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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Schliepmann, Hans: Mummenschanz im Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0121

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Juli-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Z nnen-D e ko r ati o n".

Seite sOs.

Wummenschanz Lm sHunftgeweröe.

Von Hans Schliepmann.

er Rarneval stirbt allerorten ab; selbst in seiner herrlichen
Geburtsstadt Rom ist er dem Siechthum verfallen, vom
und

politischen
-Geschäftsbazillus so durch-
seucht, daß seine göttliche
Ausgelassenheit schon zum
maschinenmäßigen Geläch-
ter eines bezahlten Spaß-
machers herabzusinken
L>roht. Auch am Rheine
will der fröhliche Mum-
menschanz nicht mehr ge-
deihen wie früher. Unser
Gigerlkostüm — ach, und
unsre ernste Rleidung bleibt
nicht weit dahinter! — ist
bereits eine so trostlose
Narrentracht und hat uns
derart in die farbenscheue
formenzimperliche Alltags-
stimmung hineingescheucht,
daß wir die bewußte und
karakterwandelnde Verkleid-
ung mit ihrem Zubehör
von bunten Lappen, Flittern,
S-chminke und Perrücken
unter dein kühlen Lichte
des Tages nicht mehr er-
tragen mögen. Wir sind
zu ernst, zu kritisch, zu
schnelllebig und doch zu
schwerfällig dabei für den
tollen Scherz geworden, um
den Witz eines Masken-
spieles länger als einige
flüchtige Nachtstunden nicht
abgeschmackt zu finden. Be-
sonders in Norddeutschland
zeigen daher die Masken-
bälle schon ein geradezu
widerwärtiges Gepräge
von unbehülflichster Witz-
losigkeit, hohlköpfiger Fra
tzenhaftigkeit und ausge-
mergelter Genußunfähig-
keit. Das mag der Freund
harmlos toller Laune be-
dauern ; ändern aber wird
es Reiner. Reine Gesell-
schaft „Lulenspiegel", „Hu-
mor" und wie sie alle heißen
mögen, kann am Leben
erhalten, worüber die Zeit
mit eisernem Schritt hin-
weggeeilt ist. Unsre Zeit

Abbildung Nr. ;y7. Motiv zu rinrm japanischen Wandschirm iu Seidenstickerei.

von Zoo» pillemen«.

erfordert so sehr das Einsetzen der vollen ernsten Persönlichkeit, daß
wir für das selbstironisirende Spiel einer Maskerade nicht mehr genug
frohe Elastizität übrig behalten, und die Wirklichkeitsmaskerade, die so

Viele um des Mammons willen im Leben zu spielen sich gezwungen
halten, ist auch eine so klägliche, daß man sie nicht in tollem Humor

sortzusetzen vermag. Dies
beides, vor Allem aber
der gesteigerte, stark kritisch
und verneinend getönte
Wahrheitsdrang unsrerZeit
haben den Geschmack am
Mummenschanz zu einem
nicht mehr zeit- und ver-
nunftgemäßen, salonfäh-
igen gestempelt. Es ist
nun überaus bezeichnend,
daß trotz dieser ganz offen
zu Tage liegenden Geistes-
richtung der Mummen-
fcha >z auf dem Gebiete des
Runstgewerbes noch
fast vollständig die Führung
hat — bezeichnend für das
Verständniß der großen
Masse selbst der Gebilde-
ten gegenüber Fragen des
modernen Runstgewerbes.

Unsre heutige gesegnete
Schulerziehung, die im Her-
pappeln wohlgemerkter Vo-
kabeln uns das A und O
der Bildung anzubeten lehrt,
hat uns so geistig unselbst-
ständig jeder neuen, nicht
schulmäßig etikettirten Er-
scheinung gegenüber ge-
macht, daß wir niemals
uns einfallen lassen, gegen-
über einem Runstgewerbs-
erzeugniß müsse sich doch
auch etwas denken lassen,
Das geht bis in die besten
Rreise — und bis an mei-
nen Schreibtisch, trotz mei-
nes Eiferns gegen solches
allem guten Geschmack
hohnsprechendes Unwesen.

Dicht vor mir steht ein
Andenken eines sehr lieben
Freundes, nennt sich Doktor,
nennt sich Dichter gar. —
Es ist ein bronzener Fuchs-
kopf. Um den hals hat
er einen Ring und dieser
ruht auf dem Tische auf,
so daß es aussieht, als
ob der Ropf durch ein
Loch in der Platte luge.

Der „Witz" des kleinen Bronzewerkes ist aber der, daß der Ropf
hohl und merkwürdiger- sowie geistreicherweise derart gebaut ist,
daß die Spitzen der Schnauze und der beiden Ohren gerade als drei
 
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