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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Die persische Teppichweberei
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0071

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5eite 56.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Innen-Dekoration".

April-l)eft.

^ Toman Gold ü. l0 Aran — M. 8.—

') So sind die in den alten Seffevidenpalästen von Ispahan aufbewahrten Reste alter Teppiche
riesiger Dimensionen sämmtlich großmustrig.

tte xevstfche MeMichmesierer.

<s ist allgemein bekannt, daß die persischen Teppiche nicht im eigentlichen ^
Sinne des Wortes „fabricirt" werden; sie werden nämlich nicht durch
eine komplizirte Maschine erzeugt, die in der Lage wäre, dasselbe
Muster beliebig oft zu wiederholen. Das weben dieser Teppiche ist
vielmehr ausschließlich Handarbeit, bei welcher der Arbeiter mit vielem Schönheits-
sinne seiner lebhaften Phantasie die Zügel schießen läßt und kleine Unregelmäßig-
keiten im Detail gerne übersieht, wenn das allgemeine Bild des Teppichs angenehm
und künstlerisch wirkt.

Die persischen Texpiche sind selten groß und werden zumeist von Frauen
und Rindern in den Dörfern verfertigt.

Der Bauer, der sonach den Teppich im
eigenen Hause erzeugt hat, bringt den-
selben nach der nächsten Stadt, wo er
ihn nach langem Feilschen verkauft.

Die Zimmer der Dorfbewohner sind
klein und dies wirkt gewiß aus den
Flächeninhalt der persischen Teppiche
mit ein. Doch macht eine Firma in
Manchester so große Bestellungen in
Persien, daß seit einigen Jahren die
nach Europa exxortirten Teppiche
größer sind als eigentlich dem persi-
schen Gebrauche entspricht. Die ge-
nannte Firma bezahlt nicht nur 2—3
Kraus H mehr für das Guadratyard,
sondern gibt den Arbeitern sogar Vor-
schüsse. Mittelst dieser Vorschüsse waren
einzelne in der Lage, besondere Räume
von größerer Ausdehnung zu erbauen,
in denen die für den europäischen
Markt geeigneteren großen Stücke er-
zeugt werden können. Den Umfang
der Teppicherzeugung hat die erwähnte
Firma sicherlich gehoben, doch ist es
sehr fraglich, ob die Beeinflussung der
Form das freie Spiel des persischen
Geschmackes im Muster nicht nach-
theilig beeinflußt hat. Die meisten
dieser großen Texpiche werden in der
Provinz Irak, besonders in der Stadt
Sultanabad, gemacht.

Die Teppichindustrie Persiens läßt
sich in drei Hauptklassen eintheilen,
und zwar in diejenige der großen, jene
der kleinen Teppiche und jene der so-
genannten Ehilims, denen noch eine
vierte Klasse, die sogenannten Nemeds
oder Filztexpiche, anzureihen wäre.

Die meisten für den Fußboden be-
stimmten Teppiche aller Größen werden
in Sultanabad und mehreren Distrikten
von Irak erzeugt, und diese Teppiche
find im Handel unter der Bezeichnung
Ferahan bekannt. Sie sind fester und
stärker als die übrigen persischen
Teppiche, dauerhaft und für größere
Räume geeignet. Seit zehn Jahren
werden diese Teppiche in immer grö-
ßeren Mengen exportirt. Große persische
Teppiche, welche von der gewöhnlichen
rechteckigen Form abweichen, werden
auf Bestellung gemacht und kosten
3—q Krans mehr pro (puadrat^ard,

weil deren Erzeugung mit Rücksicht auf die vorhandenen Behelfe und Einrichtung
schwieriger ist.

Außer den Ferahanteppichen werden auch Erzeugnisse von Kermanschah,
Hamadan und aus dem Distrikte von Loristan zum Fußbodenbelag verwendet.
Auch Teppiche aus Khorassan dienen demselben Zwecke, obwohl sie minder dauer-
haft find. Ebenso besitzen die Kermantepxiche das Gefüge, welches für die Ab-
nützung auf dem Fußboden nothwcndig ist, doch sind sie, obwohl vielleicht stärker
als Ferahaner, zu klein und verhältnißmäßig zu theuer.

Der persische Teppich par exoellencs ist der kleine Teppich, der bei den
Persern viel beliebter ist. Man belegt den Fußboden zuerst mit Schilfmatten, auf
welche zahlreiche kleine Teppiche gelegt werden, die die Matten völlig bedecken.
Harmoniren diese kleinen Teppiche in Farbe und Muster, so wirken sie sehr ge-
fällig und kosten dabei weniger als ein großer Teppich.

Die verschiedenen Abarten der kleinen Teppiche sind sehr zahlreich. Manche
Arten, so die „Turkomans"?) haben große Ähnlichkeit im Muster, obzwar zwei

Abbildung Nr. t6l. Wv0N)L«Wssd von Paul Stotz.

ganz gleiche Muster kaum Vorkommen. Andere Gattungen, wie die Kerman-,
Dschouschegan- und Kurdistan-Teppiche, sind in Zeichnung und Farbe von endloser
Mannigfaltigkeit.

Es darf nicht außer Acht gelassen werden, daß nicht Alles, was den Namen
Teppich führt, dazu bestimmt ist, „mit Füßen getreten zu werden", vor Allem
legen die Perser daheim die Schuhe ab und darum dauern auch die schönsten und
feinsten Teppiche Jahrhunderte lang aus; ja sie werden bei solchem Gebrauche so-
gar immer schöner. Andererseits aber sind zahlreiche Gattungen von persischen
Teppichen ausschließlich zur Bedeckung von Divans oder Tischen (?), ferner zuv

Verwendung als portidren und Wand-
behänge bestimmt.

Aus dieser Bestimmung erklärt sich
auch die außerordentliche Feinheit des
Gewebes, die sammtartige Mberfläche^
und die sonst kaum begründete Fransen-
borte an einem Ende. Manche kleine
Kerman-Teppiche sind fast so sein wie
Lachemir-Shawls. Das Muster dieser
Teppiche war ehemals großb) und
hatte meist rothen, weißen oder sonst
einfarbigen Grund mit Bordüren und
kleinen Dessins, welche die allgemeine
Wirkung noch mehr hervorhoben. Diesr
Muster sind von hohem künstlerischen
Werthe. Heute ist zwar in dem Gewebe
dieser Erzeugnisse kein Unterschied zu
konstatiren, doch ist das Streben nach
kleineren Mustern offenkundig, die viel
an Effekt verlieren, wenn sie nicht ganz,
in der Nähe betrachtet werden. Aller-
dings sind diese Muster in Europa unl>
Amerika beliebter.

Die früher in der persischen Teppich-
weberei verwendeten Farben sind un-
vergänglich. Hundert Jahre alte Tep-
piche zeigen keinerlei Mangel an Farben-
frische, sondern eher weiche Töne, wie-
alte Velgemälde. Die Einführung vom
Anilinfarben drohte seinerzeit die per-
sische Teppich-Industrie zu vernichten^
doch wird nunmehr das seither erlassene
Gesetz, welches die Verwendung von
Anilinfarben verbietet, ziemlich strenge
gehandhabt. Die „Turkoman"-Texpiche,.
welche in Bezug auf Gewebe und>
Schönheit der Muster unerreicht dastehen,,
werden leider nicht im Bereiche der
persischen Regierung, sondern jenseits
der Grenze erzeugt und die Turkmenen
sind sehr geneigt, Anilinfarben zu ver-
wenden, da Roth die Hauptsarbe ihrer
Erzeugnisse bildet. Es ist dies außer-
ordentlich beklagenswerth. Der Betrug
. — es kann der Vorgang in Bezug

aus seine Teppiche wohl kaum anders
bezeichnet werden — läßt sich, wenn
inan seinen Augen nicht traut, sehr
leicht mittelst eines nassen Tuches ent-
decken, wenn man mit diesem den Tep-
pich reibt.

Line Art von Teppichen, die in Be-
zug auf das Gewebe ausschließlich persisch
sind, sind chie sogenannten „Ehilims"^
welche eher gewirkt als gewebt zu nennen find. Das Muster ist auf beiden Seiten
gleich, so daß der Teppich auf beiden Seiten gebraucht werden kann. Die meisten
dieser Teppiche werden in Kurdistan erzeugt. Die Farben sind kräftig und leuchtend,,
die Muster oft von wunderbarer Schönheit.? Das leichte Gewicht und die Geschmeidig-
keit dieser Teppiche macht dieselben besonders für Portieren, Tisch- und Divan-
decken geeignet und leicht transportirbar. Es gehen daher auch große Mengen
davon nach Europa. Für Portieren sind die Ehilims von Schuschter vorzuziehen^
welche im vergleich zu ihrer Schönheit sehr billig sind. Die Ehilims von Gerüst
eignen sich als Vorhänge, jene von Loristan und Jerend (bei Teheran) sind als
eigentliche Teppiche verwendbar, während jene von Kermanschah in GriginalitLt
und Schönheit der Muster alle anderen übertreffon.

Die Nemed's oder Filztexpiche verdienen, wenngleich sie eigentlich kein Ge-
webe sind, doch eine Erwähnung. Sie werden in der Weise hergestellt, daß man
entweder einen Rahmen auf den Boden legt, dessen Tiefe der beabsichtigten Dicke
des Teppichs entspricht, oder indem man im Erdboden eine entsprechende Vertiefung
 
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