Seite 88.
Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „I nn en - D e ko r a t ion".
Juni-Heft.
^devkwürSige Eächer.
Line kulturhistorische kunstgewerbliche Plauderei von Dr. Max Ferenczy.
(Schluß.)
große
uch weniger freudige Vorko,nmnisfe aber haben zur Ent-
stehung von dergleichen eleganten Toilettenanhängseln An-
laß geboten. Umschließt die Sammlung doch auch eine
Anzahl sogenannter Trauersächer von düsterem Anblick mit
angemessenen, meist aus den Erzählungen der
Heiligen Schrift genommenen symbolischen
Schilderten.
Merkwürdig noch ist das Vorhandensein
gewissermaßen politischer und geschäftlicher
Fächer, die ebenfalls in ansehnlicher Menge
vertreten sind. Mas sagt der geschätzte Leser
zu einem Fächer, der die Versammlung der
französischen Reichsstände abbildet und auf
seiner Rückseite einen statistischen Nachweis
der jährlichen Einnahmen und Ausgaben des
Staates ertheilt? Mas ferner zu einem
Fächer »u lu ünunoiere«, aus dem ein Ver-
zeichniß des umlaufenden Papiergeldes und
der Erlasse der Revolution im Vergleich
mit denen des Aonsulats gedruckt steht; oder
zu einem Mirabeaufächer, der in der Mitte
eine kleine Reliefbüsts des großen Parla-
mentsredners und rund herum Szenen aus
dessen Leben aufweist? Es war dies ein
sehr erschrecklich aussehender Fächer, den eine
brandrothe Garnitur umgab, welche Gedan-
ken an Feuer und Blutbad, an rothe Freiheits-
mützen und andere wilde Begebnisse erweckte.
Solcher praktischer und geschäftlicher Fächer
gab es in der gedachten Sammlung viel mehr
als man hätte erwarten sollen. Außer den
bereits genannten dürfen wir namentlich noch
einen andern nicht unerwähnt lassen; es ist
ein spanischer Fächer von Lady Layard, der
Gemahlin des einstigen englischen Botschafters in Aonstantinopel.
Derselbe enthält anstatt alles sonstigen Schmuckes einfach einen Aa-
lender mit Angabe einer historischen Begebenheit für jeden einzelnen
Tag des Jahres. Auch die Zeichen des Thierkreises fehlen in dieser
seltsamen Fächerdekoration nicht. In die nämliche Aategorie der das
Nützliche mit dem Angenehmen verbindenden Fächer fällt endlich noch
ein fernerer, der auf seinen beiden Seiten sämmtliche Regeln und
Gesetze des Whistspieles der Reihe nach aufzählt.
Fassen wir nun die Vergangenheit der hier vereinigten mannig-
fachen Fächer ins Auge, so gewahren wir, daß sie eine außerordent-
lich verschiedenartige ist. Einige haben zweifellos Glück gehabt, sich
in durchaus ehrenwerther und tugendhafter Gesellschaft zu bewegen,
doch bilden sie im Verhältniß zu ihrer Gesammtzahl nur eine kleine
Minderheit. Da haben wir von ersterer Art einen Fächer, einen der
ältesten der Sammlung, der — schon aus den Zeiten Aarls I. von
England stammend — sich zuletzt im Besitze der Prinzessin Lharlotte
von England befand, der unvergeßlichen ersten Gemahlin des nach-
maligen Aönigs der Belgier, Leopold I.
Ein anderer mit geschichtlichen Arabesken geschmackvoll dekor-
irter Fächer war ein Lieblingsstück der guten Aönigin Adelheid von
England, der Gemahlin Wilhelms IV. ((830—(857), einer geborenen
Prinzessin von Sachsen-Meiningen, die um ihrer Geistes- und Herzens-
vorzüge willen noch heute bei den Engländern in dankbarstem An-
denken steht. Daneben hat die Aönigin Viktoria eine ganze Aollektion
ihrer eigenen Fächer der Sammlung einverleibt. Auch diese, von
denen mehrere an die glücklichsten Tage der Herrscherin erinnern,
dürfen sicher mit Genugthuung auf ihre tugend- und ehrenreiche Lauf-
bahn zurückblicken.
Nicht so vielleicht unterschiedliche andere; von wie mancher Aa-
bale, von wie vielen Eitelkeiten und Frivolitäten, von wie mancher
Leidenschaft möchten nicht jene obengenannten Fächer der Montespan,
der Pompadour usw. erzählen?
Abbildung Nr. ;85.
Wand -- Dekoration
aus dem
„palaste Ducalo in Mantua".
Vriginal - Ausnahme
von Prof. L. Mell, Salzburg.
An Tage vergangenen Glanzes endlich gemahnen die durch
kostbare Pracht, durch Gold und Edelsteine bis zur Ueberladung ge-
schmückten Fächer, mit denen von der Exkaiserin Eugenie der Samm-
lung einige ihrer interessantesten und zeitgeschichtlich karakteristischsten
Nummern zugeführt worden sind.
Freilich sind die Fächer im Allgemeinen eine etwas lose Ge-
sellschaft. Die beiden lockeren Gesellen Tupido und pierot blieben
die Hauptgestalten, die wir auf dem niedlichen Damenspielzeug in
endloser Wiederholung erscheinen sahen, der eine und der Andere ge-
wiß nicht dazu angethan, uns den Eindruck gesetzter Respektabilität
und würdiger Zuverlässigkeit zu machen.
Noch schelmischeren Schlages aber zeigten sich jene Fächer, 'die
mit kleinen Drahtgittern als Gucklöcher für die Augen versehen
waren, so daß sie von ihren Trägerinnen als Maske benutzt werden
konnten, hinter der man Alles wahrnahm, was vorging, ohne selbst
sein Antlitz sehen zu lassen. Diese eigenthümlichen Schutzfächer ent-
stammen dem (7. Jahrhundert, wo sie sowohl in Deutschland wie in
Frankreich sich der besonderen Gunst der Modedamen erfreuten.
Im Uebrigen bildeten die Gegenstände, die auf den Fächern,
gemalt oder garnirt, geschnitzt und in Erz getrieben, zur Wiedergabe
gelangten, ein wunderliches Durcheinander. Biblische, geschichtliche,
mythologische Vorwürfe, Schäferszenen, Bacchanalien und philosoph-
ische' Illustrationen — Alles sehen wir veranschaulicht.
Als den seltsamsten aller Fächer aber müssen wir vielleicht jenen
französischen bezeichnen, auf dem in sorgsamster Federzeichnung die
Sitzung einer Akademie der Wissenschaften abgebildet war mit Grup-
pen von Zuhörern und Studenten und rundum mit allen möglichen
Lehr-Apparaten und Instrumenten, Erd- und Himmelsgloben, mathe-
matischen und astronomischen Gerüchen u. dergl. mehr.
Auch ein spanischer Fächer spielt der Originalität seines Bilder-
schmuckes wegen Erwähnung,
denn er ist — echt national —
mit einer Menge kleiner Foto-
grafien verziert, welche allerlei
Stiergefechtsszenen und die Por-
träts der gefeiertsten Matadore
(Stierkämpfer) und anderer han-
delnder Personen der so popu-
lären Barbarei vor Augen
führen.
Hinsichtlich der Aolorits
übertrafen die chinesischen und
japanischen Fächer alle die sonst
noch ausgestellten. Mochte die
Malerei auf den letzteren an
sich auch noch so kunstvoll und
meisterhaft sein, an Farben-
wirkung blieben si^sammt und
sonders weitaus hinter den
ersteren zurück.
So konnten wir einen schon
Jahrhunderte alten japanischen
Fächer in Roth und Silber und
einen nicht jüngeren chinesischen
aus Silberfiligran mit blauer,
goldener und grüner Färbung
bewundern, die als absolute
Muster harmonischen Aolorits
gelten durften. Desgleichen wa-
ren die Griffe dieser Fächer
bald leicht, bald massig, reich
mit Farben und Vergoldung
ausgestattet oder einfach von
geschnitztem Elfenbein und von
Perlmutter, in ihrer Art Aunstwerke ersten Ranges. Unter den
Fächern aus neuester Zeit endlich standen dis pariser an Leichtigkeit,
Abbildung Nr. ;86.
Motiv ?u einem Wandschirme.
(Besonders für Seidenstickerei geeignet.)
Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „I nn en - D e ko r a t ion".
Juni-Heft.
^devkwürSige Eächer.
Line kulturhistorische kunstgewerbliche Plauderei von Dr. Max Ferenczy.
(Schluß.)
große
uch weniger freudige Vorko,nmnisfe aber haben zur Ent-
stehung von dergleichen eleganten Toilettenanhängseln An-
laß geboten. Umschließt die Sammlung doch auch eine
Anzahl sogenannter Trauersächer von düsterem Anblick mit
angemessenen, meist aus den Erzählungen der
Heiligen Schrift genommenen symbolischen
Schilderten.
Merkwürdig noch ist das Vorhandensein
gewissermaßen politischer und geschäftlicher
Fächer, die ebenfalls in ansehnlicher Menge
vertreten sind. Mas sagt der geschätzte Leser
zu einem Fächer, der die Versammlung der
französischen Reichsstände abbildet und auf
seiner Rückseite einen statistischen Nachweis
der jährlichen Einnahmen und Ausgaben des
Staates ertheilt? Mas ferner zu einem
Fächer »u lu ünunoiere«, aus dem ein Ver-
zeichniß des umlaufenden Papiergeldes und
der Erlasse der Revolution im Vergleich
mit denen des Aonsulats gedruckt steht; oder
zu einem Mirabeaufächer, der in der Mitte
eine kleine Reliefbüsts des großen Parla-
mentsredners und rund herum Szenen aus
dessen Leben aufweist? Es war dies ein
sehr erschrecklich aussehender Fächer, den eine
brandrothe Garnitur umgab, welche Gedan-
ken an Feuer und Blutbad, an rothe Freiheits-
mützen und andere wilde Begebnisse erweckte.
Solcher praktischer und geschäftlicher Fächer
gab es in der gedachten Sammlung viel mehr
als man hätte erwarten sollen. Außer den
bereits genannten dürfen wir namentlich noch
einen andern nicht unerwähnt lassen; es ist
ein spanischer Fächer von Lady Layard, der
Gemahlin des einstigen englischen Botschafters in Aonstantinopel.
Derselbe enthält anstatt alles sonstigen Schmuckes einfach einen Aa-
lender mit Angabe einer historischen Begebenheit für jeden einzelnen
Tag des Jahres. Auch die Zeichen des Thierkreises fehlen in dieser
seltsamen Fächerdekoration nicht. In die nämliche Aategorie der das
Nützliche mit dem Angenehmen verbindenden Fächer fällt endlich noch
ein fernerer, der auf seinen beiden Seiten sämmtliche Regeln und
Gesetze des Whistspieles der Reihe nach aufzählt.
Fassen wir nun die Vergangenheit der hier vereinigten mannig-
fachen Fächer ins Auge, so gewahren wir, daß sie eine außerordent-
lich verschiedenartige ist. Einige haben zweifellos Glück gehabt, sich
in durchaus ehrenwerther und tugendhafter Gesellschaft zu bewegen,
doch bilden sie im Verhältniß zu ihrer Gesammtzahl nur eine kleine
Minderheit. Da haben wir von ersterer Art einen Fächer, einen der
ältesten der Sammlung, der — schon aus den Zeiten Aarls I. von
England stammend — sich zuletzt im Besitze der Prinzessin Lharlotte
von England befand, der unvergeßlichen ersten Gemahlin des nach-
maligen Aönigs der Belgier, Leopold I.
Ein anderer mit geschichtlichen Arabesken geschmackvoll dekor-
irter Fächer war ein Lieblingsstück der guten Aönigin Adelheid von
England, der Gemahlin Wilhelms IV. ((830—(857), einer geborenen
Prinzessin von Sachsen-Meiningen, die um ihrer Geistes- und Herzens-
vorzüge willen noch heute bei den Engländern in dankbarstem An-
denken steht. Daneben hat die Aönigin Viktoria eine ganze Aollektion
ihrer eigenen Fächer der Sammlung einverleibt. Auch diese, von
denen mehrere an die glücklichsten Tage der Herrscherin erinnern,
dürfen sicher mit Genugthuung auf ihre tugend- und ehrenreiche Lauf-
bahn zurückblicken.
Nicht so vielleicht unterschiedliche andere; von wie mancher Aa-
bale, von wie vielen Eitelkeiten und Frivolitäten, von wie mancher
Leidenschaft möchten nicht jene obengenannten Fächer der Montespan,
der Pompadour usw. erzählen?
Abbildung Nr. ;85.
Wand -- Dekoration
aus dem
„palaste Ducalo in Mantua".
Vriginal - Ausnahme
von Prof. L. Mell, Salzburg.
An Tage vergangenen Glanzes endlich gemahnen die durch
kostbare Pracht, durch Gold und Edelsteine bis zur Ueberladung ge-
schmückten Fächer, mit denen von der Exkaiserin Eugenie der Samm-
lung einige ihrer interessantesten und zeitgeschichtlich karakteristischsten
Nummern zugeführt worden sind.
Freilich sind die Fächer im Allgemeinen eine etwas lose Ge-
sellschaft. Die beiden lockeren Gesellen Tupido und pierot blieben
die Hauptgestalten, die wir auf dem niedlichen Damenspielzeug in
endloser Wiederholung erscheinen sahen, der eine und der Andere ge-
wiß nicht dazu angethan, uns den Eindruck gesetzter Respektabilität
und würdiger Zuverlässigkeit zu machen.
Noch schelmischeren Schlages aber zeigten sich jene Fächer, 'die
mit kleinen Drahtgittern als Gucklöcher für die Augen versehen
waren, so daß sie von ihren Trägerinnen als Maske benutzt werden
konnten, hinter der man Alles wahrnahm, was vorging, ohne selbst
sein Antlitz sehen zu lassen. Diese eigenthümlichen Schutzfächer ent-
stammen dem (7. Jahrhundert, wo sie sowohl in Deutschland wie in
Frankreich sich der besonderen Gunst der Modedamen erfreuten.
Im Uebrigen bildeten die Gegenstände, die auf den Fächern,
gemalt oder garnirt, geschnitzt und in Erz getrieben, zur Wiedergabe
gelangten, ein wunderliches Durcheinander. Biblische, geschichtliche,
mythologische Vorwürfe, Schäferszenen, Bacchanalien und philosoph-
ische' Illustrationen — Alles sehen wir veranschaulicht.
Als den seltsamsten aller Fächer aber müssen wir vielleicht jenen
französischen bezeichnen, auf dem in sorgsamster Federzeichnung die
Sitzung einer Akademie der Wissenschaften abgebildet war mit Grup-
pen von Zuhörern und Studenten und rundum mit allen möglichen
Lehr-Apparaten und Instrumenten, Erd- und Himmelsgloben, mathe-
matischen und astronomischen Gerüchen u. dergl. mehr.
Auch ein spanischer Fächer spielt der Originalität seines Bilder-
schmuckes wegen Erwähnung,
denn er ist — echt national —
mit einer Menge kleiner Foto-
grafien verziert, welche allerlei
Stiergefechtsszenen und die Por-
träts der gefeiertsten Matadore
(Stierkämpfer) und anderer han-
delnder Personen der so popu-
lären Barbarei vor Augen
führen.
Hinsichtlich der Aolorits
übertrafen die chinesischen und
japanischen Fächer alle die sonst
noch ausgestellten. Mochte die
Malerei auf den letzteren an
sich auch noch so kunstvoll und
meisterhaft sein, an Farben-
wirkung blieben si^sammt und
sonders weitaus hinter den
ersteren zurück.
So konnten wir einen schon
Jahrhunderte alten japanischen
Fächer in Roth und Silber und
einen nicht jüngeren chinesischen
aus Silberfiligran mit blauer,
goldener und grüner Färbung
bewundern, die als absolute
Muster harmonischen Aolorits
gelten durften. Desgleichen wa-
ren die Griffe dieser Fächer
bald leicht, bald massig, reich
mit Farben und Vergoldung
ausgestattet oder einfach von
geschnitztem Elfenbein und von
Perlmutter, in ihrer Art Aunstwerke ersten Ranges. Unter den
Fächern aus neuester Zeit endlich standen dis pariser an Leichtigkeit,
Abbildung Nr. ;86.
Motiv ?u einem Wandschirme.
(Besonders für Seidenstickerei geeignet.)