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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Bötticher, Georg: Japanische Dekorations-Weise
DOI Artikel:
Hofmann, Albert: Mein Wohnungs-Ideal, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0069

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Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift fü r „I nn en-D e ko ra ti o n".

April-Heft.

Falle befunden hat. Möchten dies doch unsere Damen mehr berück-
sichtigen! Wie viel werthvoller wird der Gegenstand erst dadurch,
das man selbst ihm die Form gegeben, daß kein Anderer im Besitz
der gleichen Zeichnung ist! Und wie viel mehr kann ein solcher

Gegenstand den Bedürfnissen, den
Eigenthümlichkeitcn, den Liebhaber-
eien, den Neigungen dessen an-
gepaßt werden, dem er zum Ge-
schenk bestimmt ist.

Nun aber zeigen uns die
Japaner, besser wie jedes andere
Volk, wie bequem in der Pflanzen-
welt, die uns umgibt, für jedes
offene Auge, für jedes unbefangene
und mit Interesse sich hinein ver-
senkende Betrachten tausende und
abertausende von Motiven für un-
sere Stickereien, Malereien u. dergl.
zu finden sind, wie es keines Lehr-
ganges durch die schwierige Materie
der Stilarten bedarf, nur einer im
Zeichnen geübten Hand und eines
Verständnisses für die Technik des
zu verzierenden Gegenstandes (und
dieses ist ja unseren Damen vielfach eigen), um eine gefällige pflanzen-
form auf den Stramin oder die Seide oder die zu bemalende Holz-
schale zu übertragen. Kommt noch angeborener Farbensinn hinzu, so
entsteht ein kleines Kunstwerk, das den Urheber zu neuen und immer
besseren Unternehmungen ermuntern wird.

Damit soll keineswegs der abgeschmackten Mode das Wort geredet
werden: japanische, uns häufig unverständliche Formen sinnlos
zu kopiren oder wohl gar in stilwidriger Weise von einem echten
Japan-Gegenstand zu entnehmen und auf ein ganz anderes Material
geistlos zu übertragen. Im Gegentheil, vor dieser Manier mag
ausdrücklich gewarnt werden. Sie ist der Tod jeder eigenen, freien
Kunstregung, die in uns zu erwecken, das richtige Studium der Japan-
waaren so sehr geeignet ist. Nicht in den Wunderlichkeiten, nicht in
den originellen, weil uns neuen, Formen der Japaner erblicken wir
das Nachahmenswerthe, einzig in dem System, wonach sie ihre Natur

mit den einfachsten Mitteln, ohne Licht und Schatten, meistens künst-
lerisch darzustellen vermögen.

Man betrachte beispielsweise die als Buchvignette gedachte
Darstellung eines Blüthenzweiges (Abbildung Nr. (57), der aus einem
der in Japan so gebräuchlichen, an Schnüren von der Decke herab-
hängenden Holzgefäßen hervorragt, oder Abbildung Nr. (58 und (5A,
gleichfalls Buchverzierungen. Welche überraschende Mannigfaltigkeit
ist da mit der Druckerschwärze erreicht, ohne daß Schatten und Licht in
Szene gesetzt wären, und wie gut ist der duftige Blüthenkarakter gegenüber
den dunkeln, schwerwirkenden Blättern in Abbildung (57 hervorgehoben,
wie leicht und graziös in Abbildung (58 das langstengliche Blatt ge-
staltet, das sich unter dem kletternden Insekt förmlich zu biegen scheint,
wie farbig reich sind in Abbildung (5fi die verschiedenen Blatt-
arten und wie karakteristisch in ihren Formen (bei denkbar größter
Einfachheit der Behandlung) zur Erscheinung gebracht!

Wir entlehnen diese Abbildungen mit Erlaubniß der Verlags-
Handlung von E. A. Seemann in Leipzig dem „Japanischen Formen-
schatz" von S. Bing, einem verdienstvollen Werke, welches eine Fülle
der interessantesten Motive von den verschiedenartigsten Kunsterzeug-
nissen Japans bringt und seit (888 in monatlichen Lieferungen er-
scheint.

Was wir besonders von den japanischen Künstlern lernen können
ist: daß jede gute Verzierungsweise darauf ausgehen,
soll, die Natur darzu st eilen, und daß alles „Stilisiren", was
davon abführt, eine falsche, eine schlechte Kunst genannt werden muß.
Die strenge, steife Formengebung früherer Jahrhunderte, die scheinbar
nicht Natur gibt, darf uns darin nicht beirren. Die Alten woll-r
ten gleichfalls Natur geben, sie gaben sie nach besten Kräften (das
sehen wir an den Erzeugnissen genialer, ihrer Zeit vorausgeeilter
Künstler), es war ihnen aber bei der noch mangelhaften Naturkenntniß
und Ungeübtheit in der Darstellung versagt, die Natur so darzustellen,
wie es uns Modernen möglich ist. Wir besitzen nun diese Kunst
der treueren Darstellung, wissen sie aber vor der Hand auf dekorativem
Gebiete, im Kunstgewerbe, noch nicht zu verwerthen, zum mindesten
noch nicht mit dem, was wir uns „Stil" zu nennen gewöhnt haben,
in Einklang zu bringen. Wie dies anzufangen ist, das eben zeigen
uns die Japaner. Und es sollte unser ernstes Bestreben sein, den
Kunstprinzipien dieses genialen Volkes nachzuspüren und dieselben
für unser Schaffen auf unsre Weise uns nutzbar zu machen.

Abbildung Nr. zsy.'

Wein

Von Albert Hofmann-Reichenberg.

(Fortsetzung von Seite -z?.)

nd wieder von einer anderen Individualität wird die Wohnung
Franz Lenbachs beherrscht und mit ihr trete ich meinem eignen
Ideal des Heims näher. Es ist Ende Juli. Die grelle Sonne
bannt den Münchener in die Häuser und hält die ziehenden Fremden-
schaaren des Sommers ab. Ruhige Nachmittagsstille liegt aus dem weiten
Platze vor den Propyläen, auf dessen Grasflächen sich hier und da
ein Vogel bewegt, bisweilen eine Grille ihr sommermüdes Zirpen
ertönen läßt. Scharfe Schatten werfen die feinen Gliederungen des
marmornen Prachtthores, auf dem die Sonne wie ein flüssiges Gold-
meer lagert. Zur Rechten in der Luisenstraße liegt zugleich hoheits-
voll und idyllisch das Heim des nimmermüden Grüblers und Kunst-
philosophen, die Werkstätte des deutschen Tizian, des mit Leidenschaft
bauenden Meisters des Porträts. „Wer baut, der verändert die
Silhouette der Erde. Wollten unsere Architekten das bedenken, so
würden sie viel gewissenhafter arbeiten." Beherzigenswerthe Worte,
die ihm in den Mund gelegt werden. Das von Gabriel Seidl im
schlichtesten aber edelsten Stile der italienischen Hochrenaissance erbaute
Heim besteht aus zwei Theilen, die unter sich Zusammenhängen; im
Grunde des Gartens, mit der Fassade der Straße gleichlaufend, das
Museum, in welchem Lenbach planmäßig eine Gallerie von Zeitge-
nossen angelegt hat, zur Linken des Beschauers ein zweigeschossiges
Gebäude, welches im Erdgeschoß die Wohnung, im Obergeschoß das
Atelier enthält. Das Atelier besteht aus drei ineinandergehenden
Räumen, von deren Wänden alte Meister, eigene Werke Lenbachs

und Lenbach-Kopien heruntergrüßen. Die freien Theile der Wände
sind mit kostbaren Gobelins behängen, deren Farbenreichthum sich
herrlich mit den tiefen, satten Farbentönen der Balkendecke vermählt.
Kästchen und Truhen mit reicher Schnitzerei und Beschlägen stehen
hier und dort; Holzschnitzereien aus Stäben stehen neben den eigen-
artigen Kunstgebilden des fernen Ostens. Antike Marmorbildwerke,
unter ihnen ein herrlicher Torso aus dem alten Griechenland ver-
mitteln mit ihrem satten Goldtone das symphonische Farbenspiel,
welches in dem prächtigen Grundton in höchster Gluth aufleuchtet.
Als die Pest die Familie der Vecelli aus Eadore, aus welcher Tizian
stammte, dahinraffte, wurde die Familie Giustiniani-Barbarigo die
Erbin der herrlichsten Bilder Tizians, und aus ihrem Bestände
glänzen als perlen des Lenbach'schen Ateliers die Bildnisse Philipp II.
von Spanien und Franz I. von Frankreich. Ls ist eine dithyramb-
ische Farbenlust, welche uns aus diesen Bildern entgegensprüht. In
gleicher Farbengluth leuchtet eine Rubensskizze: „Esther vor Ahas-
verus". „An das erste der drei Ateliers stößt eine Muschelgrotte mit
lebendiger Fontaine. Es soll mich nicht wundern, wenn die Kallisto
da dem Augenmaler dann und wann ein Stelldichein gibt, so kühl,
so lauschig ist das Plätzchen. Der „Narciß" aus Pompeji steht am
Rande des Beckens, in welchem sich Goldfischlein tummeln. Dis
Karakterköpfe des Seneca, des Vitellius grüßen mich, der Denker und
der Fresser. Die Wände sind pompejanische Mosaiken, d. h. ich hielt
sie dafür, bis mir Lenbach zeigte, sie seien nichts als mosaikartig
gravirter und dann äußerst täuschend bemalter Gips. Keberall spürt
man das Zusammenarbeiten des Malers mit seinem Architekten.

Der Rubensschwärmer Lenbach wetteifert mit seinen: Vorbilde
in dem Bestreben, jeden ^uadratfuß um sich herum künstlerisch zu
gestalten. Auch er hat einen Garten, wie man nicht bald seines
 
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