Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

DOI Artikel:
Schliepmann, Hans: Zimmer-Decken, [1]
DOI Artikel:
Zu unseren Illustrationen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0197

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
November-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „I nn e n - D e k o ra ti o n".

^eite

Abbildimg Nr. 260. Vrirnkslifchr Vck--Drkrovaklan aus Palmen usw.

Arrangirt von Dtto Becker L Lo., Dekorcnionsgeschäit, Berlin.

Näheres stehe Beschreibung auf ^eite ^70.

derartig vertheilt ist, daß jedes Feld für sich ein Ganzes, alle Felder zusammen
aber ein höheres Ganzes ergeben, würde die Urform zur ästhetisch freien Schöpfung
Verklärt zeigen. Ich kann das im Skelett vielleicht durch folgendes Tyxograxhen-
ckunstslückchcn erläutern:

Das Diagramm zeigt die wesentlichen Theile der Ausbildung. Die Balken
als Striches die halben Ulammern zugleich Verbindung der Balken mit den Feldern
und Einrahmung der letzteren. Die Nullen endlich geben das freie Nittelornament;
jedes Feld bleibt selbständig; in ihrer Gesammtheit bilden die Nullen aber eine
neue Figur, die der Decke die Einheitlichkeit gibt. Innerhalb dieser Grundzüge
ist der Fantasie uneingeschränkter und
weitester Spielraum zu lassen.

Nun ist aber die Balkendecke —
leider — für den alltäglichen Profan-
Lau gar nicht mehr in Frage kommend.

Das Bedürfniß nach größerer Feuer-
sicherheit hat eine Unterschaalung der
Balken gerade zur polizeilichen Vor-
schrift gemacht und die ältere Kon-
struktion scheint daher kein Recht mehr
zu haben, während man die bequeme-
ren Uassettenrahmen noch jetzt leicht
zur Bereicherung unter die Fläche
mit Schrauben befestigen kann.

Ist aber nicht hierin gleich wieder
ein neues Zeugniß für unsere Armuth
<in eigentlich architektonischen Ge-
danken zu erblicken, daß wir über die
gestaakte und unterschaalte Holzdecke
noch nicht fortgekommen sind? Sie
bleibt freilich immer noch das Billigste
und wird deshalb auch im schablonen-
haften Zinshause noch lange ihr Leben
fristen, zur Freude alles Ungeziefers
und aller Musikfreunde, die gern im
ersten Stock hören, wie unter dem
Dache der „Mann mit dem Koaks"
auf der Ziehharmonika erscheint.

Aber unsre so rührige Technik,
der die Aesthetik immer um wenigstens
fünfzig Jahre nachhumpelt, hat doch in
Eisenkonstruktionen so vorzügliches ge-
schaffen, daß wenigstens in besseren
Häusern schon durchweg Träger, statt
der Balken auftreten sollten. In
Frankreich ist man schon dahinter-
gekommen, daß '— alles in allem
— die ganz feuerfeste Decke doch
auch noch billiger ist! In den
Trägern aber kann die alte echt
nordeuroxäische, ja man darf wohl
sagen „germanische" Balkendecke zu
ueuem Leben kommen.

Ls ist keineswegs nöthig, daß man
das Eisen wie ein Aschenbrödel versteckt. Neue Bildungs- und Ausschmückungs-
motive erwachsen aus ihm; man muß nur kühn daran gehen, den armen Unter-
slansch der Träger nicht nur mit einem spillerigen Flechtband überpinseln und
meinen, damit sei dem Auge nun genug gethan. Der Strich, den solche Träger-
unteransicht auf einer Decke macht, ist in der Wirkung nicht stark genug, um
ein Grundprinzip der Theilung augenfällig motivirt erscheinen zu lassen
und zu stark, um nicht doch ins Gewicht zu fallen — dann aber störend, weil
eben scheinbar nicht motivirt.

Lin Umkleiden der Trägerbalken oder Balkenträger mit Holztheilen kann,
von der streng konstruktiven Richtung verfehmt, doch keinesfalls für ästhetisch un-
berechtigt gehalten werden. Die Uassettendecke ist eine größere Scheinkonstruktion,
und es ist vollständig sinngemäß, den konstruktiven Gedanken durch ästhetische
Umkleidung zu erläutern und so aus der Sphäre des materiellen Muß zu des freien
Daseins zu erheben.

Aber es muß gar nicht Holzverkleidung sein. Man lerne nur endlich, was
sich aus dem nüchternen Profil eines eisernen Trägers durch Zuhülfenahme von
Blech und Nieten machen läßt. Die neuesten schmiedeeisernen Treppen und einzelnen
Brücken zeigen es. Und dann muß man nur den merkwürdigen Aberglauben
fallen lassen, als ob Eisen immer schwarz angestrichen sein müßte, eine ganz absurde
Ueberlieferung, die z. B. die erwähnten Treppen noch oft um ein gutes Stück
ihrer Wirkung betrügt. Wesentlich ist nur, daß das Eisen wegen seiner geringen

Dimensionen sich in der Farbe deutlich abheben muß; ob hell von dunkel oder
dunkel von hell, kommt ganz auf den einzelnen Fall au.

verstehen wir uns aber erst einmal dazu, unsere Zimmerdecken den neuen
Techniken entsprechend ästhetisch auszubilden, so wird neben der Flachdccke zwischen
Balken auch noch das Flachgewölbe einmal auf seine ästhetische Nutzbarkeit anzu-
sehen sein. Bisher hat eine Reihe von Rappen als eine ästhetisch nicht zu be-
wältigende Decke gegolten. Und freilich, wo wir sie bis jetzt gesehen, in Uorridoren
öffentlicher Gebäude und in größeren Ställen und Wirthschastsräumcn, machten
sie uns den widerwärtigsten Eindrück. Aber der Architekt soll ja gerade aus dem
Muß den Schein des Gewolltseins Hervorrufen. Hat die Technik die Flach-
bogendecke zwischen Trägern als eine der dankbarsten Konstruktionen erkannt, s»
muß der Architekt sie auf Grund ihres Wesens ästhetisch bewältigen.

Der Wesensunterschied zwischen der flachen Decke und der Kappe zwischen
Balken erscheint auf den ersten Blick auch gar nicht so groß — es sind Felder
zwischen einer Paralleltheilung. Aber so einfach sieht es doch nur auf einer Grund-
rißzeichnung aus. Durch die Wölbung ist die Fläche, die über den Balken dir
primitive Einheit herstellte, aufgehoben. Jedes Gewölbe bildet eine schärfere
Sondereinheit. Und das Schlimmere noch ist, daß dies Gewölbe eine deutliche
Richtung hat, nämlich die längs seines Scheitels, und diese Richtung stimmt mit

der jder Balken (Träger) überein.
Dadurch wird die Möglichkeit, die
Decke einheitlich zu bilden, ungeheuer
erschwert und Langeweile geschaffen,
die überall auftritt, sobald ein Rhyth-
mus nur nach einer Richtung ent-
wickelt ist. Hinzu kommt noch^, daß
alle Linien, die senkrecht zu den Bal-
ken verlaufen und die daher eine
Querverbindung Herstellen könnten,
in perspektivischer Ansicht das Auf
und Ab des Gewölbes mitmachen und
nicht als ununterbrochene Bänder
sondern etwa als Languetten, den
Zwiespalt nur noch deutlicher auf-
deckend erscheinen.

Hier ist nur zu helfen, indem man
die nenen Bedingungen nicht ver-
schleiert, die doch nicht zu verschleiern
sind, sondern sich ihnen unterordnet.
Das heißt: die Theilung der Decke,
die zu keiner Einheit zurückführbar ist,
werde zu einer beabsichtigten.

Ls müssen also die tragenden
Balken nicht als schmale Trägerflansche
an gedeutet, sondern als eine Art
Kasten bildende Träger herausge-
hoben werden. Energisch muß der
Balken unter die Wölbfläche herab-
gehen. Und da in der Horizontal-
fläche eine zweite Richtungsdominante
nicht wohl zu schaffen ist (quer über
die Träger), so muß gesucht werden,
eine solche in der vertikalen zu finden.
Indem man den Trägern an der
Seite Konsolen gibt oder sie durch
ähnliche Bildungen scheinbar zur
Wand herabzieht, ändert man die
ertörende Parallelstrichelung der Trä-
ger und Wölbungsleitlinien zu einer
Art idealen Wölbfiäche, von der
allerdings nur die Rippen vorhanden
find, die aber doch die Gegenbewegung
Hervorbringen die sonst gefehlt hat.
Bei der Verschiedenartigkeit der je zwei aneinander stoßenden Kappenseiten
kann nun auch keine gleichmäßige Umrahmung der Felder stattfinden. An den
Trägerauslagcrn ist die Verbindung mit jenen, an den anstoßenden Wänden
ist das Ab setzen von diesen zu betonen. Die Hauptpunkte der Grnamentation
sind aber nicht in den Kappenmitten zu nehmen, sondern an den Trägern, damit
bei der perspektivischen Verschiebung nicht Theile des Hauptschmuckes durch andere
Elemente verdeckt werden, sondern deren Reihung an den sichtbar bleibende»
Kanten doch noch eine Art Ouerachse erkennen läßt. Hierbei ist zu beachten,
daß nicht auf ein Symmetriebild zu beiden Seiten des Trägers zu rechnen ist, da
fast immer nur eine Seite der Kappe sichtbar. Als weiteres Mittel bleibt endlich
noch die Entwickelung eines zipfelförmigen Ornamentes von den beiden Wand-
seiten aus gegen den Scheitel der Kappen zu, übrig. Durch dessen Umgrenzung
werden auf der wölbfläche ähnliche Ideallinien hergestellt, wie es durch die
Konsolen geschieht, und die Länge der Flächen, das Störendste bei der ewigen
Ouertheilung, wird verkürzt. ._ (Schluß folgt.)

m unseren -Dllustvationen.

geben wir in Nachstehendem, so weit dies nöthig erscheint, einen kurzen beschreiben-
den Text. Abbildungen Nr. 2-4-t und 2qs zeigen uns zwei aus dem bekannten kunstge-
werblichen Atelier von Otto Fritzsche in München hervorgegangene Zimmerein-
 
Annotationen