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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Fischbach, Friedrich: Die Umgestaltung unserer Wohnräume durch die elektrische Beleuchtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0190

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November-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Z nn en -D eko rat io n".

Seite f63.

Wie Umgestaltung unserer

durch Sie elektrische Beleuchtung.

von Friedrich Fischbach, Wiesbaden.

Ls mußte das Bestreben der Techniker vorausgehen, die bequem zu regu-
kirende Lichtfülle zu bieten, bevor die Architekten und Dekoratöre die neuen vor-
theite zum Ersatz der früheren Beleuchtung verwerthen konnten. Das erste Stadium
war das der einfachsten Ergänzung, denn es dauert mit üblicher Vorsicht längere
Zeit, bis man Altbewährtes ganz verwirft. Elektrische Leitungen und birnartige
Blumenlampen befestigte man an den vorhandenen Aronleuchtern, da man vorerst
noch auf Gasbeleuchtung angewiesen, wenn die elektrische versagt oder nicht
funktionirt. Der Gedanke, daß die elektrische Lichtquelle stets zu Gebot steht und
somit die Gasbeleuchtung absolut überflüssig macht, ist erst in wenigen Kreisen
lebendig, denn sonst wäre es unerklärlich, daß die große Frankfurter Ausstellung
zwar alle denkbaren Verwendungen der Elektrizität zeigt, aber fast gar nicht das
Problem zu lösen sucht, wie unsere Wohnungsbeleuchtung in späteren Zeiten sein
wird, wenn Jedermann sich auf ein gewisses Quantum elektrisches Licht abonniren
kann. Im März dieses Jahres überraschte mich im Lafö Metropole in Palle eine
ganz neuartige vertheilung des elektrischen Lichtes. Es fehlten dort die Kron-
leuchter; uur aus den Kapitälen der Säulen und Pilaster wuchsen die leuchtenden
Blumen heraus. An der reich verzierten Decke waren zahlreiche Genien so mo-
-ellirt, daß sie gleichsam feurige Blumen dem Beschauer boten. Diese Neuheit
inag keine absolut ori-
ginelle sein, das Ueber-
easchende war jedoch
-für mich die har-
inonische Wirk-
ung des Ganzen.

Auf meiner Reise sah
ich in Berlin, Dresden
re. nichts Achnlichcs,
da stets der Kron-
leuchter bei reicher
elektrischer Beleuch-
tung vorherrschte. Ich
war einigermaßen ent-
täuscht, in Frankfurt
zwar eine Fülle der
reizendsten Details,
nirgends aber eine
ideale, harmonische
Innenbeleuchtung der
Wohnung zu ent-
decken, denn die The-
atercffekte sind nicht
maßgebend. Als ich
jüngst wieder in den
Lcsesäleu des Wies-
badener Kurhauses be-
merkte, wie überaus
Ftörend die zu starke
elektrische Beleuchtung
ist, die von den
großen alten Gas-
kron - Leuchtern in
nächster Nähe ausstrahlt, nahm ich mir vor, die vortheile der verstreuten
elektrischen Beleuchtung für die Innendekoration darzulcgen. Die Physiologie,
nämlich das was unsere Nerven wohlthuend berührt, oder sie stört, verlangt Berück-
sichtigung. Die schwache Lichtstärke der Kerze mußte durch die Sruxpirung
vieler Kerzen verstärkt werden. Sie ersetzten die die uralte malerischer wirkende
^ackelbeleuchtung. Die Einzelflamme des Del- und des Gaslichtes war ebenfalls
für weitere Räume zu schwach, wo festliche Wirkung zu erzielten war, konzentrirte
man die zahlreich angezündeten Lichter und fand es nicht störend, daß die Mitte
des Zimmers sehr hell und viele entfernte Theile ziemlich dunkel blieben. Bilder
und sonstigen dekorativen Schmuck konnte man ja bei Tage besehen, wenn sie zu-
fällig zu weit vom Lüster entfernt. In den Lesesälen drängt sich Alles um die
über den Tischen schwebenden Kronleuchter, die eine sengende pitze herabstrahlen,
welche Wohlthat bietet dagegen das elektrische Licht! Die ausgestrahlte Wärme
ist kaum bemerkbar. Alle Uebelstände wie z. B. der Geruch des Gases oder des
Petroleums, die gefährlichen Regulirungen und vor Allem die Luftverschlechterung
sind weggefallen. Nur ein Uebelstand, der aber leicht zu vermeiden, wirkt störend,
nämlich die zu große Lichtfülle.

So wenig wir im Hellen Sonnenlicht lesen, sondern den Schatten aufsuchen,
so nothwendig ist es, daß die Lichtfülle unseren Augennerven nicht weh thut, also
gedämpft ist. Das einfachste Mittel ist, daß in nicht zu großen Räumen keine
Konzentration wie beim Gaslicht stattfindet. Ls genügt, wenn in der Mitte eines
Saales höchstens vier Glühlichter und in den Ecken und sonstwo oben an der
Decke die anderen angebracht sind. Die größere Entfernung und der Umstand,
-aß in der horizontalen Sehlinie kein zu Heller Punkt ist, bewirken, daß uns die
-Gesammtdekoration harmonischer erscheint. Auch ist nicht zu unterschätzen, wie

wohlthuend das Gefühl der Freiheit ist, an jeder Stelle des Zimmers genügendes
Licht zu finden, war früher nur der enge Kreis um die Lampe herum zum Ar-
beiten verwendbar, so nunmehr jede Stelle im Zimmer, oder besser gesagt, im
ganzen Pause, da ja ein Fingerdruck genügt, um überall Licht zu verbreiten und
zu dämpfen.

Ziehen wir nun die Konsequenzen weiter, wo die Ersparuiß-Rücksichten
nicht allzusehr in Betracht kommen, ist das Problem gelöst, viel schöner, ja in
feenhaft reicher Pracht zu wohnen. In der Folge wird das elektrische Licht den
Vorzug vor dem Tageslicht haben, daß es konstanter und leichter zu reguliren ist.
Der leitende Draht läßt sich so bequem überall hinführen, wo ein schönes Ge-
mälde zu bewundern ist, wird ein verdecktes Licht mit einem Reflektor angebracht.
Der Zauber der farbigen Glasmalereien war bisher nur am Tage zu genießen.
Eigenartige Reize bieten kleine elektrische Glühlichter, wenn sie mit farbigem Glas
wie mit Edelsteinen maskirt sind. Die Wunder der Feenreiche erscheinen arm
gegen das, was die elektrische Beleuchtung mit farbigem Glase :c. erzielen kann.
Die große Menge freut sich wie Kinder, wenn Feuerwerks-Effekte die Augen er-
freuen. Ls gibt gewiß höheres, aber man soll solche elementare Reizmittel nicht
unterschätzen. Der Schimmer der Seide, das Leuchten der Edelsteine, das Glänzen
des Goldes und des Silbers erfreut das Auge. Alles strahlt empfangenes Licht
wieder. Erst jetzt, seitdem in fast unbegrenzter Fülle das Licht zur Verfügung
steht, kann es zur Innendekoration freier und großartiger verwandt werden.

Eine Umgestaltung der Innendekoration ist unausbleiblich. Als die Glas-
fabrikation in der romanischen Epoche sich reicher entwickelte, wurden die Fenster
so groß, daß ein neuer Stil entstand, in welchem das Glas fast die steinernen
Füllungen zwischen den gewaltigen Mauerpfeilern ersetzte, welche großartige

Rolle spielt das far-
bige Glas im Kölner
Dom! Unser Wohn-
haus verlangt im
Gegensatz zur Kirche
vor Allem schützende
wände und Glas
uur insoweit, daß
Licht und Luft Zuströ-
men. Um so wich-
tiger ist die Möglich-
keit , so viel Licht
schaffen zu können,
daß wir der Nacht
jederzeit spotten dür-
fen. Das „Es werde
Licht!" ist in der Fol-
ge nur eine Geld-
frage, die voraussicht-
lich sich immer billiger
gestaltet. Was nun
die Dekoration der
Wohnung betrifft, so
wird die Umgestal-
tung wohl in erster
Reihe darin liegen,
daß die bisherigen
Kronleuchter fort-
fallen und daß eine
Fülle neuer Brna-
mentmotive dem elek-
trischen Lichte sich
unterordnet. Da hät-
ten wir ja den neuen Stil, den so viele ersehnen. Es wurden bereits blumen-
tragende Genien und Kapitäle, aus welchen feurige Blüthen herauswachsen,
genannt. Wie zauberhaft schön sind Guirlanden, in welchen alle Blüthen und
Früchte in verschiedenen Farben leuchten und auf welchen Leuchtkäfer sitzen.
Schimmernde Edelsteine und magische Laternen können Abwechselung in anderen
Räumen bieten. Nur hüte man sich vor Knalleffekten wie z. B. rotirende Leuchter.
Das ist für Leuchtthürme probat, nicht aber für behagliche wohnräume.

Denke ich zurück, daß ich als kleiner Junge die Schulaufgaben bei einer
Kerze machte, die ich mit einer unbequemen Lichtputzscheere oft ausläschte, wenn ich
sie zu sehr schneuzte, und daß ich Vaters Vellampe, die ihm als Student geleuchtet,
als Studirlampe mit nach Berlin nahm, so fceut's mich doppelt, wie lichthell unsere
Zeit geworden.

Goethe dürfte als Redivivus mehr wie zufrieden sein, wenn er staunend
in seiner Vaterstadt bemerkt, wie sehr seine letzten Worte „Mehr Licht!" gewirkt
haben. — Die Zeiten ändern sich, pat früher ein frommer Seemann der Madonna
eine ellenlange oder sogar mastbaumhohe Kerze in großer Gefahr gelobt, so dürfte
er jetzt zeitgemäß eine Dynamo-Maschine stiften, falls die Kirche von der Wachs-
bcleuchtung der Urzeiten abzusehen erlaubt. Das geht aber voraussichtlich langsam, ob-
schon der Gedanke, daß es nichts Reineres geben kann, als das elektrische Licht sehr nahe
liegt. Die Kirche verwendet ja längst zweierlei Licht, denn auf den Altären brennen
Kerzen und die ewige Lampe wird mit Del gespeist. Nun käme das elektrische Licht hin-
zu, um mehr wie je früher zum Lobe des perrn aller Dinge zu zeigen, daß der Prome-
theusfunke, der in uns schlummert, in die Sichtbarkeit getreten ist. Der uralte arische
Gottesdienst war Feuer- und Licht-Kultus, lieber die heiligen Symbole dieses
Kultus, die in der (Ornamentik eine große Rolle spielen, werde ich gelegentlich

Abbildung Nr. 252. Wmovekken--VeKovskl0N »sch Asvob de Mit. 2.'s natürliche Größe.
 
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