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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Hofmann, Albert: Mein Wohnungs-Ideal, [2]
DOI Artikel:
Brinckmann, Justus: Das Kunstgewerbe in Japan: Nach einem Vortrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0047

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März-Heft.

Seite 35.

Illustr. ku nstg e we r b l. Zeitschrift für „Inn en - D e ko r a ti o n".

as ^unflgeweröe Ln -Mapan.

(Nach einem vortrage von Justus Brinckmann.)

^ackdetn nach einer mehr als dreihundertjährigen Pause im Jahre

(863 wieder eine japanische Gesandtschaft auf europäischem
Boden erschienen war, ist ein mächtiger Aufschwung der Wechsel-
beziehungen zwischen unsrer und der japanischen Aultur zu verzeichnen,
der sich nicht blos auf die großen kontin-
entalen Zentren beschränkt, sondern in
seinen feinen Verästelungen selbst in
kleinere Städte der Provinz seinen
Weg gefunden hat. Die Ja-
paner lassen ihre Löhne an un-
seren Universitäten studiren, sie .
haben von unsrer Wissenschaft,

Don unsrer Gesetzgebung entlehnt,
nur in einem Punkt sind sie klug
genug, sich uns nicht zum Vor-
bild zu nehmen, und das ist —
wenige Ausnahmen abgerechnet
— in der Aunst und im Aunst-
gewerbe. Die Wissenschaft hat
kein Vaterland, aber die Aunst
ist nur dann eine solche, wenn
sie auf dein Boden nationaler
Ueberlieferung steht; an diesem
Latz haben die Japaner, einige
Schwankungen ausgenommen,
festgehalten, und sie haben wohl
daran gethan. Aber noch ein an-
deres Moment kommt der hohen künst-
lerischen Vollendung japanischer Erzeug-
nisse zu Gute. Während nämlich bei uns der Luxusgegenstand förm-
lich von Aunst strotzt, weisen unsere Gebrauchsgegenstände eine voll-
ständige Vernachlässigung jedes künstlerischen Lchaffens auf. Warum
kaufen wir die alten Artige, alten Teller und sonstigen Hausrath so
begierig auf? Wie einst bei uns, so stehen heute noch in Japan
Aunst und Handwerk Hand in Hand neben einander. Unsere besten
Einrichtungsstücke athmen oft eine abstoßende Nüchternheit, während ! Ueberlieferung zu pflanzen.

Abbildung Br. tHZ.

WorxkllSlmSrvoire im Besitze von Sarah Bernhardt.

die bekannten, vielfach importirten japanischen Besen geradezu „salon-
fähig" sind. Freilich wird dort das ganze Volk für eine höhere
künstlerische Thätigkeit förmlich erzogen. Das Zeichnen ist dem Ja-
paner viel geläufiger, als Tausenden bei uns das Lchreiben, und dem
reichen Ouell seines Jahrtausende alten Sagenkreises, seinen Jahr-
hunderte alten, auf feinster Naturbeobachtung fußenden Dichtungen
entnimmt er wohl nicht allegorische und emblematische Motive, sondern

volle historische Reminiscenzen und Des-
(, sins, die das schönste Zeugniß für

! / dessen Beherrschung der Natur-
' ^ formen abgeben. Ein paar

Lpargelköpfe, eine Hacke und ein
Hut, die wir auf irgend einem
Gegenstände oder Stoffe vor-
finden, sind für uns ganz un-
verständlich, eine Nachahmung
eines solchen „Musters" müßte
als gedankenlos bezeichnet werden,
aber den Japanesen erinnern sie
an eitle in der Zugend oft ge-
hörte Erzählung von einem treu-
en Lohne, der, um seine kranke
Mutter durch Lpargelgenuß zu
retten, in die schreckliche Gebirgs-
wildniß vordrang, um Spargel
zu suchen und zu finden. Eine
Unzahl Häschen auf einem Stoffe
eingestickt, dazwischen Airsch-
blüthe und Schneekristalle, die für
uns etwas ganz Zusammenhang-
loses bedeuten, sind für den Japaner
ein Sinnbild der Freunde des Dichters.
Wollen wir daher die Japaner nachahmen, so dürfen wir nicht sklav-
isch ihre für uns unverständlichen Formen und Zeichen kopiren, sondern
wir sollen, eingedenk der Wahrheit, daß alle Aunst eine nationale,
eine volksthümliche sein muß, daß eine internationale Aunst keine
Aunst ist, eingedenk des reichen künstlerischen Erbtheils, dessen wir uns
erfreuen, dahinstreben, unsre Aunst wieder auf unsre volksthümliche

und die Lieblingsfaktors in der Schreibstube nahm er nicht selten zum
Mittagsmahls mit. Er sah es gern, wenn Bekannte ihn Abends
in dem Garten besuchten. Er politisirte gerne und hatte oft einen
richtigen Blick in die Zukunft. Er war freigebig in hohen: Grade.
Bisweilen überraschte ihn eine große Abneigung gegen den Gelehrten-
chand. Er dachte über die wichtigsten Dinge Heller, als er selbst
wußte, ja er erschrack gleichsam, wenn er sich selbst auf freieren
Ansichten, wie er meinte, ertappte. Er hatte als Jüngling selbst in
philosophischen Schriften gelesen. Bei seinen übergroßen Geschäften
sahen wir ihn freilich wenig. Daher kam es auch, daß wir mehr
Ehrfurcht für ihn empfanden, als trauliche Zärtlichkeit. Doch liebten
wir ihn im Grunde der Seele, und seine Grundsätze, seine Lehren,
sein einfaches Leben wirkten wohlthätig auf uns."

Das ist die Schilderung eines Familienlebens, das sich in strenger
Sittlichkeit und nicht gewöhnlicher Geisteskraft der einzelnen Familien-
mitglieder aufbaut, ein Familienleben, sowohl den Eltern wie den
Aindern eine Quelle lauterster Gefühle und reinster Lust, daneben ein
unversiegbarer Born ethischer Erhebung und Begeisterung. Es war
ganz natürlich, daß ein solches harmonisches Familienleben auf die
wohnliche Ausstattung des Hauses einen weitgehenden Einfluß aus-
üben mußte, denn die wahre Wohnung des Familienglückes wieder-
spiegelt in treuer Form die Gesinnung und den Aarakter der In-
wohner.

Wie anders ist dieses Leben nach den Befreiungskriegen. Der
Staat lag völlig ohnmächtig darnieder. Der Nationalwohlstand war
geschwunden, das Volk selbst erschöpft und zum Tode ermattet. Die
Aecker waren verwüstet, Dorf- und Stadtgemeinde tief verschuldet.
Es bedurfte schon langer Anstrengungen und das Aufgebot der
äußersten Mittel, um das schwache Leben der Nation noch kümmerlich

zu fristen. Doch allmälig kam auch dieses wieder ins Glimmen,
hie und da setzten sogar kleine Flammen an, bis dann die Erfolge
und Bestrebungen der romantischen Periode in Frankreich zur Zeit
der Restauration auch nach Deutschland frische Impulse eines gesell-
schaftlichen Lebens, das auf das Familienleben wohlthätig zurückwirkte,
brachten. Die nationale Arbeit wurde wieder im ganzen Umfange
aufgenommen. Um das Jahr (850 sehen wir wieder allenthalben
reges Leben und emsige Thätigkeit. In der Folgezeit trat dann der
Süden Deutschlands in den Vordergrund, und mit ihn: nahm auch
die Aunst ihren Einzug und wirkte veredelnd auf die gesummte Aultur.
Im Leben des Einzelnen bricht nun die Zeit der Aämpfe um das
ideale Ziel des geeinigten Deutschen Reiches an. Aber noch Jahre
sollten vergehen. Wohl sprach Sybel bereits (86( das prophetische
Wort: „So sicher, wie die Ströme seewärts fließen, wird es zu einem
Bunde der Deutschen unter Preußens Leitung kommen." Das ge-
schah in einer Schrift: „Die deutsche Nation und das A ai s e r r e i ch",
und nicht lange Zeit nachher konnte Aaiser Wilhelm im konstituiren-
den Reichstage des Norddeutschen Bundes im Weißen Saale des
Schlosses in Berlin die Worte ausrufen: „Möge durch unser gemein-
sames Werk, der Traum von Jahrhunderten, das Sehnen und Ringen
des jüngsten Geschlechtes der Erfüllung entgegengeführt werden."
Und es ward ihr entgegengeführt und glänzend verwirklicht. Es kam
über Deutschland herauf, wie das Frühlingsstürmen zur Zeit der
Renaissance. Reiche Mittel flössen zu, Handel und Wandel nahmen
ungeahnte Ausdehnung an, Aunst und Wissenschaft entfalteten sich
allenthalben in herrlichster Blüthe. Das deutsche Volk steht im
Zeichen hohen Ruhmes und gegründeten Wohlstandes. Der Einzelne
nimmt daran Theil und überträgt ihn auf die Angehörigen seiner
Familie. (Fortsetzung Seite dieses Heftes.)
 
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