Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

DOI article:
Bodenschatz, Lorenz: Ausschmückung und Einrichtung der Wohnräume, [2]: unter besonderer Berücksichtigung der Wahl der Tapeten
DOI article:
Hofmann, Albert: Mein Wohnungs-Ideal, [6]
DOI article:
Bestimmung der einzelnen Sitzmöbel
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0079

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Mai-Heft.

Seite 6?;.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Innen-D eko ration".

einer Lambrisfüllung um eine Ecke gebogen ist; die Füllung
rnuß stets an den Ecken mit einer Umrahmung endigen. Versieht
man eine derartige Lambris an der oberen Schlußkante mit einer
wirklichen profilirten und in passenden Farben gestrichenen Holz-
leiste, so erhöht dies die Wirkung und Täuschung ungemein. Als
eine weitere Zierde des Treppenhauses finden Büsten, Gypsfiguren
<ruf schönen Konsols, Medaillons usw. eine passende Verwendung.
Ueberhaupt möchten wir sehr empfehlen, der Ausstattung des Treppen-
hauses mehr Aufmerksamkeit, als es leider in vielen Fällen geschieht,
zu widmen, denn wir bekommen von dem Hause und seinem Eigen-
thümer gewiß nur einen günstigen Begriff, wenn wir bei dem ersten
Schritt über die Schwelle einen heiteren, reinlichen und harmonischen
Eindruck in uns aufnehmen. — Vom Treppenhaus gelangen wir zu-
-erst zu dem, meist von dem-
selben durch einen Glasab-
schluß getrennten
biMi U 0 VP laY, MTpcZ
-auf welchen die Thüren der
verschiedenen Zimmer mün-
den. Da dieser Raum in den
seltensten Fällen direktes Licht
erhält, so sind die Wände
möglichst hell zu halten
rmd empfehlen sich auch hier
die vorerwähnten persischen
Muster in Hellen, farbigen
Ausführungen mit entsprech-
ender lebhaft kolorirter Borde; auch die bereits erwähnten Entree-
muster, wie sie besonders am Rheine und in den größeren nordischen
.Städten gangbar sind, finden hier passende Anwendung.

Leider sehen wir diesen Raum sehr oft durch mächtige Kleider-
schränke verstellt, was, wenn irgend möglich, vermieden werden sollte,
da dies auf den Eintretenden stets einen beengenden Eindruck macht.
Als Möbel sind hier Kleider- und Schirmständer unerläßlich. Auch
ein kleiner Tisch, ein Stuhl und ein Spiegel an der Wand angebracht.

Wir betreten nunmehr das

Mohn.'immer,

welchem wohl, als dein Sammelplatz der Familienmitglieder der erste
Platz gebührt. Dahin sehnt sich der Familienvater, uni nach des

Tages Last und Mühen, im heiteren Verkehr mit den Seinen, die
geschäftlichen Sorgen zu vergessen und in behaglicher Umgebung der
Ruhe zu pflegen, sich des Familienglückes zu erfreuen. Hier, wo sich
das Familienleben entfaltet, ist auch der Hausfrau großer Spielraum
gegeben, durch geschmackvolle Auswahl der Stoffe, durch die vielerlei zur
Ausschmückung und Bequemlichkeit beitragenden Handarbeiten, über-
haupt durch geschmackvolles, ordnungsliebendes Walten zur Gemüth-
lichkeit des Wohnzimmers beizutragen. Freilich gibt es auch Haus
frauen, bei deren häuslichem Walten dem Manne ein gelindes Grauen
überkommt; es sind dies diejenigen, welche die höchste Glückseligkeit
im fortwährenden Scheuern und Putzen finden, die vor lauter „Ord-
nung schaffen" nie zur Ordnung kommen, wenigstens nie zum ruhigen
Genüsse ihrer oft aufreibenden Thätigkeit. Diesen Rastlosen möchten

wir zu beherzigen geben, daß
man ob der Reinlichkeit, die
trotzdem vorhanden sein kann
und muß, das Schöne, das
Gemächliche nicht vergessen
soll, daß man durch diese
ewige Unruhe den Seinigen
sehr oft den Genuß der Häus-
lichkeit verleidet.

Doch kommen wir nach
dieser kleinen Abschweifung
wieder zu unserem Wohnzim-
mer zurück. Man gebe dem-
selben einen heiteren, gemäch-
lichen Karakter, damit man gewisserinaßen sich dort hingezogen fühlt,
und das man nur ungern wieder verlassen möchte. (Fortsetzung f.)

Westjmmmlg öev LlttIeknen MHmöVel.

Man findet in vornehmen Salons oft solch' zahlreiche Gegenstände, welche
zum Sitzen einladen, daß es dem Besucher vielfach schwer fällt, den speziellen
Zweck jedes einzelnen Sitzmöbels zu errathen, und geben wir vorstehend eine
kleine Abbildung, welche eigentlich jede Erläuterung überflüssig macht, wir
wollen indeß kurz erwähnen: Die Kissen und niedrigen Polster sind für die Kinder,
die Stühle für die jungen Leute, das Kanapee für die Freunde des Hausherrn,
der Puff für die vertrauten und der Lehnsessel für ältere verehrcnswerthe
Personen bestimmt.

Das ist aber auch erklärlich. Dem Patriziat führte der ausgedehnte
Handel die Schätze der Welt in die Speicher; in Augsburg haben sich
die Fugger zu einer seltenen Höhe emporgeschwnngen. Von den
Welfern, die mit ihnen wetteiferten, erfahren wir, daß ihnen im
(6. Jahrhundert die Provinz Venezuela gehörte. Keber all den
Reichthum verstanden sie, was die Wohnung anbelangt, mit feinem
Geschmack zu disponiren. Beatus Rhenanus schildert uns in einem
Briefe aus dem Jahre (55 ( den Glanz der Fugger. „Welch' eine
Pracht ist nicht in Anton Fuggers Haus; es ist an den meisten Orten
gewölbt und mit marmornen Säulen unterstützt. Was soll ich von
den weitläufigen und zierlichen Zimmern, den Stuben, Sälen und dem
Kabinette des Herrn selbst sagen, welches sowohl wegen des vergol-
deten Gebälkes als der übrigen Zierrathen und der nicht gemeinen
Zierlichkeit seines Bettes das allerschönste ist? Es stößt daran eine
dem heiligen Sebastian geweihte Kapelle mit Stühlen, die aus dem
kostbarsten Holze sehr künstlich gemacht sind. Alles aber zieren vor-
treffliche Malereien von außen und innen. Raymund Fugger's Haus
ist gleichfalls köstlich und hat auf allen Seiten die angenehmste Aus-
sicht auf Gärten. Was erzeuget Italien für Pflanzen, die nicht darin
enthalten wären, was findet man darin für Lusthäuser, Blumenbeete,
Bäume, Springbrunnen, die mit Erzbildern der Götter geziert sind!
Was für ein prächtiges Bad ist in diesem Theil des Hauses! Mir
gefielen die königlichen Gärten Blois und Tours nicht so gut. Nach-
dem wir ins Haus hinaufgegangen, beobachteten wir sehr breite
Stuben, weitläufige Säle und Zimmer, die mit Kaminen, aber auf
sehr zierliche Weise, versehen waren. Alle Thüren gehen aufeinander
bis in die Mitte des Hauses, sodaß man immer von einem Zimmer
ins andre kommt. Hier sahen wir die trefflichsten Gemälde. Jedoch
noch mehr rührten uns, nachdem wir ins obere Stockwerk gekommen,

so viele und große Denkmale des Alterthums, daß ich glaube, man
wird in Italien selbst nicht mehrere bei einein Manne finden. In
einem Zimmer die ehernen und gegossenen Bilder und die Münzen,
im andern die steinernen, einige von kolossaler Größe. Man erzählt
uns, diese Denkmale des Alterthums seien fast aus allen Theilen der
Welt, vornämlich aus Griechenland und Sizilien, mit großen Kosten
zusammengebracht. Raymund ist selbst kein ungelehrter Herr, von
edler Seele." Diese Schilderung ist außerordentlich karakteristisch für
das Zuneigen der ganzen Zeit zur antiken Kunst und mit ihr zu
einem gehaltvollen geistigen Leben. Wir begreifen es, daß Ulrich
von Hutten eine solche Zeit mit dein Iubelrufe begrüßen konnte:
„Es ist eine Lust zu leben!" Wir können diese Lust lebhaft mit-
fühlen, wenn wir den Genuß des Lebens im (6. Jahrhundert und
seine Pracht und Herrlichkeit kennen gelernt haben, und wir können
mit einstimmen in den Ruf Ulrichs von Hutten und ausrufen: „Ja,
es war eine Lust zu leben!"

Auch im engeren gesellschaftlichen Leben gibt es ein mächtiges
Fluthen und Rückfluthen der Gewohnheiten und Gebräuche und mit
ihnen zahlreiche Veränderungen in Haus und Geräth. Anders zeigt
sich die Zeit der Renaissance und anders unsere Zeit. Eine weite
Stille um die Mitte unseres Jahrhunderts ist einem rastlosen, fieber-
haften Hasten und Drängen im Leben unserer Tage gewichen. Zwei
Mornente stehen sich heute schroff gegenüber: das aufreibende, ruhe-
lose Geschäftsleben und das friedliche, wohlige Familienleben. Mit
diesen beiden Momenten, welche allmälig den ganzen Kontinent über-
fangen, nähern wir uns dem Leben des insularen Geschäftsvolkes der
Engländer. Bei ihnen ist das Geschäftsleben vom Familienleben
streng getrennt, nicht nur den: Gedanken, sondern auch dem Orte nach.

(Fortsetzung auf Seite 70 dieses Heftes.)
 
Annotationen