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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Moderne Möbel
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Böttcher, F.: Der Einfluß Chinas auf die Entwicklung des Rokokostils
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0137

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Seite f(6.

August-Heft.

Illustr. kun stg ew e rb l. Zeitschrift für „I n n e n - D e ko ra t i o n".

sucherinnen Hervorrufen muß. von ganz apartem Reiz ist die feinfühlige Farben-
abstimmung dieses Gemaches, von lichtem Gräme bis in die dunkelsten Töne des
„Tabak." Die bunten Kelche einer venetianischen Glaskrsne
schmiegen sich im Erker aneinander. Die allerliebsten ko-
ketten Fauteuils in Malven mit fraise eerases tragen auf
der Rücklehne.sehr zierliche Dessins aus der Aubusson-
Manufaktur. Zu dem Rokoko-Vfen in seiner verschnörkel-
ten Anmuth denkt man sich unwillkürlich eine Schöne
mit gepudertem Haar, welche die rothhackigen Füßchen
gemächlich den wärmenden Flammen zustreckt. Ein Holz,
scheitkorb in Gestalt eines Ritterhelms steht neben dem
Kamin. Lin Paravent mit prachtvoller Seidenstickerei hat
eine sehr merkwürdige Herkunft; er stammt nämlich von
der Stola irgend eines ehrenwertsten katholischen Priesters
ab. Sehr reizend ist ein isabellenfarben lackirter Salon -
schlitten — nach einem Vorbild in Klein-Trianon —- in
welchem sich die Dame des Hauses so bequem über den
Teppich schieben lassen kann. Spiegeltragende Amoretten,
an der wand apxlizirte Handstickereien, echte Bronzen
und eine Vernis-IVIsrtiu-Vitrine vervollständigen die Ein-
richtung dieses Jimmerchens, welches ein wahrer Schmuck-
kasten ist! Lin grüner Salon im Stile Louis XIV. reiht sich
würdig dem Boudoir an. Die vergoldeten Möbel mit
erbsengrünen bloire-Lntigue-Stoffen und die grün- und
goldlackirten mit mattrosa Polstern bringen, vereint mit
dem grünlichen Ton der Gobelins und all' dem übrigen ent-
sprechend gehaltenen Zubehör, eine unbeschreiblich delikate
Stimmung hervor.

Hier sowohl wie in allen übrigen Interieurs fühlt
man das Walten eines feinfühligen und feinberechnenden
Geschmackes, eines künstlerischen Geistes. Wir erwähnen
an dieser Stelle nur noch ein stumpf gehaltenes und
dunkel getöntes Herren-Renaissance-Zimmer, dessen hopfen-
leinene Vorhänge mit echten Gürteln besetzt sind, auf
dessen Buchara-Kissen es sich vortrefflich ruhen und eine
Havanna schmauchen lassen muß, und einen bis in die
kleinste Einzelheit streng durchgeführten japanischen Früh-
stückssalon, der allein eine Sehenswürdigkeit ist. Das ge-
summte leichte Mobiliar dieses Zimmers, über welches eine
heitere Buntheit ansgebreitet ist, ist aus Bambusrohr ge-
fertigt; die kostbaren Wandtapisserien, die wunderbare
originelle, achteckige, von der Decke herabhängende Ampel,
ein Tischlein mit einem japanischen „Geschenktuch", das
Blumen und Vögel in erhabener Stickerei aufweist, die
Kästchen und Lmail-Lloisonne-Gefäße, die Dolche, Fächer
und was der japanischen Bibelots noch mehr sein mögen

— all' das vereint

sich in meisterhaftem Arrangement zu einem
fantastisch-farbigenGesammtbild von märchen-
haftem Reiz. Sehr gefällig repräsentiren sich
zu beiden Seiten die japanischen Frühstücks-
Anrichte-Tische, und drollich-plump nimmt
sich eine Fußbank, ein abgesägter, leibhaftiger
Llefantenfuß aus. Vb stch der Dickhäuter das
wohl je hätte träumen lassen, als er noch
in seiner sonnigen Heimath wuchtig dahin-
stamxfte? —


Papier sn Stelle de» Holxes als
Waumalevlal. Lines der größten Ge-
bäude in Norddeutschland ist ein neues, eben
vollendetes Hotel in Hamburg, welches, wie
wir dem „Holzarbeiter" entnehmen, ganz aus
die Härte besitzenden Papierbrettern gebaut
ist. Lin vortheil, den man bei diesem Bau-
material am wenigsten erwarten sollte, ist
dessen Feuersicherheit. Durch Imprägnirung
des Baumateriales mit gewissen chemischen
Präparaten soll dasselbe nicht nur vollständig
feuersicher gemacht werden können, sondern
es wird dadurch auch eine Sicherung gegen
die Angriffe schädigender Insekten geboten.
Deshalb erscheint dieses Baumaterial auch
für gewisse amerikanische Tropengcgenden
sehr empfehlenswerth. Bekanntlich gibt es
namentlich in den Flußthälern solcher Troxen-
gegenden Ameisenarten, welche dem Holz sehr
gefährlich werden, ja schon größere Gebäude
im Laufe eines einzigen Monats zerstört haben.
Wenn, wie wohl anzunehmen, die zu dem
angegebenen Zwecke verwendete Paxiermaffe
zum großen Theile ;aus Holz besteht, so wäre das „Paxierbrett" ein nicht allzu-
gefährlicher Konkurrent des Bauholzes.

Abbildung Nr. 2ZZ.

Disch mil Nupfrvvsfe.

Ausgef. von Paul Markus, Berlin.

Einfluß Minnas auf Sie

mLlkeMng öes Eokokostikes.

or einiger Zeit hielt der Architekt, Herr
Cornelius Gurlitt im Kunstgewerbeverein
Dresden einen hochinteressanten Vortrag über
den Einfluß Lhina's auf den Rokokostil, welcher
von den Anwesenden mit vielem Beifall ausgenommen
wurde. Zunächst schilderte der Redner den Einfluß,
welchen die Mauren, später die Chinesen und Japaner
auf die Entwickelung unsres Kunstgewerbes schon in
frühesten Zeiten ausgeübt hätten, erinnerte an die Arbeiten
und Entwürfe eines Peter Flötner, welche den Einfluß
des maurischen Stiles erkennen ließen und machte hierbei
noch aus die Waffen und Rüstungen, welche in diesem
Stile ornamentirt im historischen Museum (Iohanneum)
in Dresden sich befinden, aufmerksam. Alsdann schilderte
der Redner in allgemeinen großen Zügen, welchen Einfluß
die Kunst Japans, namentlich aber Chinas auf die Kunst
Europas und der verschiedenen Völker dieses Erdtheiles
ausgeübt hätte, und erwähnte, daß während die Italiener
als Missionare nach dem fernen Msten gingen, um da-
selbst das Christenthum zu verbreiten, und der in Rom
lebende Jesuit Kircher (ein Deutscher) die Kunst der
Chinesen wissenschaftlich beschrieb, gingen die Holländer
nach China, um Handelsgeschäfte im ausgedehntesten
Maße zu treiben. Sie verschifften europäische waaren
nach China und nahmen chinesische, namentlich Seidenstoffe,
Lack und porzellanwaaren, mit nach Europa zurück, suchten
die letzteren auch nachzuahmen und erreichten dies mit
Glück in Delft, woselbst nach chinesischen Vriginal-
zeichnungen Gefäße angefertigt und dekorirt wurden, um
von da überall hin versandt zu werden, so daß sich noch
heute in vielen Herrschaftssitzen und Sammlungen Delfter
Gefäße befinden. In Frankreich traf über Holland der
Sinn für das Chinesische gleichzeitig mit der Absicht und
dem verlangen, die antiken Formen wieder einzuführen, zu-
sammen. Man fand namentlich das dem Marmor ver-
wandte Weiß, hervorragend schön, vornehm und elegant,
so daß König Ludwig XIV. der erste war, welcher das Sil-
bertafelgeschirr abschaffte und an dessen Stelle weißes Por-
zellan einführte und zur Verwendung brachte.

In Deutschland huldigte man zu dieser Zeit (Zeit
Gußwerk. August des Starken) namentlich in Sachsen, dem Rokoko-

stil und war es nicht zu verwundern, wenn das Por-
zellan mit seiner weißen Farbe freundliche Aufnahme fand. — Die einschneidendste
Bedeutung erlangte aber Lhina's Einfluß auf England. Nicht nur daß Stoffe,
Lacke und Porzellanwaaren, Drehereien und Schnitzereien von Elfenbein vielfach
gekauft und nachgeahmt wurden, sondern auch die bis jetzt üblich gewesenen
Gartenanlagen, die architektonisch
gradlinigen des französischen Stiles
wurden nicht mehr beliebt, sondern
die malerischen chinesischen mit
Thürmen, Kiosken; Brücken usw.

Der Architekt Lhambres errichtete
die ersten sogenannten „englischen
Gärten" nach den in China er-
lernten Grundsätzen. Später ge-
sellten sich künstliche Ruinen, Ein-
siedeleien, Grotten usw. hinzu,
welche die Neigung der Engländer
für das Mittelalterliche bekundeten
und bald für das übrige Europa
maßgebend wurden. So finden sich
noch interessante Beispiele dieser
Art in der Eremitage in Bayreuth,

Wilhelmshöhe bei Kassel, Pillnitz
bei Dresden, Schönbrunn und Laxen-
burg bei Wien u. A. Der Natu-
ralismus wurde leider in seine»
schlimmsten Formen maßgebend
und war die Folge der Begeisterung
für China. Der Redner nannte die

Farblosigkeit u. den Naturalismus Abbildung Nr. 2 ZS.

die schlimmen Folgen. Er warnte lvafe Mlk Wlumenstrauß f. elckv. Nilhk.
vor allzugroßer Nachahmung der "-sg-führ. ->°n L-,m L Berlin.

Werke Lhina's, wenn es auch freudig zu begrüßen sei, daß durch das Bekannt-
werden mit fremden Völkern, deren Kunst und Gewerbe, Sitten und Gebräuche
neue Ideen in unsre Kunstindustrie eingeführt, hierdurch neue Absatzwege er-
schlossen würden, so sei doch ein „Maßhalten" vor allen Dingen auch hierin nament-
lich recht nothwendig. F. Böttcher.

Abbildung Nr. 2Z-Z. Mandelabev.
 
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