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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Böttcher, Fr.: Die Sommer-Wohnung
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Becker, Hermann: Wohnstuben im XVI. und XVII. Jahrhundert, [2]: eine kulturgeschichtliche und vergleichende Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0175

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Seite (50.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Innen-Dekorati on".

Oktober-Heft.

zösischer Bauweise vorherrscht, ist in der deutschen Schweiz der Holzbau
entweder durchweg oder in Verbindung mit dem Steinbau angewendet.
Im Berner Oberland gelangte der Blockbau zu einer seltenen Blüthe.
Wie alle edlen stilistisch durchgebildeten Schöpfungen der Baukunst sich
erst allmählich im Laufe der Zeit entwickel-
ten, so ist auch das eigenthümlich reich ge-
schmückte Blockhaus des Berner Ober-
landes, von bescheidenen Anfängen in den
letzten Decennien des XVI. Jahrhunderts
ausgehend, erst nach mehr als hundert
Jahren zu der Vollendung gelangt, welche
unsere Bewunderung durch seinen har-
monisch ausgebildeten Stil erregt und sich
die Anerkennung des Auslandes in
hohem Grade erworben hat. Von An-
fang des XVII. Jahrhunderts bis zur
Mitte desselben können wir eine Ueber-
gangs- oder Entwickelungs-Periode zu der
weiteren etwa hundert Jahre andauern-
den Blüthezeit dieses Stiles Nachweisen.

Gegen die Mitte des XVIII. Jahr-
hunderts wurden sodann die einfacheren
und edleren Formen durch überkünstelte
verdrängt und dem damaligen größeren
Einflüße der Malerei auf die Architektur
gemäß, die bisher sichtbar gebliebenen
zierlichen Konstruktionen zum Theil mit
Brettern verschalt, um größere Flächen
für die Malerei zu gewinnen.

Viele glückliche Umstände trafen zu-
sammen, um gerade auf diesem Stückchen
Erde eine so werthvolle Schöpfung her-
vorzurufen, welche meist von einfachen,
jedoch sehr geschickten Zimmerleuten aus-
geführt wurden und die durch die ein-
mal angeregte Erfindungsgabe, eine Formenwelt ersannen, die sich
der Natur des Materials anpaßte, und deren verwandle Vorbilder
uns auf die Zeiten der ersten christlichen Jahrhunderte leiten, wo sich
die antiken Formen in den als romanisch bezeichnten Stil vererbten.

Diese Formen bestehen meist aus Kombinationen von Halbkreisen^
aus dem Bogenfries, Wellenlinien, Herzblättern usw. sind etwas ver-
tieft geschnitten, und bemalt, wodurch eine äußerst angenehme Wirkung,
erzielt wird. Wohl findet man noch aus den letzten Decennien des

XVI. Jahrhunderts spätgothische Formen^
wie z. B. an Deckenkonstruktionen, an
Thür- und Fensterrahmen, an Möbeln
und Kachelöfen, aber vom XVII. Jahr-
hundert an gelangen die Renaissance-
formen zur Anwendung. Die Grund-
rißanlage des Schweizerhauses enthält mik
verhältnißmäßig wenigen Ausnahmen,
dieselbe wohnliche Einrichtung wie das
allemannische Haus. Vorzugsweise
stimmt damit die gleiche gemüth-
liche Einrichtung der Wohn-
zimmer überein, welche das
deutsche Haus im Allgemeinen
karakterisirt. In der Regel liegt
das Wohnzimmer an der gegen Süden
gerichteten Ecke des Giebels, so daß die-
Mittagslinie in fast diagonaler Richtung
durch das Zimmer geht. — An jenev
gegen Süden gerichteten Ecke befindet sich
Fenster an Fenster und erhellen den hiev
befindlichen Arbeits- und Speisetisch, wel-
cher den Vereinigungspunkt der Familie
bildet und von Früh bis Abends das
Licht der Sonne haben kann. Bei dem
Tische sind durchlaufende Bänke an den
beiden Wandseiten angebracht; die Fenster
haben kleine Schalter, welche beim Sitzew
auf jenen Bänken bequem seitwärts ge-
schoben werden können, und man genießt
nach Außen einen oft wundervollen Ueber-
blick über die Landschaft, so wie man umgekehrt nach Innen das ganze
Zimmer und die ein- und austretenden Personen übersieht. Das
einfallende Licht wird durch kleine in Blei gefaßte Scheiben gebrochen,
und Vordächer schützen gegen die heiße Mittagszeit sowohl wie gegen

Abbildung 25g. Wuthrvstuhl mit handgeschnittenem Lederüberzug.

Ausgef. von der Firma H. G. Fr. Bühler, Stuttgart.

MostnstuSru im XV>. unk XV». Hsyv
tzunöevt.

Line kulturgeschichtliche und vergleichende Studie

von Hermann Becker.

(Fortsetzung von Seite dieses Heftes.)

hu nit in der Schüssel umbstürn,
darob halten will nit gebürn,

Den lösfel nimb auch nit zu vol —
wann du trciflest, es steht nit wol —

Und gretzff nach keiner sxeyse mehr
Bis dir Dein mund is worden lehr.

Redt nit mit vollem mund, setz mesig,

Setz in der Schüssel nit gefresig,

Der allerletzt drin ob dem Tisch,

Zerschnetzd das Fleisch und brich die Fisch,

Und kewe (kaue) mit verschlossem lNundt,

Schlag nit die Zung auß, wie ein Hundt
Zu lecken, thu nit getztzig schlinken
Und wisch den mundt ehe du will trinken,

Das du nit schmalzig machst den wein,

Trink sitlich und hust nit darein.

Thu auch nit Rröltzen oder Rretzsten,

Schüt dich nit und setz am vetzsten.

Setz hübschlich ungeschüttet (das Trinkglas) nieder,

Bring keim andern zu trinken wieder,

Füll kein Glas mit dem andern nicht,
wurff auch auff ntzemandt dein Gesicht,

Als ob du merkest auf setzn Essen,
wer neben dir am Tisch ist g'sessen
Den irre nicht mit deim Ellbogen,

Sitz aufgerichtet fein geschmogen,

Laß dein Füß undern Tisch nit gamxern,

Dazu hüt dich vor allen schamxern (schamlosen)

Worten, nachred, gesxött und lachen,

Setz erbarlich in allen Sachen.

Zur buleretz laß dich nit merken,

Thu auch ntzemand auff Hader sterken,

Gezenk am Tisch gar übel stat l

Sag nichts darob man Graven (Grauen) hat

Und thu dich auch am Tisch nit schneutzen,*)

Das andre nit an dir thun scheutzen (scheuen),

Gehe nicht umbzaußen in der näßen (Nasen),

Das zehn stürn (in den Zähnen stochern) soltu dich nit maßen,

Im (auf dem) Kopf soltu dich auch nit kraven (krauen),

Auch sollen Iunkfraven und sraven (Frauen)

Nach keinem Floch (Floh) hinder fischen.

Ans Tischtuch soll sich ntzemand wischen,

Auch leg dein kopff nit in die Hend,

Letz« (lehn) dich nit hinden an die wend
Bis das mahl hat seinen außgangk,

Dann sag Gott heymlich lob und Dank,

Der dir dein Spetzse hat beschert
Aus väterlicher Hand ernert l
Darnach soltu vom Tisch aufstehn,

Dein Hand waschen und wiedergehn
An dein gewerb und arbeit schwer,

Das wünscht H(ans) S(achs) Schuhmacher.

Wenn wir uns wieder mit der Einrichtung des Wohnzimmers
beschäftigen, so finden wir, daß zur Beleuchtung derselben Unschlitt-
kerzen verwendet wurden; natürlich fehlt im Wohnzimmer des Hans
Sachs weder die Leuchter noch die jetzt schon bald vergessene Lichtputz-
scheere, Tinte, Papier, Schreibzeug und Siegel sind nothwendige Er-
fordernisse für den Hausvater, und zur abendlichen Unterhaltung ver-

*) Taschentücher waren nur bei sehr vornehmen und reichen Leuten im
Gebrauch.
 
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