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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Falke, Jakob von: Eine vornehme Hauseinrichtung von ehedem
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Hofmann, Albert: Mein Wohnungs-Ideal, [10]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0114

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Illustr. kunstgewerb l. Zeitschrift für „In n e n-De k o ra t io n".

Juli-Heft

Staatsbett, auf welchem die Dame des Hauses liegend ihre Besuche
oder Gäste empfing, denn es kam auch wohl vor, daß sie in dem-
selben einzelne intimere Freunde bewirthete und mit ihnen soupirte.
Sie waren genau das für die damalige Zeit, was heute die Besucher
oder Abläuser der jours tixes sind.

Für gewöhnlich standen oder saßen
die Besucher um das Bett herum; es
gab Fauteuils, Sessel und Tabourets,
diejenigen Besucher aber, welche nicht
gleichen Ranges waren, denn in dieser
Beziehung nahm man es damals ge-
nau, mußten außerhalb der Balustrade
bleiben. Gab es nicht Sessel genug,
so breiteten auch wohl die Herren ihre
Mäntel aus dem Boden aus und setzten
sich darauf.

Die Sitte, liegend aus dem Bette
in der Ruelle zu empfangen, wurde
ganz allgemein in der vornehmen Welt
Frankreichs. Die Königinnen und
Prinzessinnen gaben in dieser Meise
den Gesandten und anderen Personen
Audienzen, empfingen die Huldigungen;
ihrem Beispiele folgten Fürstinnen,

Herzoginnen, der ganze hohe Adel und
selbst die vornehme und reiche Bür-
gerschaft. Es ging in der Ruelle her,
wie heute bei beliebten und gefeierten
Damen an »6xe«. Als der Salon
in: Anfang des siebzehnten Jahrhun-
derts litterarisch wurde und das Pre-
ziosenthum entstand, das später aus-
artete und von Moliöreverspottet wurde,
kamen Litteratur, Missenschaft, Dicht-
kunst auch in die Ruelle. Dieselbe
war also eine überaus wichtige Stätte im vornehmen Hause und
sie wurde daher auch mit aller Kunst des sechszehnten und sieb-
zehnten Jahrhunderts ausgestattet. Lepautre, der Architekt und über-
aus fruchtbare Ornamentist, hat verzierte Ruclles komponirl und

radirt und vermuthlich auch in verschiedenen Schlössern und Palästen
ausgeführt. Auch sonst finden sich Abbildungen und Spuren diesev
Einrichtung. Die Sitte der Damen — und manche Herren thaten es
ihnen mißbräuchlicher Meise nach — liegend zu empfangen dauerte

bis in das (8. Jahrhundert hinein
und ebenso lange bestand die Ruelle.
Aber schon in der ersten Hälfte des (7.
Jahrhunderts trat ihr eine andere
Einrichtung zur Seite, welche im An-
fang fast nur einen anderen Namen
führt und sonst ganz denselben Zweck
hat, die spanische Einrichtung des
Alkovens, welche durch die damals in
aller Sitte, Manier und Gesellschaft
tonangebende Marquise von Ram-
bouillet eingeführt sein soll. Morin
der Unterschied bestand, ist schwer zu
sagen, da beide Einrichtungen von den
Zeitgenossen als gleicher Art geschil-
dert werden, beide, Ruelle und Alkoven,
gleicherweise ein Bett besaßen, auf
welchem die Dame liegend ihre Be-
suche empfing. Die Nothwendigkeit,
heißt es, machte die Marquise Ram-
bouillet, welche zart und leidend war,
diese Sitte von den Spaniern entlehnen.
Der Alkoven wurde Mode wie die
Ruelle und auf allen Schlössern nach-
geahmt. Es war ein neuer Name für
eine alte Sache, wenigstens mit sehr
geringer Veränderung, denn die Be-
sucher der Ruelle waren auch die Be-
sucher des Alkovens, nur daß sie, die
regelmäßigen Besucher nämlich, den
Namen „Alkovisten" erhielten. Es
muß aber doch ein Unterschied vorhanden gewesen sein, und dieser
bestand wahrscheinlich in der kleineren und engeren Gestalt des Alko-
vens, obwohl auch bei diesem eine Balustrade erwähnt wird, welche
ihn von dein übrigen Gemache abtrennte. 5o gab es in einem

Abbildung Nr. 18Y. Sgl nfflto--Dekoration zu einem Bild.

Skizze von Professor L. Mell m Salzburg.

Mein

Von Albert Hofmann-Reichenberg.

(Fortsetzung.)

it dem Hof verglichen, erscheint Paris provinziell. Tilly
sagt: „Zwischen Hof-Ton und -Sprache und Pariser-Ton
und -Sprache besteht beiläufig derselbe Unterschied, wie
zwischen Paris und der Provinz." Es heißt, daß man zur Erzeugung
einer Unze der den persischen Königen dienenden Essenz s00 000 Rosen
bedürfe; ähnlich verhält es sich mit dem Salon, der einem Gold- und
Krystallfläschchen gleicht, das den Kern einer menschlichen Vegetation
enthält. Um ihn zu füllen, war es zunächst nöthig, daß eine große,
in Treibhäuser verpflanzte und zur Erzeugung von Früchten unfähig
gemachte Aristokratie nur mehr Blüthen trage, und dann, daß sich ihr
destillirter Saft in der königlichen Retorte zu einigen aromatischen
Tropfen konzentrire. Der Preis ist hoch, aber seine Parfümerien sind
eben sehr kostspielig." (H. Taine, die Entstehung des modernen
Frankreich. I. (Of.) Mit Recht sagt Taine, daß hier eine

Aristokratie der Nützlichkeit in eine Aristokratie der Zierde verwandelt
wurde. Und solche Blüthen tragen die aristokratischen Stengel bis in
die entferntesten Provinzen, soweit dieselben hier überhaupt in Betracht
kommen. Denn das Zusammenströmen und die Zentralisation auch
des gesammten gesellschaftlichen Lebens in Paris war nicht eine That
der Revolution, wie es vielfach dargestellt wird, sondern fand schon
um diese Zeit und früher statt. Hohe geistige Bedeutung hatte der
Salon noch unter den Encyclopädisten, die durch ihr überlegenes Missen,
mit welchem sie die ganze Gesellschaft des Salons mitrissen, manche
gewonnene Redeschlacht herbeisührten. Aus dieser Zeit, später dann

auch aus der Zeit der Restauration, ist der Salon in Frankreich berühmt
geworden. Merkwürdigerweise aber nur der französische; denn so sehv
auch die anderen Völker bemüht waren, die feinen Sitten und die geist-
reichen Wortgefechte nachzuahmen, immer scheiterte der volle Erfolg,
an ihrer natürlichen Eigenart, die den Italiener zu heißblütig, den
Engländer zu kaltblütig, den Deutschen zu einsam und phlegmatisch
erscheinen läßt, um ein reges, gesellschaftliches Leben zu schaffen.
„In Frankreich dagegen trägt Alles dazu bei, den Geselligkeitstrieb"
zur Blüthe zu bringen, sowohl das politische Regiment, als auch dev
Nationalcharakter. Den: Franzosen ist die Neigung für Gesellschaft
angeboren und er kommt leicht und mühelos den Anforderungen der
Gesellschaft nach. Das Plaudern kostet ihn keine Anstrengung, er hat
keine natürliche Scheu zu überwinden und keine eingewurzelte Vor-
eingenommenheit zu besiegen. Er plaudert also nach Belieben und>
Herzenslust und das plaudern macht ihm Vergnügen. Er bedarf
einds Glückes besonderer Art, eines feinen, leichten, raschen, unaus-
gesetzt erneuten und abwechselnden Glückes, in dem seine Intelligenz,
seine Eigenliebe, all' seine lebhaften und sympathischen Eigenschaften
Nahrung finden; und ein solches Glück kann man nur in Gesellschaft
und in der Konversation finden. Er ist gefühlvoll; die Zuvorkommen-
heiten, Rücksichten, Aufmerksamkeiten, die gute Schmeichelei sind seine
eigentliche Atmosphäre, außerhalb welcher er nur ungern athmet.
In gleicher Gesellschaft kann man plaudern; plaudern heißt, andere
amüsiren, indem man sich selbst amüsir^, und ein größeres Vergnügen
kennt der Franzose nicht. Für ihn ist die bewegliche, sich schlängelnde
Konversation, was der Flug für den Vogel ist. Er eilt munter von
Idee zu Idee; vom Schwünge Anderer angeregt, springt und
krümmt er sich von oben nach unten, von unten nach oben, vom Rasen
auf den Mipsel und kehrt unversehens zurück, ohne in einen Graben
 
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