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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Seidel, Roman Anton: Der Teppich
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Gurlitt, Cornelius: Das Kunstgewerbe und die Frauen
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Bemalen von Sammet, Atlas, Seide und ähnlichen Stoffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0020

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Illustr. kun stg ew e rb l. Zeitschrift für „Inn en-D e ko ra ti o u".

Seite ff.

Januar-Heft.

Blau mit Rücksicht auf den Plafond (symbolische Exklusivität) nicht
rathsam sind. Ein für das ganze Zimmer abgepaßter polychromer
Teppich ist, wenn er gut und schön sein soll, nicht nur ein theueres,
sondern auch ein dekorativ sehr schwieriges Ding. Wenn er einen
gut gearbeiteten Parquetboden bedeckt, so kommt das gerade so vor,
wie wenn ein gesunder Mensch
auf trockenen Wegen mit Gummi-
schuhen geht.

Besonders heikel ist in diesem
Falle die Frage der Musterung.

Bildet dieselbe ein die ganze
Fläche bedeckendes Netz gleich-
mäßig wiederkehrender Orna-
mente, so kann auch die üppigste
Bielfarbigkeit monoton werden.

Hat aber die Musterung eine
Zentrale Anlage mit sy,netrischer
Entwickelung der Ecken und Bor-
düren, so ergeben sich Schwierig-
keiten für die Stellung der Möbel
Dsw., da eine derartige an-
spruchslose Musterung nur dann
5inn hat, wenn sie übersichtlich
bleibt. Wie viel verwendbarer
sind dagegen die kleineren poly-
chromen Teppiche, welche grade
so groß sind, um einer bestimm-
ten Gruppe von Möbeln oder
Gerüchen als Unter- oder auch
Borlage zu dienen. Abgesehen
Don den rein praktischen Vor-
theilen (leichtere Reinigung, all-
mählige Anschaffung, Ersatzbar-
keit usw.) gewähren sie die Mög-
lichkeit einer feineren Zusammenstimmung der verschiedenen Parthien des
Zimmers, indem wir z. B. den grünen Ofen oder Ramm durch eine
Teppichvorlage mit rothem Grundton, den goldbraunen Lschenholz-
schrein durch eine solche mit blauer, das schwarze Ebenholzpult durch
«ine solche mit gelber Grundstimmung heben können und umgekehrt.

In solchen einfachen Verbindungen, welche in unfern Kunstgewerbe-
schulen wohl nicht genügend, wenn überhaupt, geübt werden, liegt
eine Hauptstärke des geschickten Dekoratörs.

Ls werden jetzt auch im Abendlande große Anstrengungen ge-
macht, um es in der Teppichweberei den Orientalen gleichzuthun. An
den bisherigen zum Theil anerkennungswerthen
Versuchen möchte hauptsächlich Folgendes aus-
zusetzen sein: Erstens übersieht man sehr häufig,
daß die neuesten Teppiche, welche wir aus dem
Orient erhalten, doch nur ein schwacher Abglanz
der alten Kunstübung dieser Art, so zwar, daß
wir den alten abgeschabten Stücken meistens den
Vorzug vor allen neuen geben müssen. Zweitens
läßt das abendländische Material in Bezug auf
Glanz, Weichheit und Feinheit der Fasern sehr
viel zu wünschen übrig und doch hängt nicht
blos die Haltbarkeit, sondern auch
das farbige Ansehen sehr wesent-
lich von jenen Eigenschaften ab.
In der Musterung werden noch
allzuoft Kompromisse mit der
abendländischen Ornamentik ver-
sucht; namentlich die Zeichnungen
zu Teppichmustern, welche aus
manchen Kunstgewerbe - Ateliers
hervorgehen, machen sehr stark
in Motiven der italienischen Re-
naissance, deren Künstler und
Dekoratöre, ebenso wie Holbein
und Andere doch nichts Besseres
zu thun wußten, als einfach die
orientalischen Arbeiten zu kopiren.
Am meisten aber wird jedoch in
der Farbengebung gefehlt. Mag
man auch noch nicht im Wiederbesitze der alten Färberkunst sein, so
ließen sich doch auch mit unseren weniger vollkommenen Mitteln sicher-
lich ganz andere Resultate erzielen, wenn die Herren Fabrikanten
fleißiger die guten alten Vorbilder studiren wollten und nicht auf ge-
wagten, das Auge beleidigende Kompositionen verfallen.

Abbildung Nr. f28. Wistrrweibchen von Rudolf Strecker.

in der Einrichtung schaffen, den kostbarsten Rahmen um ihre an-
rnuthige Person ausbilden — der Frau wird dieses Kunstwerk fremd,
kalt, nüchtern, ihr unangemessen erscheinen, bis sie selbst mit ihrem
kleinen Schmuck, ihren der ursprünglichen Idee oft völlig wider-
sprechenden Einfällen in den Raum eingezogen ist und ihn lang-
sam in ihrer Weise ummodelte. Das Bleibende ermüdet sie, das
Ltilechte steht im Gegensatz zu ihrer Gegenwärtigkeit, das Gleich-
mäßige widerspricht dein liebenswürdigen — vielleicht etwas schmetter-
lingsartig springenden Zuge ihrer Gedanken, das Symmetrische in
seiner Freiheit streitet gegen ihr Gefühl, daß dies Zimmer in einer
Einheit, nämlich in ihr den Mittelpunkt erblicke.

Wäre es aber nicht möglich, die Frau mehr für das Kunstge-
werbe zu „fruktifiziren", d. h. die Anregungen, die sie im Stillen gibt,
für die Allgemeinheit auszunützen? Ich glaube wohl, wenn der
Gewerbekünstler es sich zuin Grundsatz machen wollte, Frauenwünsche,
und seien es scheinbar die thörichsten, als Anregungen für sein Schaffen
uufzunehmen und sie auf jene Bahnen zu leiten, welche er für die
guten und schönen hält. Denn schließlich wird unsre Kunst doch
nicht besser, als unsre Nation, und nur mit dieser wird sie gehoben
meiden können. Also gilt es nicht, ein absolut Schönes zu schaffen,
sondern ein dem nationalen Geschmacks entsprechendes, doch künstler-
isch durchbildetes Werk, d. h. die gewerblichen Künstler müssen da-
rauf hinlenken, Führer einer gewerblichen Mode zu werden.

Wir haben nun endlich alle möglichen Stile durchgemacht und
uns stets gerühmt, derjenige, der heute der beliebteste war, sei auch
der einzig wahrhaft schöne und berechtigte. Die Fortentwickelung lag
ganz in den Händen der Gewerbetreibenden. Wir müßten sie wieder
ln die Hand der Käufer und Käuferinnen zurückzulegen suchen. Diese
haben das Wettrennnen nach stilistischen Neuheiten im Wesentlichen

nicht mitgemacht. Der Fabrikant hat von der Ueberhastung nur
Kosten und Arbeit gehabt. Der Welt ist wenig genügt worden.
Vor Allem haben wir nicht Das erreicht, was meiner Ansicht nach
das Wichtigste ist: Jenen innigen geistigen Verband zwischen Erzeuger
und Käufer, welchen in Frankreich und England die Mode macht,
jene von uns stets mit den ärgsten Schmähworten als der Gegensatz
von Stil beschimpfte Mode, oder nun gar eine deutsche Mode.

Mode ist der Stil der Gegenwart! Man muß eben mehr be-
ginnen, die Gegenwart zu studiren, nicht blos in alten Werken
herumstöbern. Man muß vor Allem aus den Frauen die intimsten
wünsche für die häusliche Einrichtung herauszulesen suchen, somit
die Bequemlichkeit, den echten Komfort als Ziel des Kunstgewerbes
auf die Fahne schreiben, damit es ganz der Bestellerin angemessen,
ganz deutsch und ganz modern werde. Dann wird der Stil sich von
selbst finden, und verspricht er längere Dauer, als er während der
Herrschaft der „höheren" theoretisch-stilistischen Anschauungen hatte.

Bemalen von Zammet. Mas. Zeide und ägnliHen Ztoffen.

vor einiger Zeit der Frau Elise Bender in Wiesbaden patentirtes

Verfahren zum Bemalen von Sammt, Atlas, Seide und änlichen Stoffen
erfahren wir Folgendes: Die Farben, womöglich Erdfarben, werden in fein ver-
theiltem Zustande mit gepulvertem Kolofonium innig gemischt, was dadurch er-
reicht wird, daß man die geschmolzene Masse tüchtig umrührt und nach dem Er-
kalten pulverisirt. Die so gewonnenen harzhaltigen Farben werden alsdann in
trockenem Zustande mit dem Finger, dem Mischer oder einem stumpfen Pinsel
anfgetragen und in den Stoff eingerieben, Ist das Bild fertig, so setzt mcn den
Stoff heißen Spiritusdämpfen aus und zwar am besten mittels eines Inhalations-
apparates. Die Dämpfe läsen das Harz und fixiren die Farbe auf dem Stoffe.
Dieser verliert angeblich dadurch von seinem Glanze nicht. Das Verfahren bietet
vielleicht eine unterhaltende und gar gewinnbringende Beschäftigung für junge
Damen, welche sich vorher am besten minder Erfinderin in Verbindung setzen.f
 
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