alle in großen Risten aus Tannenholz auf-
bewahrt und von geschnitzten Truhen aus Eichenholz ist gar keine
Rede. Zn Risten wird auch die Wäsche aufbewahrt, von der aber
ein Theil in einem großen Schrank untergebracht war. Ueber sehr
große Leinenschätze verfügte die alte Edeldame überhaupt nicht, denn
das Znventar berichtet nur von 30 Bettlaken, darunter vier aus
Leinwand, die anderen aus Hanftuch, sowie von 26 Rissenüberzügen,
von denen 5 mit Rauten (Spitzen) besetzt sind. An Tischzeug sind
vorhanden: 25 Tischtücher, darunter p gewöhnliche und j schlechtes;
(i9 Ealveten (Servietten), 2 Tischdecken, 7 Tresorlaken (darunter eines
mit gestickter Raute) und 28 Handtücher, sowie (2 Tischtücher für die
Unechte. Von der Leibwäsche ist in dem Verzeichniß nichts gesagt.

Wenn aber der Vorrath an Wäsche keineswegs den Anforder-
ungen einer bürgerlichen Hausfrau unserer Tage entspricht, so ist

dafür der Bestand an Eßgeschirren in dem adligen Hause desto größer,
jedoch finden wir fast nur Zinngeschirr angeführt und zwar nur
glattes, denn verzierte Schüsseln und Teller hatten einen hohen Werth.
Die Zinnschätze der Geheimräthin bestanden in s20 Tellern im Ge-
sammtgewichte von p6'/2 Pfund; H8 Teller waren aus englischem
Zinn gefertigt. An Schüsseln waren 98 vorhanden, die sßl Pfund
wogen, außerdem noch zwei große und zwei kleine Mostetschüsseln
(Senfschüsseln) und ein Salzfaß. Von den 5 zinnernen Waschschüsseln
und drei Wasserkannen waren zwei Schüsseln und zwei Rannen mit
Bildwerk verziert (nürnbergisch ausgetrieben), die übrigen glatt.

Auf den Bildern unserer modernen Maler, welche Scenen aus
dem Leben der vornehmen Welt im XVI. und XVII. Zahrhundert
darstellen, wird gewöhnlich ein Luxus mit kostbaren silbernen Tafel-
und Prunkgeräthen getrieben, der der Wirklichkeit keineswegs voll-
ständig entspricht. Zn dem Hause des Z. M. v. Meschede finden
wir an silbernem Geschirr nur drei Becher mit Deckeln, einen silbernen
Napf, eins Flasche, einen Bierbecher, und neun Eßlöffel. Wenn nun
auch wohl adlige Haushaltungen bestanden haben mögen, die größere
Reichthümer an Silbergeräth aufzuweisen hatten, als der ehemalige
churkölnische Geheimrath, der nebenbei bemerkt, für einen sehr reichen
Mann galt, so ist dies doch als Ausnahme anzusehen, denn zahlreiche
andere Nachlaßverzeichnisse, die mir Vorlagen, bestätigen die Ansicht,
daß der Vorrath an kostbarem Prunkgeräth oder Tischgeschirr in den
Adelsfamilien nicht so bedeutend war, wie man insgemein annimmt.
Zu einer Zeit, wo ein freiherrlicher Haushalt nur über dreizehn
kristallene Weingläser (davon sechs lang und spitzig) verfügte, außer-
dem aber noch ein kleiner Römer, zwei gemalte Gläser und ein
Rristallhumpen, sowie drei große blaue Siegburger und ein großer
brauner Rrug als Rostbarkeiten^ angeführt werden, konnte der Tresor
 
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