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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Die Bedeutung der Posamenten für Zimmer-Dekorationen
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Tar-Kashi
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0159

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Seite f36.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „I nn en-D e ko ra ti on".

September-Heft.

Veredelung zu bezeichnen, welche wir, wenn uns nicht selbst, berühmten
Dekoratören und französischen Mötzelwerken, wie Deforse in Paris usw. zu
verdanken haben, und darf ich an dieser Stelle nicht verschweigen, daß
die Posamenten in den Möbelwerken von deutschen Aünstlern recht stief-
mütterlich bisher behandelt worden sind. Die Schöpfer solcher Werke be-
schließen ihre künstlerischen Entwürfe gewöhnlich nur mit Andeutung
der Posamenten, d. h. nur so, daß sich erkennen läßt, daß Posamenten
zur Fertigstellung des vorliegend gezeichneten Möblements nöthig sind.

Der Rokokostil in seiner heutigen Anwendung ist besonders für
die Posamentenfabrikanten vortheilhafter als zur Rokokozeit, während
der Posamentirer an den Sitzmöbeln dieses Stiles, welcher sonst nur
in Paradesälen usw. zu finden war, nur eine Gimpe zu liefern hatte,
so machen sich heute bei den weit bequemeren, überpolsterten Möbeln
auch Fransen und Quasten nöthig, welche natürlich auch den Aarakter,
ich sage nicht den Stil, denn man könnte mir erwidern, der Rokokostil
zeigt keine überpolsterten Sitzmöbel, haben müssen. Wird ein solches
Möbel mit Posamenten besetzt, welche dem Aarakter nicht entsprechen,
so kann allerdings das ganze Zimmer als ein Stümperwerk erscheinen.

Der vorgeschrittenen Möbelindustrie haben wir nicht nur zu
danken, daß durch Einführung der überpolsterten Sitzmöbel uns ein
nicht unbedeutendes Arbeitsgebiet zugeführt worden ist, sondern auch,
daß der so reizvolle Rokokostil, welcher sonst nur in Schlössern und
Palästen zu finden war, heute in bürgerlichen Wohnungen Platz ge-
funden hat. Die
mit dem Stil zu-
sammenhängende
Geschmacks - Ver-
edelung wird seine
wohlthätige Wirk-
ung aufdieMöbel-
posamenterie nicht
verfehlen. Ebenso
wie bei vorstehend
besprochenem Da-
menzimmer sind
nun auch für alle
übrigen Wohn-
räume die Posa-
menten, je nachdem
dieselben dienen
sollen, sowohl der
Ausstattung der
Möbel als auch
dem Aarakter des

Abbildung Nr. 228. Whsisrlongue Nlik Schnißwerk und Stickerei im Stil Louis XVI.

Zimmers entspre-
chend herzustellen,

worüber ich vielleicht später zu schreiben noch Gelegenheit nehmen werde

—- 6. Sck.

^ashl.

^ar-Aashi ist der Name einer in Indien gepflegten und in
neuester Zeit nach Lortina in Tirol verpflanzten Technik
Holzflächen mittelst schmaler Metallstreifen oder Drähte zu
verzieren. In den „Mittheilungen des österr. technolog. Gewerbe-
Museums" lesen wir darüber Folgendes:

In den nordwestlichen Provinzen Hindostans, in dem reichen
Agralande, welches nördlich vom Ganges, südlich vom Iamuna be-
grenzt ist, liegt an der alten Hauptstraße, welche den Bezirk gleichen
Namens durchschneidet, und die mit einer Allee von Sisham-Bäumen,
dem zu allen Holzarbeiten geeignetsten Baume Hindostans, eingesäumt
ist, die Stadt Mainpuri. — Obgleich dieselbe 22,000 Einwohner zählt,
sehr alten Ursprunges ist und viele ihrer Aaufleute zur Sekte der
Iainis gehören, welche von jeher als große Tempelbauer bekannt
waren, besitzt sie doch keine alten Gebäude von architektonischer Be-
deutung. In der That bestehen in Mainpuri nur zwei Tempel, die
obwohl von solider Bauart, doch nur modernen Ursprungs sind. Nach
dieser Stadt nennt sich ein Raja, der seine Abstammung durch 9§
Generationen ableitet und dessen Familie die wechselvollen Geschicke
dieses Landes 'mitgemacht und dabei Eroberung und Verbannung usw.
überstanden hat. Unter den Dienern, welche die Schicksale dieser Fa-

milie getheilt haben, ist eine Aaste von brahmanischer Abstammung,
welche auch den heiligen Gürtel trägt und deren Beschäftigung seit
Jahrhunderten die dekorative Ausstattung von Holz, Elfenbein und-
Metall ist. Ihre eigentliche Spezialität ist die Herstellung kleiner-
hölzerner Gegenstände, welche in eigenthümlicher Weise mit Messing-
draht eingelegt werden. Diese Einlegekunst wird Tar-Aashi genannt.

Das beste Holz hierzu ist dunkles, gut ausgereiftes Sisham.
Das Material für die Einlagen wird im Bazar gekauft in Form,
von Messingblättern, hierauf dünn geschlagen und dann in schmale
Streifen geschnitten. Die Zeichnung der Einlage wird in natürlicher
Größe auf Papier gezeichnet und auf das Holz in der Weise übertragen,
daß durch das Nachfahren der Ornamente mit einem scharfen Instru-
mente, dieselben in das Holz eingedrückt werden. Ist dieses geschehen,
so wird in die nunmehr im Holz eingeschnittene Zeichnung der Messing-
draht eingehämmert. Die Linien, welche die Zeichnung bilden und
die oft nach Tausenden in einer Fläche von nur mehreren Auadrat-
zollen Vorkommen, bestehen aus minimen Stückchen Drahtes.

Im Jahre s870 gelang es dem Ingenieur Toddington, den Platten
mit Tar-Aashi-Einlagen eine größere Verbreitung und Bekanntmachung
zu sichern. Derselbe hat auch im Jahre (88( bei seinem Aufenthalte
in Tortina d'Ampezzo (Süd-Tirol) diese Aunst dem Herrn Lacedelli,
Lehrer an der k. k. Fachschule in Tortina, gezeigt. Herr Lacedelli lieD
es sich angelegen sein, diese Technik nicht nur in seiner Heimat einzu-
führen, sondern
auch daselbst popu-
lär zu machen, in-
dem er die Herstell-
ungsweise durch
Einführung ent-
sprechender Werk-
zeuge und Ma-
terialien wesentlicch
förderte.

In den Samm-
lungen des kais,
königl. Technolog-
ischen Gewerbe-
Museums in Wien
sind Arbeiten seiner
chchüler ausgestellt,
welche den Grad
der Vollendung
zeigen, den diese
Technik derzeit
schon in Tortina
d'Ampezzo erreicht
in diesen Sammlungen eine von Lacedelli

hat. Auch befindet sich
in der k. k. Fachschule in Tortina angefertigte Aassette, welche die
für die Herstellung der Tar-Aashi-Arbeit nothwendigen Werkzeuge,
die zu verarbeitenden Metalle (Aupfer- Zink- und Messingbleche) und
einen vollständigen Lehrgang für diese Technik enthält.

Die Tar-Aashi-Arbeit wird darnach am schönsten auf schwarz
gebeizten, ungefähr q- Millimeter dicken Birnbaumfourniren, welche
auf Eichen- oder Buchenholz aufgeleimt sind, ausgeführt. Die Zeichnung
wird entweder direkt auf das Fournir gebracht oder vom Papier
vermittelst weißer Areide auf dasselbe übertragen. Die Linien der
Zeichnung werden mit den in zahlreichen Formen vorhandenen Vor-,
schlageisen in das Holz eingestemmt und hierauf die aus Messing-,
Aupfer- oder Zinkblech geschnittenen schmalen Streifen in die einge--
stemmte Zeichnung eingehämmert.

Nachdem in Hindostan die Einführung der gothischen Formen
nicht möglich gewesen ist, sondern ein Niedergang derselben bei jeder
folgenden Aopie sichtbar war, bis endlich die Anreger dieser Ueber-
tragungen den Muth verloren haben, so dürfte es auch wohl in
Tortina schwierig sein, die Anwendung einer fremden Geschmacks-
richtung in den Zeichnungen einzubürgern. — Es wird jedoch die
Aufgabe der Fachschule in Tortina sein, durch gute Vorlagen den
Geschmack der Schüler zu childen, um ihren Produkten dieselbe An-
ziehungskraft zu bereiten, wie sie diejenigen besitzen, die aus dem ur-
alten Heimatlande dieser Industrie kommen. R. v. 6.
 
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