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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Bodenschatz, Lorenz: Allgemeine Bemerkungen über die Auswahl der Tapeten in Bezug auf Beleuchtung und Harmonie nebeneinanderliegender Zimmer usw.
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0143

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August--Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Inn e n-Deko ra tio n".

Leite s2s.

Mllgrmerne Bemerkungen c?

üßek die Kuswaßl der Tapeten in Bezug auf BeleuHtung und Harmonie neßeneinanderliegender Zimmer usw.

Von Lorenz Bodenschatz.

achdein wir in den vorhergegangenen Heften die hauptsäch-
lichsten Zimmer einer bürgerlichen und auch höheren An-
sprüchen genügenden Wohnung mit Bezug auf die Wahl

22^.

Ampel-

Abbildung Nr.

Wandsvm als

träger.

von j)aul Marcus, Berlin.

der Tapeten unsrer
Betrachtung unterzogen ha-
ben, erlauben wir uns heute
noch einige allgemeine Punkte, die
von größter Wichtigkeit sind, zu be-
rühren. Bei Auswahl der Tapeten ist außer
der Bestimmung des zu dekorirenden Rau-
mes ferner noch zu berücksichtigen, ob das Zimmer
mehr oder weniger helle Beleuchtung hat, denn na-
turgemäß wird man dem dunkleren Zimmer eine hel-
lere Wandbekleidung geben, als dem Heller beleuchteten, und
umgekehrt. Die Farben der Tapeten der nebeneinanderliegen-
den Zimmer müssen so gewählt werden, daß sich bei offenstehenden
Thüren dem Auge ein harmonischer Gesammteindruck darbietet; hier
muß die Harmonie der Kontraste zu Tage treten. Dem Auge wird
es wohlthun: Braunroth neben Olivgrün, Roth neben Grün,
Blau neben Grau oder Braun, Violett neben Gelb zu sehen.
Aber unangenehm wird es berühren, wenn Gelb neben Grün,
Violett neben Blau, oder Grün neben Blausich unsere,n Auge
darbietet. Derselbe Grundsatz ist auch maßgebend bei der Wahl der
Möbelstoffe, sowie der Vorhänge, und haben wir bereits bei
Besprechung des Wohnzimmers diesbezügliche Andeutungen gegeben.
Harmonie in Form und Farbe soll nicht nur den einzelnen
Raum beherrschen, sondern die verschiedenen Räumlichkeiten sollen auch
unter sich einen harmonischen Zusammenhang zeigen, ein harmonisches
Ganze bilden, und ist dies bei richtiger Behandlung selbst bei der
einfachsten Einrichtung durchführbar.

Nun ist es aber eine gewiß nicht zu leugnende Thatsache, —
und die Fachleute können dies bestätigen, — daß in noch vielen be-
mittelten, ja sogar reichen Familien, woselbst in Bezug auf Möbel-
Stoffe und sonstiger Dekoration der größte Luxus herscht, merk-
würdigerweise so wenig Rücksicht auf eine entsprechende und ge-
schmackvolle Ausschmückung der Wände genommen wird,
und die nüchternsten, geschmacklosesten Wandmuster zu finden sind, wo-
durch die- Gesummt - Harmonie so wesentlich beeinträchtigt wird. Hier
fehlt eben die nöthige künstlerische Vorbildung, sowie auch das In-
teresse und richtige Verständniß für die dekorative Kunst. Deshalb
nehme man sich bei Einrichtung besserer Zimmer einen tüchtigen
Dekoratör als Berather und vertraue dem geschäftskundigen Tapeten-
händler, oder man eigne sich, wie Eingangs erwähnt, durch das Stu-
dium entsprechender Werke die nöthige Fähigkeit an, um ein ge-
schmackvolles Arrangement selbst treffen zu können.

Möge man doch bedenken, daß hauptsächlich die Dekoration der
Wände der Wohnung den jeweiligen Karakter der Eleganz oder
der Heiterkeit, der Pracht oder der Ruhe und Würde verleiht, daß

die Wanddekoration für den Eintreten-
den zu allererst den Maßstab abgiebt
für den guten oder schlechten Geschmack
des Bewohners. Die Kunst wirkt ver-
edelnd auf den Menschen, und so wirkt
auch die dekorative Kunst, welche uns
in unseren Wohnräumen umgibt, wohl-
thuend auf unseren Gemüthszustand, wie
ja die äußeren Eindrücke überhaupt auf den-
selben großen Einfluß ausüben.

Was nun den zu empfehlenden Stil betrifft,
so dürfte es wohl überflüssig sein, hierüber viel zu
sagen, da wir ja höchst erfreulicherweise nach der stil-
losen, nüchternen Zeit seit den letzten Jahrzehnten uns
wieder die Formen der „deutschen Renaissance" zu
Vorbildern nehmen, und Künstler und Fabrikanten ihren Er-
zeugnissen vorzugsweise den Karakter dieses Stiles aufprägen,
wenngleich in neuester Zeit auch wieder bei Fabrikanten und
Dekoratören dem Barock- und Rokokostil gehuldigt wird. —
So sehr wir es nun begrüßen, daß unsere moderne Zimmer-
Einrichtung sich an die deutsche Renaissance anschließt, daß nament-
lich unser Wohn- und Speisezimmer in Wanddekoration und Möbel
sich die mustergiltigen Formen dieses Stiles aneignen, so möchten
wir doch warnen vor
dein „allzu Stilvol-
len", möchten warnen,
die Manier der „alt-
deutschen Zimmer-Ein-
richtung" nicht zu weit
zu treiben.

Die Zimmereinricht-
ung des Mittelalters hat
man nicht so wie heut-
zutage fix und fertig bei
dem Möbelhändler ge-
kauft, dieselbe ist erst
nach und nach entstanden
und hat sich durch Ver-
erbung von Generation
zu Generation vervoll-
ständigt. Dieselbe ent-
sprach in ihrer ganzen
Schwerfälligkeit demKa-
rakter und der Anschau-
ungsweise der dama-
ligen Zeit und paßte
sich den damaligen
Sitten und Gewohn-
heiten an.

Da wir nun in der
jetzigen Zeit ganz an-
dere, viel weitgehen-
dere Ansprüche ha-
ben, Sitten und Ge-
wohnheiten vollstän-
dig andere geworden
sind, so müssen wir uns
auch bei unseren Zim-
mer - Enrichtungen, sowie bei Ausschmückung der Wände der
heutigen Richtung anschließen, müssen den jetzigen Anschauungen
Rechnung tragen. Wohl können wir die schönen Formen des altdeut-
schen Stiles benutzen, auf unsere Möbel und Wände übertragen, aber

Abbildung Nr. 222. Mschengiktev.
 
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