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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Deutsche Gesundheitstapete
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0036

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dem gesummten Gebiete der Industrie und der Gewerbe
herrscht unaufhörlich eine fast fieberhafte Thätigkeit, bedingt
durch den ewigen Kampf mit der Konkurrenz, und Jeder,
vom Großindustriellen bis zum kleinen Handwerker, muß heutzutage
außergewöhnliche Anstrengungen machen, stets auf Neuerungen usw.
Bedacht sein, wenn er in dem allgemeinen Strom mitschwimmen will.
..vorwärts" ist die Devise der jetzigen Zeit, „Stillstand ist Rückschritt",
und wer nicht schiebt, der wird geschoben.

Auch auf dem weiten Gebiete der Kunst und der Kunstindustrie
regt es sich seit Jahrzehnten allenthalben, und groß sind die Fort-
schritte, die zu verzeichnen sind. Es ist dies umsomehr anzuerkennen,
als hier mit verschiedenen Faktoren zu rechnen ist. Hier gilt es nicht
uur, neue Verkaufsobjekte zu ersinnen und auf den Markt zu bringen,
hier gilt es auch, neue und stets schöne, den Gesetzen der Aesthetik
entsprechende Formen zu schaffen.

Lin Hauptzweig der Kunstindustrie, der auch bezüglich seiner
-Massenproduktion mit in erster Linie steht, ist die T a p e t en f a b r i -
kation, und auch an sie werden immer weitergehende Anforderungen
gestellt, trotzdem auch auf
diesem Gebiete Fortschritte zu
verzeichnen sind, die man vor
wenigen Dezennien noch für
fast unmöglich gehalten hätte.

D)enn inan bedenkt, daß früher
bie einfachste, nur eine oder
wenige Farben haltende Ta-
pete durch Handmodell her-
gestellt werden mußte, und
Wan vergleicht die jetzigen
Leistungen, welche mit der
Tapetendruckmaschine erzielt
werden, so muß man staunen
über die enormen technischen
Erfolge. Selbst mit der Druck-
maschine wagte man Anfangs
nur wenige Farben zu drucken,
legte die einzelnen Farben
ängstlich nebeneinander, daß

keine sich berührte, bis man nach und nach dreister wurde, die
schinen selbst Verbesserungen erfuhren, so daß man jetzt 6, 8, s2, ja
bis zu 2-f Farben auf einmal druckt, und die prachtvollsten Farben-
effekte erzielt.

Aber damit noch nicht genug, jetzt geht man schon soweit, die
Tapete auch in sanitärer Beziehung auf die Höhe der Zeit zu
bringen und hier den Anforderungen der Neuzeit Rechnung zu tragen.
Ls ist ja bekannt, daß nach den neueren Forschungen viele Krank-
heiten, als Diphterie, Scharlach, Masern, Typhus usw. durch Ueber-
tragungen ansteckbar sind und daß Möbel und Tapeten in öfteren
Fällen zur Übertragung solcher Krankheitsstoffe beitragen.

Bis jetzt war es nur den Engländern gelungen, derartige (Ta-
peten, sogenannte Samtary-paper-blanAMAL, zu fabriziren, welche nicht
durch Leimfarbendruck, sondern durch ein anderes Druckverfahren her-
gestellt, eine vollständig glatte Oberfläche zeigten, und weil die Farben
ölhaltig und förmlich in das Papier imprägnirt sind, auch abwasch-
bar sind. Diese Tapeten fanden alsbald nicht nur in England,
sondern auch in Deutschland und in anderen Ländern Eingang und
wurden besonders für Schlafzimmer, Badezimmer, in Krankenhäusern
find dergl. viel und gern verwendet.

Mit Freuden ist es nun zu begrüßen, daß es jetzt auch einer

deutschen Firma gelungen ist, derartige Tapeten zu fabriziren
und unter dein Namen „Deutsche Gesundheitstape 1 e" in
den Handel zu bringen. Ls ist dies die rühmlichst bekannte Fabrik
für Abziehpapiere, Maler- und Anstreicher-Artikeln von Georg
Groß heim in Elberfeld.

Das Fabrikat ist bereits zum Patent für Deutschland, Oester-
reich, England, Amerika usw. angemeldet und auf der diesjährigen
Dekorations- und Tapetenfach-Ausstellung zu Elberfeld mit dem ersten
Preise gekrönt worden. Sie geht deshalb, nach den bis jetzt in
der kurzen Zeit gehabten Erfolgen, unbedingt einer großen Zukunft
entgegen.

Die Gesundheitstapete ist nicht, wie unsre gewöhnliche Tapete,

mit Leimfarbe, sondern mit
Oelfarbe bedruckt, außerdem
ist das Papier mit Oel
imprägnirt, so daß es
vollständig wasserdicht und
absolut abwaschbar ist. Zn
Folge der durch die Behand-
lung bedingten glatten und
festen Oberfläche nimmt die
Tapete auch sehr schwer
Staub und Schmutz an und
eignet sich daher vorzüglich
für Treppenhäuser, Hausflure,
Schlafzimmer, Kinderzimmer,
Krankenhäuser usw., weil sie
weniger fähig ist, Krankheits-
stoffe aufzunehmen, und falls
dies geschehen, durch Ab-
waschungen sofort wieder rein-
lich und ungefährlich gemacht
werden kann. Wir können
daher ruhig sagen, daß die
Tapete einen: Bedürfnisse ent-
spricht und für obige Zwecke
nicht genug zu empfehlen ist.
Auch für andere Lokalitäten,
wie z. B. Badezimmer und dergl. ist das Fabrikat gut verwendbar,
nicht minder aber auch für Restaurations- und Bierlokale, bei denen der
Tabaksrauch die Tapeten stets stark angreift, welche aber durch dieses
weniger empfängliche und abwaschbare Material wohl immer in

einem freundlicheren und reinlicheren Zustande erhalten werden können.
Die von der genannten Firma außerdem noch hergestellten Holz- und
Marmortapeten sind ebenfalls mit Oelfarben gedruckt und wegen
ihrer Unempfänglichkeit gegen jede Feuchtigkeit zu empfehlen.

Da die Erfindung noch neu, so konnte die Fabrik nur mit
einer beschränkten Anzahl von Mustern die diesjährigen Reisen be-
ginnen, trotzdem sind die Tapeten wohl schon in jeder besseren

Tapeten-Handlung zu finden.

Wenn erst die Fabrik über eine größere Anzahl Muster verfügt,
und wir hoffen, daß sie hierbei nicht dein französischen oder englischen
Geschmack huldigt, sondern unsere tüchtigen deutschen Dessinatöre mit
ihren Aufträgen betraut, dann wird sich die Gesundheitstapete für
ihre Zwecke immer mehr Bahn brechen, was um so mehr zu er-
warten ist, als sie in: Preise mit unseren besseren Leimfarbentapeten
konkurriren kann, jedenfalls sich aber wesentlich billiger stellt, als die
englischen Fabrikate, und es ja auch den: Händler, sowie den: Publi-
kum angenehmer sein wird, deutsche Erzeugnisse zu kaufen.
 
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