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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Leuchter und Lampen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0141

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Seite (20.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Innen-Dekoration".

August-Heft.

Leuchters aus dem Tempel zu Jerusalem — die sieben Arme wurden
auf die sieben Gaben des h. Geistes gedeutet — die spalierförmigen,
die eggen- und rechenförmigen Leuchter und insbesondere die Teneber-
und die Osterkerzen-Leuchter. Erstere finden bei der am Abend
des Mittwochs der Aarwoche gefeierten Mette des Grün-
Donnerstags Anwendung. Von ihren dreizehn, Thristus und
die Apostel darstellenden Aerzen, denen bisweilen noch zwei
für die beiden Marien hinzulreten, wird nach jedem der ge-
sungenen Buß- und Alagepsalmen (darunter auch
die Alagelieder des Jeremias mit der Mahnung an
Jerusalem, sich wieder zu seinem Gotte zu bekehren)
eine Flamme ausgelöscht, bis auf die der einen auf
der Leuchterspitze angebrachten, den Heiland bedeutende
Aerze. Bei dein letzten, auf den Verrath durch
Zudas und den Areuzestod Lhristi bezüglichen Gesänge
wird die letzte Aerze hinter den Altar getragen.

Während die ganze Airche in Dunkel gehüllt ist,
schließt ein Miserere die Feier.

Tiner anderen, an uralte, heidnische Gebräuche
mahnenden Feier dienen die Osterkerzenleuchtcr, große,
prachtvoll aus Bronze gegossene, eine riesige Wachs-
kerze tragende Leuchter, welches seitlich des Altares
stehen. Die am Oster-Sonnabend gefeierte Osterkerzen-
weihe hängt mit
der Entzündung
des neuen Feuers
und der Weihe
desselben zusam-
men. Außerhalb
der Airche werden
Aohlen mittelst
des Feuerstahles
in Brand gesetzt,
an ihnen werden
sodann beim Zuge
in die Airche drei
nach Art eines
Dreizackes auf
einem Rohr be-
festigte Wachs-
kerzen entzündet,
mit diesen, nach-
dem sie erst feier-
lich geweiht wor-
den, die Osterkerze
als Sinnbild Thristi,
des Auferstandenen,
endlich unter dem herr-
lichen Gesänge »Axultet
jam unAelica turba coo-
lorum« sämmtliche Aerzen in
der Airche. Diese hohe Bedeut-
ung des Osterkerzenleuchters hat zu
seiner kunstvollen Ausbildung geführt;
der schönste bronzene, noch aus roman-
ischer Zeit, steht im Dom zu Mailand:
an ihm wie an anderen romanischen
Leuchtern treten Darstellungen der Paradieses-
slüsse und von Ungeheuern, welche vergeblich
zum Lichte streben oder dasselbe fliehen, sinn-
voll auf. Die Bildhauer der italienischen
Renaissance haben eine Reihe hervorragender
Osterkerzenleuchter aus Bronze geschaffen, bei
denen nur das dekorative Spielen mit dem
Figürlichen sehr gegen den beziehungsvollen Schmuck der romanischen
Leuchter absticht. Von mittelalterlichen Hängeleuchtern fanden die großen
Radleuchter des romanischen Stiles, welche mit ihrem riesigen, von
Zinnen bekrönten, mit figurcntragenden Erkern besetzten, mit
Aerzendornen besteckten Reifen die Mauer des himmlichen Jerusalems
darstellen sollen, sowie die Marien-Leuchter, deren Aerzsnträger bemalte

Holzstatuetten der Muttergottes mit dem Jesuskinde umgeben, nähere
Erwähnung.

Die für den weltlichen Gebrauch des Mittelalters bestimmten
Leuchter zeigen oft seltsame Formen, Pflanzenwerk mit
Drachen, turmtragende Elefanten, Ritter. Auch im (6.
Jahrhundert werden gern Figuren, z. B. Lanzknechte als
Aerzenträger dargestellt. An die Stelle des Dornes tritt all-
gemein die Hülse zum Festhalten der Aerze, welche bis zum
(8. Jahrhundert nur aus Talg bestand. Die
Wandelungen des Stiles im (6. bis (fl. Jahr-
hunderts spiegelte sich in den Formen der Leuchter
deutlich wieder. Diesen wendet die Aunst alle Sorg-
falt zu, während die Lampen untergeordnet bleiben.
Außer aus Bronze und Edelmetallen schafft das (8.
Jahrhundert auch Leuchter aus Fayence und Porzellan,
erstere dem Stoff gemäß von derben aber weichen
Profilen, letztere von metallisch scharfer und feiner
Durchführung. Von mannigfacher Schönheit sind
die vergoldeten Bronzelichter, welche der Stil Lud-
wig XVI-, eine Blütezeit der Gold-Bronzetechnik,
entstehen ließ. Bis nach der Mitte des (8. Jahr-
hunderts beharrte man bei der primitiven Anlage
der antiken Lampe, die sich in den bekannten

italienischen Messing-
Lampen bis heute er-
halten hat. Der erste
Fortschritt wurde (766
gemacht, als Leger in
Paris den losen Docht
durch den festen, ge-
flochtenen oder ge-
webten Docht ersetzte
— wofür er s. Z.
als Wohlthäter der
Menschheit gepriesen
wurde. (78^ erfand
^uinet in Paris die
Lampe mit Rund-
brenner und doppelter
Luftzuführung, welche
zum ersten Male in
der Lomeclie Vran^aise
Anwendung fand. Bald
darauf fügte Lange den
Glas-Zilinder hinzu.
Gleichzeitig erfanden
Andere die noch heute
gebrauchte Studier-
lampe und die nicht
: mehr übliche Astrallampe

mit ihrem ringförmigen, zu-
gleich als Stütze der Auppel
dienenden Oelbehälter. Lin wei-
terer Fortschritt war die von Larrel
i. I. (800 erfundene Lampe mit voll-
ständigem, das Oel aufpumpendem Uhr-
werk. Endlich i. I. (837 erfand Franchot
die Moderateurlampe, bei welcher der Oelzu-
fluß durch eine kräftige, mittelst einer Zahn-
stange gespannte Spiralfeder gefördert wird.
Diese Vorkehrung ist auch heute für Oel-
lampcn nicht übertroffen. Zum Schluffe be-
sprach Herr Dr. Brinckmann die von der Aerze
unzertrennliche Lichtscheere, welche noch zu
Anfang des (7. Jahrhunderts nicht verbreitet gewesen zu sein scheint,
im (8. Jahrhundert ihre Zeit verlebte, um gegen die Mitte des (9- mit
Einführung der Stearinkerzen aus dem bürgerlichen Hausrath zu ver-
schwinden. — Wir bringen diesen Vortrag hier zum Abdruck, weil im vor-
liegenden Hefte Gelegenheit geboten ist, in Bezug auf Beleuchtungskörper
interessante Beobachtungen über Einst und Jetzt anzustellen.

Abbildung Nr. 2^9. Wüflrv im Rokoko-Stil.

Ausgeführt von t. A. Rieding er, Augsburg.
 
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