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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Abel, Lothar: Die Architekten in ihren Beziehungen zur Innen-Dekoration
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Becker, Hermann: Wohnstuben im XVI. und XVII. Jahrhundert, [4]: eine kulturgeschichtliche und vergleichende Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0193

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Seite (66.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Innen-Dekoration".

November-Heft.

interessiren, und der laute Zuruf des Wohlgefallens, womit man
oft den Aimmerdekoratör oder Tapezierer beehrt und belohnt, wird
selten einem Architekten zu Theil, der die schönen Verhältnisse und
Proportionen, sowie die Anordnung der Fenster mnd Thüren des
Raumes bestimmt hat, welche doch die Grundlage jedweder Aus-
stattung desselben bilden. Was würden
aber alle diese Etablissements „für Deko-
ration" eigentlich thun, wenn ihnen nicht
von vornherein ein entsprechend einge-
theilter, in schönen Verhältnissen angeleg-
ter Raum gegeben worden wäre. Wie
viele traurige Erscheinungen auf dem Ge-
biete der Wohnungseinrichtungen zeigen,
daß der Dekoratör nicht mit dem Archi-
tekten Hand in Hand gegangen ist. In
demselben Augenblicke aber, als der De-
koratör Einfluß auf die Gestaltungsmo-
mente eines Raumes nimmt, hört er auf
blos Dekoratör zu sein, und wird dann
thatsächlich zum Architekten. Denn wer
sollte bei einer solchen Menge von spe-
ziellen Etablissements, die sich ausschließ-
lich auf Wohnungseinrichtungen verlegen,
und bei einer so beträchtlichen Anzahl
dazu berufener, tüchtiger Talente, welche
sich darunter finden, einen anderen Grund
von der Seltenheit wirklich schöner und ele-
ganter Wohnungen angeben können, als die
thatfächliche Schwierigkeit der Sache selbst,
besonders wenn dabei auch noch die Rosten
limitirt erscheinen. Eine hübsche, behagliche,
elegante, bürgerliche Wohnung sollvor allem
Schönheit und einen gewissen reizenden Reich-
thum entfalten, damit die Einrichtung
außer der bedungenen Zweckmäßigkeit auch
zur Unterhaltung und zum Vergnügen
beitragen helfe, wodurch einzig nur angenehme Empfindungen erweckt
werden. Bei dieser Art der Innen-Dekoration muß nun der Deko-
ratör sicher mehr Maler als Architekt sein, denn er braucht mehr
malerisch gebildeten Geschmack, als gründliche Kenntnisse der archi-

tektonischen Entwickelung. Hingegen müssen sich alle Prunkgemächer
eines „herrschaftlichen" Wohnhauses in ihren Wirkungen und An-
ordnungen unbedingt und strenge den rein architektonischen Gesetzen
fügen, und sollen diese Räume als Werke der schönen Kunst wirklich
ersckisinen, dann müssen auch ihre Dekorationen den entsprechenden

Grad von Würde und Größe haben,
welche dem Zwecke des Raumes ange-
messen sind, und wodurch sich derartige
Innen-Dekorationen von jenen gewöhnlicher
Wohnzimmer unterscheiden, hier wäre
ein sogenannter familiärer Ton in der Aus-
stattung sicher unter der Würde des Hauses.

Daß nun zur Einrichtung und Aus-
stattung einer eleganten Wohnung, von
welchem Karakter sie auch sein möge, sehr
wichtige, natürliche Fähigkeiten, sowie
durch Nachdenken und Nebung erworbene
Fertigkeiten erfordert werden, läßt sich
leicht begreifen; denn so wie ein vollkom-
menes, historisches Gemälde das Höchste
der Malerei darstellt, zu dessen Schaffung
sich alle Talente des Malers und alle
Zweige der Kunst vereinigen müssen,
ebenso ist auch die Einrichtung und Aus-
stattung eines prunkvollen, herrschaftlichen
Wohnhauses das höchste Werk der Deko-
rationskunst, bei welchen unbedingt die
Architektur Mitwirken muH. Beurtheilung,
Geschmack und noble Denkungsart leiten
diese Innen-Dekoration, bei welcher noch
eine erstaunliche Fertigkeit im Gebrauche
aller kunstgewerblichen Hilfsmittel hinzu-
kommen soll.

Ein Haus, welches Alles, was zu einer
eleganten Wohnung gehört, umfaßt, wird
aber nur dadurch zu einem Werke der
Kunst, daß Ein Mann von Geschmack alle einzelnen Theile ange-
nehm zusammen vereinigt, dem Ganzen ein gefälliges Ansehen, sowie
jedem einzelnen Theile selbst, nach Maßgabe seiner Bestimmung eine
entsprechend schöne Form gibt. Die Baukunst in ihrem Ursprung

Abbildung Nr. 2Zs. WoKülralhÜV. (Siehe Beschreibung.)

Ausgeführt von Vtto Fritz s che, München.

^Eo?nflu6en ml XVl. und XV». ?Dahv^

hundert.

Line kulturgeschichtliche und vergleichende Studie

von Hermann Becker.

(Fortsetzung von Seite dieses Heftes.)

?uf diese Weise wäre es nun gelungen den Raum „altdeutsch"
herzurichten, aber noch fehlen die Möbel, bei deren Anschaffung
und Herstellung die Stilwuth des Architekten, die Fantasie und
der Geldbeutel des Bestellers und die Schlauheit des Möbelfabrikanten
Mitwirken und manchmal ganz merkwürdige Resultate ergeben. Man
hat sehr häufig Gelegenheit zu erstaunen über die Leistungen, welche unter
dem Titel „altdeutscheZimmereinrichtung" verzapft werden, wobei jedoch
nicht verschwiegen werden soll, daß auch sehr viel Schönes geschaffen
wurde. Die Sucht vieler Architekten Alles zu können, — denn
manche sind darunter, die ohne die Kenntniß der nöthigen Materialien
und der erforderlichen Technik, nicht nur Entwürfe für innere Dekoration
und Möbel, sondern auch solche für Silberschmiede und Kunstschlosser-
arbeiten anfertigen, — veranlaßt die Baukünstler oftmals, Möbel
von der allerseltsamsten Form zu wählen; ob man auch darauf oder
daran sitzen kann ist häufig Nebensache.

Natürlich strebt auch der Möbelfabrikant danach Originelles zu
leisten, deshalb sieht man — abgesehen von vielem Guten—oft so wunder-
lich gestaltete Möbel, die als ganz besonders charakteristisch gepriesen
werden. Zuletzt kommt nun noch der Besteller und will auch seiner-
seits dem Stil vollständig Rechnung tragen. Da ihm bekannt ist, daß
zur Ausstattung eines altdeutschen Zimmers auch altdeutsche Krüge
gehören, so wird nun Geschirr aller Art in das Zimmer geschleppt

und dort aufgestellt. Je nach der Laune und dem Geldbeutel des
Besitzers sieht man nun eine merkwürdige Zusammenstellung von allen
nur denkbaren Geschirren und Gesäßen aller Zeiten und Völker: Neben
Porzellanvasen aus Sevres, Lhina oder Japan, stehen alte Raerener
oder Siegburger Steinkrüge; Kaffsetöpfe und Suppenschüsseln aus
Meißen oder Delft halten gute Nachbarschaft mit Nachbildungen alt-
italienischer Majoliken aus Altona und eine alte Wärmflasche, verzierte
Zinnteller, Salzgefäße und ein verdrießlicher alter Zinnbecher fühlen sich
unbehaglich in der Gesellschaft von Messinggefäßen neuester Arbeit aus
Berlin, Stuttgart oder Hanau. Ein Makart-Bukett darf natürlich
auch nicht fehlen, und sind gar die Wände und die Zimmerdecke höchst
stilgerecht mit angeklebten alten Porzellantellern „dekorirt", so ist das
altdeutsche Zimmer ganz unübertrefflich. Aber die theurc Gattin hat
auch eins Stimme! Sie hat Freitag's „Ahnen", Scheffel's „Trompeter
von Säckingen" und andere historische Romane gelesen und weiß, daß
im altdeutschen Zimmer ein Erker oder Thörlein vorhanden sein
muß; wo in alter Zeit das Spinnrädchen der Hausfrau seinen Platz
fand. Also wird am Fenster wenigstens eine Nische hergestellt, wo
man das zierliche Spinnrädchen aufstellen und bewundern lassen kann,
denn benutzt wird es niemals. Nun sehen sich die glücklichen Eigen-
thümer das gelungene Machwerk höchst vergnügt an, und die modernen
Menschen nehmen sich seltsam genug darin aus, besonders die Damen,
deren Kleidung in den geschwungenen Linien und Ausbauten sich den
Formen der Renaissance bekanntlich sehr gut anpaßt.

Es sind dies natürlich Auswüchse der Strömung, die sich zu Gunsten
des altdeutschen Zimmer geltend machten, und sie lassen erkennen,
daß trotz aller Bestrebungen nach einheitlicher, stilgerechter Zimmer-
einrichtung die Stillosigkeit noch ganz bedeutend ist. Auf der einen
Seite bemühen sich die Architekten die Wände und Möbel den besten
 
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