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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Barber, Ida: Mode in der Wohnungseinrichtung, [2]
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Rücken-Kissen
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Hofmann, Albert: Mein Wohnungs-Ideal, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0056

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Seite 42.

März-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „Znnen-Dekoration".

Ln öev ^WoynttttgsejttvrchLnng.

von Ida Berber, Wien. (Schluß.)

seicht ließe sich den oft grundfalschen und verschrobenen Einrichtungen ab-
helfen, wenn man bei Anschaffungen für die Wohnung in erster Linie
dem praktischen Bediirfniß Rechnung tragen würde, was lall uns ein Fauteuil
Louis XVI., in dem Niemand sich behaglich niederlassen, was ein Sofa Louis XV.,
in dem man nicht gemächlich ruhen kann? Zum bequemen Sitzen ge-
hören Rück- und Armlehnen am Fauteuil; wer sich behaglich
ausstrecken will, findet in den seltensten Fällen in den
modernen Divans, Chaiselongues die gewünschte Be-
haglichkeit; man gibt zuviel auf Schuitzwerk, De-
koration, Spiegelwände usw., zu wenig auf
wirklichen Komfort. Mas soll unseren moder-
nen Sofas die mehr als meterhohe Polster-
wand, was der breite Sims, Alles hoch,
elegant, auffallend, während der eigent-
liche Sitz schlecht gepolstert ist und die
Seitenlehnen durch einfach mit Stoff be-
kleidete polzrollen gebildet sind? Un-
summen werden für Fantasie - Möbel,

Prunkschränke und Kamine, Büffets
ausgegeben, die zumeist keinerlei reel-
len Werth haben. Die Polstermöbel,
die mir vor zwei und drei Jahr-
zehnten anschafften, waren weit gedie-
gener, der Form und Polsterung nach
praktischer, als die heutigen moderne».

Dem soliden Plüschbezng, der damals in
jeder „guten Stube" heimisch war, ist der
leicht abnutzbare Damast gefolgt, diesem der
noch weniger haltbare Seidenatlas, der Barette-,

Kretonne-, Rips-, Jute-, Lrepc-Stoffe gar nicht zu
gedenken. Sicher ist ans dem Gebiete der Wohnungs-
einrichtung eine Reform nöthig. Jedes Jahr bringt
Neuheiten in Möbeln, es gehört zum guten Ton, sich
dies und das und noch etwas von diesen Nouveautes
anzuschaffen, die frühere „gute Stube" in einen Salon
umzuwandeln, das Wohnzimmer in ein modernes
clininA room, das Toilettezimmcr in ein stilgerechtes Boudoir, das Vorzimmer
mit Sxiegelwänden und einem Milieu zu schmücken, Gas-, Glühlicht- und
Telefon-Einrichtungen anzubringen, — aber bei all' den Neuerungen vergißt man
zumeist in Erwägung zu ziehen, daß das Neue nicht immer das Gute ist. Die
modernen Garnituren Heinrich II. und Louis XVI. sind zumeist aus gewöhnlichem
lackirtem Holze gefertigt, das mit farbigen Linien gemustert ist, theure Holzarten,
Mahagoni, Nußbamn, Palisander, Ebenholz kommen wenig in den Gebrauch,

statt der mit Gold und Elfenbein inkrnstirten Möbel sieht man vielfach ganz mit
Plüsch bekleidete Vbjekte, wie Kommoden, Konsoltische, die namentlich in letzter
Weihnachtszeit stark gekauft wurden; die Poesie des Schenkens scheint zu diesem.
Feste nicht zur rechten Geltung gekommen zn sein.

Selbst die im Gewerbemuseum ansgestellten prachtvollen Möbeln entbehren
der Käufer. Gb wohl das jetzt wiederholt in allen Tonarten angestimmte Lied-
von den schlechten Zeiten daran Schuld ist?

Abbildung Nr.

Motiv ;um Vemolru rinrs Tellers.

ücken^sMrl'sen.

von m. Rothschild, Musterzeichner.

Die fantasievollen, anmuthigen, das Auge durch-
graziöse Bewegungen erfreuenden Formen des
Rokoko- und Barockstils haben die strengeren
Formen der deutschen Renaissance bei Hand-
arbeiten vielfach zurückgedrängt von ihrer
Herrschaft. Die beiden elfteren Stilarten
sind, obgleich sie einander sehr ähnlich-
sehen, doch grundverschieden. Der Ba--
rock ist mit seinen prächtigen, schweren
Muschelformen leicht von den anmuth-
igen graziösen Verzierungen zu un-
terscheiden. — wir bringen in unsrem,
heutigen Heft zur Ausschmückung der
inneren wohnräume eine Mustervor-
lage für Apxlikationsstickerei und Platt-
stich im Rokokostil. Dieselbe zeichnet sich
durch leicht faßliche, für Jedermann ver-
ständliche Formen aus, welche, nachdem
solche in ausführbarer Größe aus einen
zum Grundton passenden Stoff gezeichnet sind,
ausgeschnitten und auf den mit einer Stickerei
zu versehenden Stoff geklebt werden, worauf sie
sodann mit einer Goldschnur zu umrändern sind.

Abbildung Nr. ;so auf nebenstehender Seite zeig!
ein Rückenkissen. Die Farben dürfen hierbei schön und
satt sein. Alles das, was auf der Vorlage dunkel
schattirt ist, muß auch in der Ausführung dunkler
werden, jedoch Heller als der Grund. Wir empfehlen
jedenfalls ein Braun für die größeren Theile der Umrahmung, für die kleineren
ein Moosgrün oder ein Roth in derselben Farbenstimmung. Diejenigen Verzier-
ungen, welche durch einfache Linien angegeben sind, stellt man durch die Goldschnur
her. Die Farben müssen, wie schon erwähnt, recht zart sein und gut zu einander
passen. Die innere Blume, die Blätter und Knospen sind in Plattstich auszuführen.
Dem inneren Theil des unten links sich befindenden Medaillons kann man einen
andern Grund geben, was die Wirkung bedeutend erhöht.

Wein MMßnungs-Wöeal.

Von Albert Hofmann-Reichenberg.

(Fortsetzung von Seite 35.)

eute können wir mit Gustav Freitag ausrufen: „Für den
Deutschen ist jetzt die Zeit gekommen, wo feine Seele über
die Vergangenheit des eigenen Volkes dahinfliegen darf,
wie die Lerche am Frühlingsmorgen über den dämmerigen Grund.
Frohlockend fühlen wir, daß wir etwas werden, wir begreifen jetzt,
wie wir geworden sind, wir vermögen in den zweitausend Jahren
unsres geschichtlichen Lebens eine Weisheit und Vernunft zu ahnen,
deren Walten uns glücklich macht."

Dieses Glück im Schooße der Familie gehegt und gepflegt, in
die Herzen der einzelnen Familienglieder tief versenkt, spiegelt sich un-
zweifelhaft in der Wohnung wieder. Gin harmonischer Aarakter
sucht sich auch seine Wohnung anzupassen, der Aarakter unsrer Wohn-
ung ist unser Aarakter. Und so sahen wir denn allenthalben Wohlig-
keit und Wohnlichkeit in die Wohnung einziehen. Freilich wurde viel
geirrt und viel übertrieben, in den meisten Fällen die Absichtlichkeit
mit in die Wohnungs-Ausstattung einbezogen, wo die Natürlichkeit
so sehr am Hllatze gewesen wäre. Wie soll nun aber der Aarakter
unsrer Wohnung beschaffen sein, wie soll ein Mensch wohnen, der,
sich über die ewig gleiche Allgemeinheit erhebend, das Leben als eine
Quelle ernster Arbeit bei hoher sittlicher Gesinnung und umfassender
Geistesstärke auffaßt, der im Areise lieber Angehörigen und trauter
Freunde Erholung sucht von des Tages Stürmen und Mühen? Es
ist kein Zweifel: das Leben unserer Tage ist ein Aampf, der in allen
Berufszweigen ein intensives Sammeln aller Aräfte erfordert, ein

Aampf, in dessen einem Brennpunkte der Mensch, in dessen anderem
seine Existenz steht. Und dieser Aampf wird ausgefochten mit der
Welt, mit einem Wesen von Myriaden von Aöpsen und unendlich
mehr Gefahren. Zn diesem Aampfe nun hat der Ruhepunkt, die
Stätte friedlicher Ruhe, eine erhöhte Bedeutung gewonnen. Mit
Recht sagt Edmond de Goncourt in seinem schönen Buche „Au Naison
cl'un ^.rtiste" („Das Haus eines Aünstlers"), daß das Haus aufge-
hört habe, ein Hotel garni zu sein, in welchem man nur schlafe. Zn
unserem kampfreichen Leben ist der Mensch dazu gezwungen worden,
die vier Wände seines Heims angenehm, gefällig und unterhaltend
zu haben. Welche Sehnsucht spiegelt sich nicht in dem Ausspruche
des rastlos thätigen Engländers: „Home, siveet bome", und wie
weiß er es sich nach des Tages Mühen und Sorgen angenehm und
behaglich, im trauten Heim im Areise seiner lieben Familie zu machen.
Ein kleines Haus von bescheidener Ausdehnung, entfernt von dem
Gewühl und Getriebe der Stadt, womöglich in freier Natur, mit
einem Hausgarten, das Ganze eben Raum genug bietend für die
eigene Familie, das ist eine Stätte des Glückes und des Wohlergehens
in unsrem hastigen und fledernden Zeitalter. Und spricht nicht schon
aus den Tagen der Römer zu uns eine ähnliche Stimme, wenn Horaz
in der VI. Satyre seines II. Buches singt:

„Dies wareinst mein sehnlichster Wunsch: ein bescheidenes Stücklein
„Ackers, ein Garten dabei und am Haus' ein lebendiger Brunnquell,
„Etwa dazu noch ein weniges Wald."

Ist es nicht ein sehnsüchtiges Verlangen des Römers der großen
Welt, aus den Stürmen des Lebens in die Einsamkeit und Ruhe,
in die Arme der wiederbelebenden und stärkenden Allmutter Natur
zu flüchten? Und auch mich beschlich zu Zeiten ein ähnliches sehn-
süchtiges Verlangen, abseits vom Getriebe der großen Welt und ihren
 
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