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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Bötticher, Georg: Papiertapete und Linoleum, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0022

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Januar-Heft.

Zllustr. kunstgewer bl. Zeitschrift für „Z nne n - Deko r ati o n".

Seite (3.

^apievtapete und Einoleum.

Von Georg Bötticher.

Behaglichkeit wird gemeinhin als die Seele einer Wohn-
ungs-Einrichtung bezeichnet. Und ganz gewiß: wo diese
fehlt, da ist die erste Bedingung für ein trauliches Heim,
dessen Reiz wir ja Alle kennen, nicht vorhanden.

Es verschlägt dabei wenig, ob eine solche Einrichtung kostbar
oder ärmlich ist. Allüberall: innerhalb getünchter wände wie inmitten
echter Gobelins, auf gescheuerten Holzdielen wie auf Smyrnateppichen
kann das Behagen wohnen. Die Traulichkeit einer Häuslichkeit
'st nicht an den Werth der Materialien gebunden, sie kann von Arm
und Reich und auf unendlich verschiedene weise bewirkt werden.

Maßgebend sollte dabei — wir sagen
*nit Absicht sollte, denn leider ist es in-
Mirklichkeit nicht immer der Fall — nur
ö" gesundheitliche Werth der in Wahl
stehenden Stoffe sein, und wer in dieser
Hinsicht ohne Voreingenommenheit die Dinge
prüft, der wird im Großen und Ganzen
^chts Zweckentsprechenderes zur Wand- und
Fußboden-Bekleidung finden können, als die
Vapiertapete und das Linoleum.

Beide sind vor allen Dingen keine Staub-
fänger. An der Glätte der Papiertapete
sowohl, wie an der des Linoleums gleiten
öte Staubatomc ab oder haften doch nicht
fest und sind mit leichter Mühe und gründ-
lichem Erfolg zu entfernen. Bei ersterer
durch einfaches Abkehren, bei letzterem durch
Abwaschen mit kaltem Wasser; eine Eigen-
schaft von höchster Wichtigkeit, die ihnen in
gesundheitlicher Hinsicht den unbestrittenen
Vorrang über die kostbarsten Stofftapeten
und Smyrnateppichc einräumt, wie schäd-
lich die staub-fangenden und -festhaltenden
btoffe für die Gesundheit des Zimmcrbe-
wohners sind, das ist oft und genügend
geschildert worden; daß sie auch die An-
sammlung von Krankheitskeimen (Mikroben)
begünstigen, wird neuerdings immer mehr
betont. Dein gegenüber dürfen Papicrtapete
und Linoleum ohne alle Uebertreibung als
die weitaus bessere wand- und Fußboden-
Bekleidung bezeichnet werden.

Beide dienen aber auch zur warmhalt-
^ug des Zimmers im Winter, ohne daß
sle doch, wie die faserigen Stoffe (Teppiche,
grobe Wolltapeten), auch im Sommer eine
unwillkommene Wärme erzeugten.

Daß die mit einer Papicrtapete beklebte
Mand einer getünchten Blauer und die mit
Linoleum belegte Diele einer einfach nackten
Holztäfelung gesundheitlich vorzuziehen ist,
begl nach dem vorher Gesagten aus der
Hand. Die getünchte wand hält lange nicht so warm, wie die mit
Tapeten beklebte, und die Holzdiele konservirt in ihren Ritzen viel
leichter Staub und Mikroben als das gleichmäßig glatte Linoleum,
letzteres hält übrigens auch vorzüglich die Feuchtigkeit ab und hat
ferner den Vorzug, daß cs, wie der Teppich, den Schall der Tritte
wohlthuend dämpft. Aus diesen Gründen eignet es sich ganz hervor-
ragend zum Belag von Kranken-, Schlaf-, wohn- und Arbeits-
zimmern, von Korridoren und Vorsälen, nicht minder auch von Speis-,
und Kinder-Zimmcrn. Zm Boudoir, im Salon, kurz m allen den
Bäumen, die seltener betreten oder doch nicht während des ganzen
Tags bewohnt werden, wird und darf man sehr wohl dem Teppich
den Vorzug geben.

Dies also die gesundheitliche Seite der Sache, die wir als
die entschieden wesentlichste allen anderen vorangestellt haben.

Wir kommen nun zu der Frage nach dem künstlerischen
Werthe der Papiertapete und des Linoleums, und wollen
dabei ein Jedes besonders betrachten.

Abbildung Nr, ;3V. Msminofrn im Rokoko-Stil.

Ausgeführt von L L T. H>arvtmuth in Wien
für das Jagdschloß der Kaiserin Elisabeth im Thiergarten zu Lainz.

1. Wie

Zn künstlerischer Hinsicht können mit derselben — wenn wir
von den kostbaren Gobelins und nicht minder theuren Holzvertäfel-
ungen absehen, die sich eben nur die Höchstbemittelten zu gewähren
vermögen — nur die besseren gewebten Tapeten : die Seiden- und
Wolldamaste, allenfalls (aber auch nur für einzelne bestimmte Räume

der Wohnung) die Heimann'schen auf Flachs-
tuch gedruckten sogenannten „Gobelinstoff-
tapeten" konkurriren. was sonst sich noch
Stofftapete nennt: vor Allem die unter dem
Namen „Tretonnes" bekannten bedruckten
Baumwollzeuge, das genügt trotz oft höchst
reizvoller Farbengebung im Allgemeinen
durchaus nicht einem stilistisch geschulten,
feineren Formengefühl und wird von den
besseren Papiertapeten, was Zeichnung,
sinnnvollen Aufbau, dezente Tönung usw.
betrifft, kurz, in allen wesentlichen Punkten,
die bei Beurtheilung einer als Hintergrund
gedachten Wandbekleidung in Frage kommen,
bei weitem übertroffen. Za selbst geringe
Papiertapeten sind hinsichtlich dieser wichtig-
sten Funktion, die eine Wandbekleidung zu
erfüllen hat, den noch so bestechlichen, aber,
im Grunde genommen für die wand ganz
unpassenden „Tretonnes" vorzuziehen.

Noch weniger können jene auf Sack-
linnen oder Zutestoff mit groben Schablonen-
mustern bedruckten Stofftapeten in Frage
kommen, und in der Thal hat diese das
Publikum geradezu abgelehnt.

Hierzu tritt noch Eins zu Gunsten der
Papiertapete: K ein an d re s Fa b r i k a t,
welches zu Zwecken der wandbe-
kleidung dient, hat auch nur an-
nähernd eine solch großeAuswahl
von geschmackvollen Mustern aller
Stilarten und Geschmacksricht-
ungen aufzuweisen, als eben die
Papiertapete. Durch die Verschieden-
artigkeit ihrer Behandlung, den Reichthum
der stilistischen Ausgestaltung ist sie so recht
geeignet, für alle Arten von Zimmern die
beste Dekoration abzugeben. Sie ahmt ebenso-
wohl den Karakter schweren wolligen Stoffes
(Teppichmuster), wie den glatter, kühler
Fayence (Kachelmuster), leichten, luftigen
Tülls (Schlafzimmertapeten) oder solider,
bemalter Lederpressuna nach, ja sie ersetzt mit Glück Holztäfelung
(Lambris) und bemalten Stuck (Deckendekoration) und sie kann auf
alle diese Arten der Zmitation, sofern sie nur gewisse Grenzen nicht
überschreitet, ihr gutes Recht geltend machen.

Bei dieser Anpassungsfähigkeit ihres Materials wird sie allen
Ansprüchen und wünschen gerecht, den höchsten Geschmacksanforder-
ungen des Reichen und Kunstgebildeten, wie den bescheidensten Billig-
keitsrücksichten des Armen.

wie sie, je nach den Funktionen der Zimmer, die sie schmücken
soll (Speisezimmer, Salon, Zvohn- und Schlafraum, Boudoir oder
Herrenzimmer) angewendet werden muß, das hat L. Bodenschatz m
einer kleinen Brochüre „Ausschmückung und Einrichtung der Wohn-
räume" (Verlag von Alexander Koch, Darinstadt*) sehr hübsch und
allgemein verständlich auseinandergesetzt. (Fortsetzung folgt.)

*) Preis LO Pfennig.
 
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