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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Hofmann, Albert: Mein Wohnungs-Ideal, [13]
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Leuchter und Lampen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0140

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August-Heft.

Illustr. kun stg ew e rb l. Zeitschrift für „Innen-Dekoration".

Seite ((9.

leuchter unv Wampen.

-in ihrer geschichtlichen Entwickelung behandelte Direktor Dr. Brink-
mann in einem Vortrage des Hamburger ^Museums für Nunst-
-gewerbe", welchen wir dem „Nunstgewerbe" in Dresden entnehmen.

Einleitend gab der Redner eine Nebersicht über die wechselnde
Rolle, welche bald die Lampen mit flüssigem Brenn-
stoff, bald die Leuchter mit festem, erst durch die
Flamme selbst geschmolzenen Brennstoff im Laufe
-der Jahrhunderte gespielt haben. Das Beleuchtungs-
wesen der antiken Welt war von der Lampe beherrscht,
der antike Nandelaber kein Leuchter im heutigen Sinne,
sondern ein Lampenträger. Im Mittelalter traten
schon früh, insbesondere für kirchliche Zwecke, die
Nerzen in den Vordergrund und behaupteten ihren
Vorrang für die Wohlhabenden bis gegen Ende des
achtzehnten Jahrhunderts, während die minder Be-
güterten sich mit Oellampen behalfen, welche in
technischer Hinsicht nicht vollkommener waren, als
die antiken Lampen. Erst vor etwa hundert Jahren
wurde die Oellampe technisch verbessert und in rascher
Folge der Erfindungen auf die noch heute gangbaren
Formen gebracht. In neuester Zeit endlich hat das
Petroleum als Brennstoff der beweglichen Lampe,
das Gas für feste Decken- und Wandleuchter fort-
bestimmend gewirkt, und heute stehen wir inmitten
-einer neuen, durch das elektrische Licht bedingten
Umwälzung dieser Beleuchtungsgeräthe. — Der
griechisch-römische Nandelaber aus Bronze und seine
monumentale Umgestaltung in Marmor wurde sodann
besprochen. Um dem hohen schlanken Stamme Stand-
festigkeit zu geben, wird der Fuß weit ausladend
mit drei Ruhepunkten gebildet. Jeder der drei
Stützen des Fußes wird die Gestalt eines thierischen
Hinterfußes gegeben. In elastischer Beugung tragen diese drei Füße
Len Stamm gleichsam in der Schwebe und verleihen dem Leuchter
den Ausdruck eines leicht beweglichen Geräthes. An dem Punkte,
wo Fuß und Stamm sich scheiden, drückt ein auf- und abwachsender
Doppelkelch diese veränderte Richtung des Strebens aus. Den stumpfen

Abbildung Nr. 2;8. Wlchttvkgev.

Ausgeführt von j)aul Markus, Berlin.

Winkel zwischen den Füßen füllt vorsprießendes Pflanzenwerk, bis-
weilen ein Medusenhaupt zur Abwehr unholder Einflüsse. Der schlanke
Stamm wächst in freier Nachbildung eines Pflanzenstammcs, dessen
Riefelung an die losen Stengel südlicher Doldengewächse erinnert, zu
der durch den praktischen Werth bedingten höhe
empor und trägt oben das Napitäl. Dieses hat
mit dem struktur-symbolischen Napitäl der Baukunst
nichts gemein. Seine mischkesselförmige Gestalt ist
auf den Nrsprung aus der vasenartigen hohlform
zu deuten, in welcher bei Leuchtern älterer Zeit
Fichtensplitter brannten, deren Harzfluß und Asche
die Vase ausnahm. Um der Lampe eine Standfläche
zu bieten, wurde die Vase mit einem flachen Teller
zugedeckt. Die auf diesen gestellte Lampe ward aus
Erz oder Thon gebildet, ein- oder mehrflammig.
Der Oelbehälter, sein kurzer Fuß, der Henkel zum
Anfassen, die Schnauze für den Docht, der Deckel
für das Eingußloch wurden zweckgemäß und oft
beziehungsvoll gestaltet.

Im Mittelalter wurden die Lampen zur Be-
leuchtung der Nirchen vorzugsweise als „ewige
Lampen" verwendet, welche in Erinnerung an die
von Moses für die Hütte des Stifts vorgeschriebenen
Lampen gebrannt wurden. Vorherrschend aber wurden
Nerzen verwandt; anfänglich zwar bekämpfte die
Nirche das Entzünden von Nerzen bei gottesdienst-
lichen Handlungen am Tage als heidnische Sitte,
bald aber fügte sie sich und deutete die bei der
Abendmahlsfeier entzündeten Lichter als Sinnbilder
des göttlichen Lichtes, dessen Sakrament die Nirche
spendet. Allmählich entwickelte sich ein außerordent-
licher Reichthum von Leuchterformen unter dem

Einfluß des reichgegliederten Nultus der christlichen Nirche; ein Theik
derselben hat sich im Nult der katholischen Nirche noch bis heute
lebendig erhalten. Der Redner schilderte und erläuterte durch Ab-
bildungen eine Reihe derartiger Leuchter, den siebenarmigen Leuchter
nach dem Muster des am Triumphbogen des Titus abgebildeten

seiner Vertiefung zwischen höherem, von Nachtigallen durchtöntem
Gebüsch um so traulicher plätschernd dahinfloß. In der Mitte des
weiten Raumes, zwischen diesem sich abdachenden Nephissosufer und
dem Wohnhause, stand ein von Rosen umbüschtes Gartenhäuschen.
An den Ecken des Gartens trat Lorbeer-, Myrthen- nnd Rosengebüsch
zu dichten, traulich-verschwiegenen Lauben zusammen. Auch die Schar-
lachblüthe des Granatbaumes fehlte nicht. Doppelreihen von Oliven-,
Feigen- und anderen Fruchtbäumen, von einer dieser Lauben zur
anderen führend, bestanden den Garten.

Wo der Boden gegen den Nolonoshügel sanft anstieg, da
bräunten sich an sonnigen hängen die Trauben. Das ländliche Wohn-
haus selbst umschlangen Rebengewinde, ja selbst an den Bäumen
wanden sie in üppiger Fülle sprossend sich empor. Mit ihnen wett-
eiferte wuchernd der Epheu, dessen große schwarze Dolden von Wänden
und Baumstämmen, nicht minder Trauben ähnlich, herunterhingen,
und dessen üppiges Geblätter, sich fortschlängelnd, selbst das Gefilde
der thauigen Wiese besäumte.

Zwischen den blühenden Hecken und freien Rasenplätzen waren
ckleine Beete von Blumen angelegt. Wenig hatte von den schön-
traubigen Narzissen, vom goldenen Schmelz des Nrokos, von den
Lilien, Irisblumen und Veilchen die vorgerückte Jahreszeit und die
kranzwindende Lust des Atheners übrig gelassen, aber unzählig
flammten die Rosen überall, von Violen umsäumt, in purpurlachen-
den Fluren auf dem Boden sich hinbreitend, oder auf hohen Sträuchern
prunkend, niemals anzeweht von rauhen Winden und allmorgendlich
erfrischt vom reinsten Thau des Himmels.

.... unmöglich ist es, den heiteren und glücklichen Frieden zu
schildern, welcher über diesem üppig grünen, waldumsäumten, von
-en Wässern des Nephissos bethauten, von Nachtigallen durch-

schwärmten Thalgrunde verbreitet lag. Man war der lauten Stadt
so nahe, und fühlte sich ihr doch weltenweit entrückt. Ls war, als
müsse der ländliche Gott hier aus schattendunkler Waldstille treten,
eine Najade dort unter helllaubigem Schattendach aus den Nephissos-
wellen steigen. Weiter innen in der lauschigen Tiefe des Hains
tummelten sich gewiß bocksfüßige Satyren, und man konnte das Ge-
kicher vollbusiger, reigenschlingender, oder auf grünem Laub zur Ruhe
hingelagerter hamadryaden vernehmen. Zuweilen ging ein Schauer
durch die Nronen der Bäume, die in der reinsten Bläue des hellen-
ischen Himmels zitterten, wie ein Wonneahnungsschauer, einherwehend
vor dem Schritt des Freudengottes Dionysos."

-hier hauste der Musenliebling Sophokles. Welch' stille,

zufriedene Glückseligkeit athmet aus dieser farbenprächtigen Beschreib-
ung! Welch' beseligendes Gefühl durchzieht den Nörper, wenn So-
phokles spricht: „Ich war bisher so zufrieden und so glücklich hier.
Glänzte Phoibos am Himmelszelte, so freute ich mich, daß meine
Oliven, meine Feigen, meine Granatäpfeln reiften; regnete Zeus, so
dankte ich ihm, denn meine Wiesen grünten. Ich begnügte mich mit
dem, was da zu finden war: Blumen im Frühling, Schatten im
Sommer, Fruchtfülle im herbst, erfrischenden Lufthauch und musen-
gesegnete Stille im Winter."-Wie reizvoll ist nicht die Anspielung

auf den Vorzug des in Schattentiese zurückgezogenen Lebens gegen-
über dem lärmenden Tagesleben im fluthenden Sonnenlichte, wenn
Sophokles sagt: „Man glaubt so lange, daß es die Sonne ist, und
nur die Sonne, welche die Beeren des Weinstocks reift, bis man ent-
deckt, daß gerade die größten, die üppigsten, die farbigsten Trauben
verborgen unter dem Schatten der dichtesten Blätter hingen."

(Fortsetzung folgt.)
 
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