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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Bodenschatz, Lorenz: Ausschmückung und Einrichtung der Wohnräume, [4]: unter besonderer Berücksichtigung der Wahl der Tapeten bei den einzelnen Zimmern
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Juli-Heft.

Illustr. kun st g e w e r b l. Zeitschrift für „I nn en-D eko r at io n".

Seite 99-

MuKfchmückung unö Dinrichkung öev "'Mol)tträttme

^nier kefonöerer Herücksichügung der Kahl öer Gaxeien kei den einzelnen Zimmern.


Von Lorenz Bodenschatz.

(Schluß.)

;an bedenke bei Auswahl von Schlafzimmertapeten wohl,
daß wir durch Krankheit leider manchmal genöthigt sind,
Tage, ja Wochen lang im Schlafzimmer zubringen zu
müssen, daß alsdann der fortwährende Anblick einer unruhig
wirkenden Wand zur Anal werden kann. Jakob von
Falke sagt deshalb in Bezug auf die Dekoration des
Schlafzimmers sehr richtig: „Im Schlafzimmer muß
auf! jeden Fall Ruhe herrschen, eine Ruhe, bei der
angenehme Töne zu einer milden, dämmernden
Harmonie, zu einer warmen Zwielichtstimmung
zusammenfließen. Nichts darf vortreten, nichts
stören, nichts sich vorlaut bemerkbar machen.

Wer also eine vollständig ruhige Wand
vorzieht, der wähle eine einfarbige Tapete in
einem gebrochenen Farbenton, oder eine Ton
in Ton gehaltene Tapete, d. h. eine solche,
worauf das Wüster in der gleichen Farbe
— nur einen Ton Heller oder dunkler wie
der Grund — aufgedruckt ist.

Wit den bis jetzt beschriebenen Zim-
mern wären nun diejenigen Räumlichkeiten,
welche für den gemeinschaftlichen
familiären Gebrauch bestimmt sind, erschöpft.

Es erübrigt nun noch einige für den spe-
ziellen persönlichen Gebrauch bestimmte
Zimmer zu erwähnen, und beginnen wir
zunächst mit dem wesentlichsten, dem
AröriksIinmrer.

Wenn auch der Fabrikant und der
Kaufmann ihre Haupt-Arbeitszimmer in den
Eomptoirs, die Beamten aus den Bureaux
haben, so beschäftigen sich doch viele der
selben in ihren Mußestunden mit wissenschaft-
lichen oder sonstigen Arbeiten, die auch für
diese Herren ein Arbeitszimmer in der Privat-
wohnung wünschenswert!) machen, haupt-
sächlich aber ist ein solches nothwendig für
den Gelehrten und für eine große Anzahl
derjenigen, denen das beneidenswerthe Loos
beschieden, frei von des Daseins Sorgen,
ihren Lieblingsstudien obliegen zu können,
oder denen die Vermögensverwaltung und
dergleichen nöthige Arbeit verursacht.

Soll dieses Zimmer ausschließlich eine
Stätte der Arbeit sein, so muß der Tharakter
-er Einfachheit vorherrschen, damit die
Gedanken nicht durch allzureiche Ornamentik
abgelenkt werden. Eine einfarbige matte
oder Wolltapete mit einfacher Borden-Ein-
sassunIKoder einer Einfassung mit Friesen
und Holzleisten dürfte hier schon genügen.

Soll jedoch das Zimmer gleichzeitig auch als

Herrenzimmer

dienen, als ein Raum, in welchem der Hausherr nebenbei auch seine
intimen Freunde empfängt — zum vertraulichen Gespräche bei dem
Genüsse einer Ligarre — so dürfte schon etwas mehr Luxus entfaltet,
die Wand in diesem Falle reicher dekorirt werden.

hier würde sich bei reicheren Wittein eine gepreßte Leder-
tapete, bei bescheidenen Ansprüchen eine Stoff-Imitation oder
eine auf Goldgrund gemusterte lackirte Tapete eignen. Einige
gute Kunstwerke, einige Bilder oder Büsten von Koryphäen der
Kunst oder Wissenschaft, welcher der Besitzer vorzugsweise huldigt,
sind als Ausstattungsstücke hier sehr am Platze. Letztere ergeben sich
indeß schon von selbst und drücken diesem Zimmer den jeweiligen
Tharakter aus; denn es ist wohl überflüssig, zu sagen, daß das Ar-

beitszimmer eines Geistlichen einen anderen Tharakter zeigt, als das
eines Sportsmannes, das Zimmer eines Arztes ein anderes Ansehen
hat, wie das eines Offiziers, Gutsbesitzers oder eines Jägers. —
haben wir dem Hausherrn eine Stätte der Arbeit und
des Empfanges intimer Freunde zugetheilt, so gebührt der
heutigen Hausfrau, die auf feine Lebensgewohnheiten
zu halten bestrebt ist, naturgemäß ihr

Woudoiv oder Dmnenzimmev,
in welches sie sich zu stiller Betrachtung oder süßer
Träumerei zurückziehen kann, wo sie — im Gegen-
satz zum Salon, der für größere Gesellschaften
bestimmt ist — ihre vertrautesten Freundinnen
empfängt. Dieser Raum kann schon mit ganz
besonderem Luxus ausgestattet sein, und auch
hier wird sich wohl von selbst nach und
nach ansammeln, was den Karakter der
Bewohnerin dieses Raumes kennzeichnet.

hier ist die Stätte, wo sie ihre theuer-
sten Andenken aufbewahrt, hier werden die
vielerlei nöthigen und unnöthigen Gegen-
stände des modernen Luxus, Geburtstags-
Geschenke usw. niedergelegt, die bei Be-
suchen genügenden Stoff zur Betrachtung und
anregender Unterhaltung bieten.

Als Wandbekleidung möchten wir da-
her seidenstoffartige Tapeten, oder
die in zarten, rosa, hellgrünen oder hellblauen
Tönen gehaltenen Stickerei-Tapeten em-
pfehlen, welche mit einer passenden Borden-
und Goldleisten-Einfassung für ein derartiges
Zimmer sehr geeignet sind und dessen Be-
stimmung an: Besten zum Ausdruck bringen.

Als letztes unserer Betrachtung wollen
wir noch das fast nirgends fehlende
KremdrnIimmrv
mit wenigen Worten erwähnen.

Die Ausübung der Gastfreundschaft
ist eine unsrer heiligsten Pflichten, und wir
können gewiß oft beobachten, wie beim Ein-
treffen eines lieben Gastes jedes Familien-
mitglied sich bemüht, demselben den Aufenthalt
so angenehm wie möglich zu machen. So
soll denn auch das Zimmer, welches dem-
selben angewiesen ist, einen behaglichen Ein-
druck machen, damit er sich darin wohl fühlt
und das eigene heim so wenig wie möglich
in der Zeit seines Besuches vermißt.

Da dieses Zimmer in den meisten Fällen
Wohn- und Schlafzimmer zugleich ist,
so ist auch die Ausschmückung desselben in
diesem Sinne zu halten, und dürften hier die
Tretonnetapeten Anwendung finden, und
zwar (wie dies wohl in jeder größeren Hand-
lung zu ermöglichen sein wird) solche, wozu die Stoffe für Wöbel und
Vorhänge in den gleichen Dessins und Farben zu haben sind. Auch
in etwas dunkleren Farben gehaltene stoffliche Tapeten, mit
hübscher, kräftig abschließender Borde, sind zu empfehlen. Ein Divan
zum Ausruhen, ein Schreibtisch zur Erledigung der Korrespondenzen
sind nothwendige Möbel und durch einige leicht zu verstellende Dekora-
tionsstücke, Bilder, Nippes usw. kann man in Etwas auch hier den:
speziellen Geschmack und Karakter des Besuchers Rechnung tragen.
— Im Anschluß an die vorstehenden Betrachtungen werden wir im
nächsten Heft noch einige allgemeine Bemerkungen bringen, dis
bei Auswahl der Tapeten in Bezug auf Beleuchtung, Harmonie
nebeneinander liegender Zimmer usw. zu berücksichtigen sind.
 
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