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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Falke, Jakob von: Unsere Wohnung von Einst und Jetzt, [1]
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Hofmann, Albert: Mein Wohnungs-Ideal, [15]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0157

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Seite (3^.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Zn n e n-De k o ra t io n".

September-Heft.

Grenze, dieses eigentlichen und rechten Malers der Bürgerlichkeit.
Wie stimmen die einfach geschmückten Gemächer, die gradlinigen Möbel
mit gespitzten Füßen, mit ihrem Mangel an Relief und Ausladungen,
wie stimmen sie zu den Mädchen mit kurzen Röcken, zu den Frauen,
welche verschämt die hohen modischen Frisuren unter gekrausten Hauben
unter den abscheulichen Dormeusen verbergen, zu den Herren in schlich-
tem, schucklosem Frack, mit Strümpfen und Schnallenschuhen, mit Puder,
Zopf und Haarbeutel! Za, die Welt war
bürgerlich, philiströs geworden.

Und nun am Ende des achtzehnten
Zahrhunderts kam das Empire über die
Wohnung mit seinem antikisirenden Kunst-
stil und brachte griechische Formen und
griechische Ornamente, ohne aber damit
den eigentlichen Karakter viel zu ver-
ändern. Za, wenn die neue Zeit, der
neue Geschmack, wie sie mit der französ-
ischen Revolution kamen, auch die freie,
erfindungsreiche Phantasie und die heitere
Farbenlust, wie sie auf den Wänden der
pompesanischen Häuser herrschen, mitge-
bracht hätte! Aber die Gravität dieses
neuen Stils, den die französische Revolu-
tion einführte und das Kaiserreich vollen-
dete, war nur eine äußerliche; sie benutzte
die antiken Motive, zunächst nicht, weil
sie künstlerisch, weil sie schön, sondern
weil sie republikanisch waren oder schie-
nen. Daher waren Beile, Ruthenbündel,
phrygische Mützen, flammende Dreifüße,

Speerspitzen die ornamentalen Embleme,
welche die Republik zuerst und vor allem
verwendete. Sodann — es war nur ein
Zeitraum weniger Zahre — folgten alle
Ornamente und künstlerischen Motive, wie sie sich auf den Vasen oder den
Wänden Pompejis vorfinden. Die Medaillons, Blumcngehänge, schwe-
benden Bildchen, die architektonisch-malerische Theilung. Zum dritten
kamen die Möbel, die nach antiker Art gebogenen Sessel, die Subsellien,
denen das gewöhnliche Sitzmöbel der Sophas und Kanapees nachge-

bildet wurde, und wo man zu diesem nicht im Stande war, wo marr
für das Geräth, wie man es brauchte, keine antiken Vorbilder fand^
da versah man es wenigstens mit antikem Ornament. Mit Vergold-
ung und vergoldeten Bronzen half man nach, um diesem Geräth auch
Pracht zu verleihen. Man that dasselbe mit Marquetonie, welche-
man gleichfalls wie die Montirung mit vergoldeter Bronze noch aus-
der vorausgegangenen Kunstepoche überkommen hatte. Aus beiderr

setzte sich der Stil des Empire zusammen^
aus der Vereinigung der antiken Motive-
mit den technischen Kunstweisen vow
Louis XV. und Louis XVI.

Man kann nichts Steiferes, Kälteres-
sehen, als die Prunkgemächer der napo-
leonischen Zeit, nichts, was trotz dev
Feinheit im Detail eine größere Fantasie»
losigkeit zeigt. Trotzdem oder vielleicht
gerade deshalb fand der Stil schnellen.
Eingang in die bürgerliche Wohnung-
War das Rokoko rasch an derselben vor--
übergegangen, so hatte sich der Empire-
stil ebenso rasch in ihr festgesetzt. Wev
sich gegen ein halbes Zahrhundert oder
weniger noch in die Tage seiner Kindheit
zurückzusetzen vermag, der wird sich die
bürgerlichen Zimmer mit den präzisiren-
den Möbeln wohl noch deutlich-vorstellen
können. Alles ist — in der besseren
Wohnung — vorwiegend polirtes Maha-
goni, röthlich braun oder dunkelbraun,
fast ohne jegliche profilirung. Die Sessel
schweifen sich in Beinen und Lehnen oder
sind grade, steif und gestelzt, der Rücken
durchbrochen, vielleicht mit einer Lyra,
zwischen den Stützen. Der Spiegel ist
von gänzlich flachem Rahmen umspannt, oben mit einem Halbkreis-
gekrönt, welcher eine halbe, aus dunkleren und helleren Strahlen ge-
bildete Sonne enthält. Die Bilderrahmen sind gleicherweise glatt und-
flach, an den Ecken wohl noch mit einer schwarzen Rosette verziert.

(Fortsetzung folgt.)

Von Albert Hofmann-Reichenberg. (Schluß.)

ist aus dem ruhigen Wasser ein tobendes Element ge-
worden, das in sturmgepeitschtem Ungestüm die wilden Wogen
dahintreibt, auf seinem oft selbstgewählten Wege Verwüstung
und Verheerung bringend. Heute stehen wir mitten im Kampfe. Gesell-
schaftsklassen stehen in fieberhafter Erregung gegenüber, unerbittlich
und fanatisch. Von einem sturmvollen Meer von Leidenschaften durch-
wogt, sehen wir eine drohende Masse mit dämonischer Beharrlichkeit
gegen die auf die soziale Ueberlieferung von Zahrhunderten aufge-
bauten Grundlagen unserer Gesellschaft anstürmen. Die Einwirkung
der höchsten Faktoren, das Zusammenfassen aller Kräfte der Gemein-
schaften, des Einzelnen ist nothwendig, eine Gefahr zu bannen, die
noch im Entstehen begriffen ist, aber in der Verfolgung ihrer Ziele
beharrlich, unbeirrt und sicher fortschreitet. Es tritt sowohl an das
Zndividuum, wie an die Familie und an die Korporation als unabweis-
bare Pflicht heran, in ihren sozialen Verhältnissen zur Ausgleichung
der Klassen der Gesellschaft beizutragen. Nicht von ungefähr hat
man der Kunst einen hohen, ethischen Karakter beigemessen. Zu
allen Zeiten der klassischen Blütheepochen der Kultur wurde die Kunst,
die in ihren vornehmsten Schöpfungen im Dienste der Gottheit steht,
in ihren letzten Gründen, in ihrem tiefsten Ursprung nur aus dem
Göttlichen erklärt und in der Einwirkung solcher Kunst liegt, wie
Hermann Riegel so schön sagt, die ethische Erziehung der Menschen,
liegt die peinigende, erhebende und (zugleich beseligende Einwirkung
auf die menschliche Gesellschaft; und in diesem Zustande wird dieselbe
zu einem harmonischen Zusammenleben aller Theile führen. Wie

der enge Hausgarten sich am besten eignet, das mit unendlicher Sorg-
falt und Liebe herangezogene Pflänzchen zur vollen Blume zu ent-
falten, wie hier unter dem bewachenden, liebevollen Blicke jede Gefahv
sich abwendet und das in das empfängliche Erdreich versenkte Samen-
korn Wurzel, Blätter und Blumen treibt, so ist das Haus, die Wohn-
ung, die Familie der beste Garten für die Kunst, wo dieselbe gehegt
und gepflegt, in dem Herzen jedes Menschen Wurzel faßt und in ihnr
den reinigenden, beseligenden und erhebenden Vorgang wachruft, der
ihn das Getriebe der Außenwelt mit versöhnendem, die Gegensätze
milderndem Auge betrachten läßt. Er wird dann der Kunst mit
Eifer und mit Begeisterung nachgehen und durch sie auf seine Ge-
nossen der menschlichen Gesellschaft einwirken. Es geschieht damr
nicht unter dem Einflüsse einer mystischen Macht, wenn er die Lehren
von der hohen Schönheit der Kunst hinaussendet in die empfänglichen
Herzen der Mitglieder der menschlichen Gesellschaft, die sich noch nicht
voll und ganz den dämonischen Einwirkungen der Feinde unserer-
sozialen Ordnung hingegeben haben, sondern mit dem Eifer und der
Begeisterung für den hohen ethischen Zweck verbindet sich das tiefe
Gefühl der sozialen Solidarität. So bedeutet die Kunst im Hause,
auch die bescheidene Kunst im armen Hause, das harmonische Zu-
sammenleben der menschlichen Gesellschaft, nicht minder aber auch
den höheren, ethischen Reichthum und damit die Superiorität in der
Völkergemeinschaft. Diese Stimmung geht dann auch in das breitere
öffentliche Volksleben und in seine wirthschaftlichen Emanationen über
und übt auch hier den wohlthätigsten Einfluß auf die Stellung eines
Volkes im gesammten Völkerkonzert. Ein solches Volk kann der
wirthschaftlichen Wahrheit Geltung verschaffen, „daß ein Volk immer
nur durch das reich wird, was es besonders leistet, durch den Fort-
schritt, den es im Dienste der Völkergemeinschaft macht." —
 
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