November-Heft.
Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „I nn e n - D e k o r a t ion".
Seite (59-
findet. Und so verschieden wie die aus dem Programm sich ergebende
Raumgestaltung wird auch die Stimmung in dem einen und dem
andern dieser Räume sein. Im Theater, wo wir mit einem Blick
das Haus mit allen seinen Besuchern umfassen, werden wir uns in
behaglicher Gemeinsamkeit fühlen mit
einer genußfrohen Menge, deren Ge-
danken alle erwartungsvoll auf den
noch gesenkten Vorhang gerichtet sind,
uni bald in gemeinsamem Mitem-
pfinden dem heiteren oder erschütternden
Vorgang aus der Bühne zu folgen.
Wie anders im gothischen Dom. Die
unendliche pfeilertheilung, die uns den
Raum nie ganz zu übersehen gestaltet,
läßt unsere Phantasie denselben bis zur
Unendlichkeit, bis zum Vergessen des
Menschenwerks ausdehnen und leitet
unser Empfinden vom Irdischen ab;
„schwindet ihr hohen Wölbungen dro-
ben" — möchten wir mit Faust aus-
rufen, um unserem Geiste Flügel zum
Aufschwung in das Unendliche zu ver-
leihen.
Sind auch die Wirkungen, welche
dem Dekoratör in seinen alltäglichen
Aufgaben begegnen, weniger ernster
und feierlicher Natur, so wird er gleich-
wohl in allen Fällen mit der Raum-
gestalt zu rechnen haben, ja, je kleiner
seine Ausgaben sind, um so mehr wird
es auf ein wohlbedachtes Abwägen
von Länge, Breite und Höhe, auf eine
richtige Wahl der Deckenform und ähn- Abbildung Nr. 2-is. -Herren
liche Rücksichtnahmen ankommen. Jeder
weiß, wie schlecht ein Zimmer wirkt,
bei dem alle Abmessungen, Länge, Breite und Höhe gleich sind, das
also die Form eines Würfels hat. Ganz rathlos pflegt der Dekoralör
auch einem Raum gegenüber zu stehen, bei welchem die Höhenent-
wickelung zu stark überwiegt; ein Fall, der bei sehr großen Etagen-
Au-g-fiihrt von Btto jritzsch e, Mönchen.
höhen vorkommt, wenn in die Flucht großer Zimmer, aus welche
diese Höhe berechnet ist, sich ein kleineres Gemach eingeschaltet findet,
dem dann ein thurmartiger Karakter innewohnt. Ein einfaches
Mittel, ihm den letzteren zu nehmen, nämlich die Anbringung einer
niedrigeren Decke unter der eigentlichen
Balkenlage, kann man in vielen alten
Schlössern studiren.
In den meisten Fällen werden dem
Dekorationskünstler vorhandene Räume
als Feld seiner Thätigkeit überwiesen,
bei denen es ihm dann obliegt, die
Vorgefundenen Fehler der Raumwirkung
zu verbessern. So wird er versuchen
müssen, allzu gestreckte, korridorartige
Zimmer durch eine, durch Säulen oder
Portieren herbeigeführte Theilung für
das Auge in zwei angenehmer geformte
Räume zu zertheilen. Allzu großer oder
allzu geringer Höhe wird er, außer mit
andern Mitteln, beispielsweise mit der
bekannten Erfahrung beizukommen
suchen, daß jede Gestalt durch eine sehr
bemerkbare Horizontalstreisung niedriger,
durch Senkrechtstreisung höher erscheint.
Nach letzterem Rezept hat z. B. Gedon
einem für seine Ausdehnung allzu
niedrigen Festsaal im Schloß zu Det-
mold aufgeholsen, indem er zur Be-
spannung der Wände abwechselnd eine
Bahn Plüsch und eine Bahn eines atlas-
artigen Wollstoffes von gleicher Farbe
benutzte. Auch indem man die Wand-
farbe in einem breiten auf die Decke
gemalten Fries in letztere übergreifen
läßt, kann man die Höhe scheinbar
steigern, wie umgekehrt eine große in der Farbe der Decke gehaltene
Voute, welche den obersten Theilj-der wand einnimmt, die letztere
und damit das ganze Zimmer niedriger erscheinen läßt.
Ist die Raumwirkung meist etwas durch das Verhältniß der
ZNINIlev. (Liehe Beschreibung.)
der Kunstschmiede aus dem XVlI. und XVIII. Jahrhundert, stammen
nicht aus dem Bürger- sondern aus dem Patrizierhause, oder aus dem
Besitz reicher Adelssamilien.
Die Wohnhäuser der alten Kaufherren und Geschlechter waren
in der Thal wohnlicher und reicher ausgestattet, wie der Sitz manches
Dynasten, und der Burgstall des Landadligen konnte damit gar nicht
verglichen werden. Die reichen Handelsherren wetteiferten mit den
Fürsten in Pracht, Ueppigkeit und, genau wie heute auch, bemühten
sich manche Wohlhabende es den Reichen gleich zu thun. Aber das
Letztere gilt nicht als Regel, sondern es ist die Ausnahme. Schon
Hans Sachs erwähnt sin einem anderen Gedichte) „köstliche Tapeze-
re-yen und gemalte Tafeln (Bilder) an den Wänden in den Häusern
der Reichen, und (565 zieht Lyriacus Spangenberg in der Vorrede
zu Joachim westphal's Schrift wider den „Hoffartsteuffel", gegen
den herrschenden Luxus zu Felde indem er sagt: „Eine andere Art
des Weltstolzes besteht in schönen, weichen, wohlbereiteten Betten,
Kissen, Pfühlen, Polstern, Decken, Vorhängen und Tapezereyen, da es
Alls muß Sammet, Seiden, Earlaken (Scharlach?) und andrer
köstlicher Gattung se^n, mit güldnen Knäufen, Fasen und Zasen
(Franzen) und die Bettsponden von köstlichem Holz kunstreich aus-
gearbeitet, geschnitzet, versetzet, verblümet, gcmalct und dergleichen;
mit welcher phantastischer Hoffarth jetzt die Welt viel Thorheit begehet,
daß auch etliche, so das Geld wohl in andre Wege besser anzuwenden
schuldig, HO, 60 und in die 80 Floren (Gulden) für eine Kinderwiege
um lausiger prachts willen ausgeben."
Es ist auch wirklich ganz erstaunlich, welche Unsummen Geldes
von den alten Patriziern für die Herstellung ihrer Wohnungen ver-
wendet wurde. Wollte der Architekt heute einem unserer Börsenbarone
oder Ritter vom Geldsach zumuthen, für die bauliche Einrichtung
eines einzigen Zimmers HO bis 50,000 Mark herzugeben, so würde
der Auftraggeber wohl die leise Anfrage an ihn richten, ob es mit
seinem Verstände nicht ganz in Ordnung sei. Und doch giebt es in
noch erhaltenen Patrizierhäusern aus dem XVII. Jahrhundert Wohn-
gemächer, welche für solchen Preis heute kaum hergestellt werden
könnten. Erst bei dem Betrachten eines solchen Raumes erhält nian
einen Begriff von der Pracht, mit welcher die alten Kaufherren
ihre Häuser ausschmückten.*)
Das leistet sich in unseren Tagen selbst ein sehr reicher Mann
nur äußerst selten, und die Architekten haben oft mit großen Schwierig-
keiten zu kämpfen, wenn von ihnen die Einrichtung eines altdeutschen
Zimmers verlangt wird. Da heißt es gewöhnlich mit wenig Mitteln
möglichst viel leisten, deshalb bildet man die kassettirte, geschnitzte
Holzdecke in Gyps nach; die mannshohe künstlerisch geschnitzte Holz-
vertäfelung der Wände ersetzt man durch eine glatte Holzverschalung
auf die man ausgesägte oder aus Papiermasse gepreßte Ornamente
aufnagelt. Setzte der alte Patrizier seinen Stolz darin, die einzelnen Decken-
felder mit Bildern von der Hand der bedeutendsten Maler zu schmücken, so
genügt unfern modernen Patriziern schon eine krause, oft recht bunte
Dekorationsnialerei, wie denn auch die alten, kostbaren Holzintarsien
vollständig durch Schablonenmalereien ersetzt werden. Selbst bis
auf die Thürschlösser erstreckt sich die billige, häufig recht ungeschickte,
Nachahmung, denn gravirte, künstlerisch ausgeführte Schloßschilder
wie sie das XVI. und XVII. Jahrhundert hervorbrachten, sind theuer,
also behilft man sich mit einem in Eisen getriebenen Ungeheuer, an
dem sich jeder die Hände zerkratzt und zerstößt.
*) Siehe Hellcrhaus in Nürnberg, Fursteneck in Frankfurt a. N.
(Fortsetzung auf Seite ;6S dieses Heftes.)
Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für „I nn e n - D e k o r a t ion".
Seite (59-
findet. Und so verschieden wie die aus dem Programm sich ergebende
Raumgestaltung wird auch die Stimmung in dem einen und dem
andern dieser Räume sein. Im Theater, wo wir mit einem Blick
das Haus mit allen seinen Besuchern umfassen, werden wir uns in
behaglicher Gemeinsamkeit fühlen mit
einer genußfrohen Menge, deren Ge-
danken alle erwartungsvoll auf den
noch gesenkten Vorhang gerichtet sind,
uni bald in gemeinsamem Mitem-
pfinden dem heiteren oder erschütternden
Vorgang aus der Bühne zu folgen.
Wie anders im gothischen Dom. Die
unendliche pfeilertheilung, die uns den
Raum nie ganz zu übersehen gestaltet,
läßt unsere Phantasie denselben bis zur
Unendlichkeit, bis zum Vergessen des
Menschenwerks ausdehnen und leitet
unser Empfinden vom Irdischen ab;
„schwindet ihr hohen Wölbungen dro-
ben" — möchten wir mit Faust aus-
rufen, um unserem Geiste Flügel zum
Aufschwung in das Unendliche zu ver-
leihen.
Sind auch die Wirkungen, welche
dem Dekoratör in seinen alltäglichen
Aufgaben begegnen, weniger ernster
und feierlicher Natur, so wird er gleich-
wohl in allen Fällen mit der Raum-
gestalt zu rechnen haben, ja, je kleiner
seine Ausgaben sind, um so mehr wird
es auf ein wohlbedachtes Abwägen
von Länge, Breite und Höhe, auf eine
richtige Wahl der Deckenform und ähn- Abbildung Nr. 2-is. -Herren
liche Rücksichtnahmen ankommen. Jeder
weiß, wie schlecht ein Zimmer wirkt,
bei dem alle Abmessungen, Länge, Breite und Höhe gleich sind, das
also die Form eines Würfels hat. Ganz rathlos pflegt der Dekoralör
auch einem Raum gegenüber zu stehen, bei welchem die Höhenent-
wickelung zu stark überwiegt; ein Fall, der bei sehr großen Etagen-
Au-g-fiihrt von Btto jritzsch e, Mönchen.
höhen vorkommt, wenn in die Flucht großer Zimmer, aus welche
diese Höhe berechnet ist, sich ein kleineres Gemach eingeschaltet findet,
dem dann ein thurmartiger Karakter innewohnt. Ein einfaches
Mittel, ihm den letzteren zu nehmen, nämlich die Anbringung einer
niedrigeren Decke unter der eigentlichen
Balkenlage, kann man in vielen alten
Schlössern studiren.
In den meisten Fällen werden dem
Dekorationskünstler vorhandene Räume
als Feld seiner Thätigkeit überwiesen,
bei denen es ihm dann obliegt, die
Vorgefundenen Fehler der Raumwirkung
zu verbessern. So wird er versuchen
müssen, allzu gestreckte, korridorartige
Zimmer durch eine, durch Säulen oder
Portieren herbeigeführte Theilung für
das Auge in zwei angenehmer geformte
Räume zu zertheilen. Allzu großer oder
allzu geringer Höhe wird er, außer mit
andern Mitteln, beispielsweise mit der
bekannten Erfahrung beizukommen
suchen, daß jede Gestalt durch eine sehr
bemerkbare Horizontalstreisung niedriger,
durch Senkrechtstreisung höher erscheint.
Nach letzterem Rezept hat z. B. Gedon
einem für seine Ausdehnung allzu
niedrigen Festsaal im Schloß zu Det-
mold aufgeholsen, indem er zur Be-
spannung der Wände abwechselnd eine
Bahn Plüsch und eine Bahn eines atlas-
artigen Wollstoffes von gleicher Farbe
benutzte. Auch indem man die Wand-
farbe in einem breiten auf die Decke
gemalten Fries in letztere übergreifen
läßt, kann man die Höhe scheinbar
steigern, wie umgekehrt eine große in der Farbe der Decke gehaltene
Voute, welche den obersten Theilj-der wand einnimmt, die letztere
und damit das ganze Zimmer niedriger erscheinen läßt.
Ist die Raumwirkung meist etwas durch das Verhältniß der
ZNINIlev. (Liehe Beschreibung.)
der Kunstschmiede aus dem XVlI. und XVIII. Jahrhundert, stammen
nicht aus dem Bürger- sondern aus dem Patrizierhause, oder aus dem
Besitz reicher Adelssamilien.
Die Wohnhäuser der alten Kaufherren und Geschlechter waren
in der Thal wohnlicher und reicher ausgestattet, wie der Sitz manches
Dynasten, und der Burgstall des Landadligen konnte damit gar nicht
verglichen werden. Die reichen Handelsherren wetteiferten mit den
Fürsten in Pracht, Ueppigkeit und, genau wie heute auch, bemühten
sich manche Wohlhabende es den Reichen gleich zu thun. Aber das
Letztere gilt nicht als Regel, sondern es ist die Ausnahme. Schon
Hans Sachs erwähnt sin einem anderen Gedichte) „köstliche Tapeze-
re-yen und gemalte Tafeln (Bilder) an den Wänden in den Häusern
der Reichen, und (565 zieht Lyriacus Spangenberg in der Vorrede
zu Joachim westphal's Schrift wider den „Hoffartsteuffel", gegen
den herrschenden Luxus zu Felde indem er sagt: „Eine andere Art
des Weltstolzes besteht in schönen, weichen, wohlbereiteten Betten,
Kissen, Pfühlen, Polstern, Decken, Vorhängen und Tapezereyen, da es
Alls muß Sammet, Seiden, Earlaken (Scharlach?) und andrer
köstlicher Gattung se^n, mit güldnen Knäufen, Fasen und Zasen
(Franzen) und die Bettsponden von köstlichem Holz kunstreich aus-
gearbeitet, geschnitzet, versetzet, verblümet, gcmalct und dergleichen;
mit welcher phantastischer Hoffarth jetzt die Welt viel Thorheit begehet,
daß auch etliche, so das Geld wohl in andre Wege besser anzuwenden
schuldig, HO, 60 und in die 80 Floren (Gulden) für eine Kinderwiege
um lausiger prachts willen ausgeben."
Es ist auch wirklich ganz erstaunlich, welche Unsummen Geldes
von den alten Patriziern für die Herstellung ihrer Wohnungen ver-
wendet wurde. Wollte der Architekt heute einem unserer Börsenbarone
oder Ritter vom Geldsach zumuthen, für die bauliche Einrichtung
eines einzigen Zimmers HO bis 50,000 Mark herzugeben, so würde
der Auftraggeber wohl die leise Anfrage an ihn richten, ob es mit
seinem Verstände nicht ganz in Ordnung sei. Und doch giebt es in
noch erhaltenen Patrizierhäusern aus dem XVII. Jahrhundert Wohn-
gemächer, welche für solchen Preis heute kaum hergestellt werden
könnten. Erst bei dem Betrachten eines solchen Raumes erhält nian
einen Begriff von der Pracht, mit welcher die alten Kaufherren
ihre Häuser ausschmückten.*)
Das leistet sich in unseren Tagen selbst ein sehr reicher Mann
nur äußerst selten, und die Architekten haben oft mit großen Schwierig-
keiten zu kämpfen, wenn von ihnen die Einrichtung eines altdeutschen
Zimmers verlangt wird. Da heißt es gewöhnlich mit wenig Mitteln
möglichst viel leisten, deshalb bildet man die kassettirte, geschnitzte
Holzdecke in Gyps nach; die mannshohe künstlerisch geschnitzte Holz-
vertäfelung der Wände ersetzt man durch eine glatte Holzverschalung
auf die man ausgesägte oder aus Papiermasse gepreßte Ornamente
aufnagelt. Setzte der alte Patrizier seinen Stolz darin, die einzelnen Decken-
felder mit Bildern von der Hand der bedeutendsten Maler zu schmücken, so
genügt unfern modernen Patriziern schon eine krause, oft recht bunte
Dekorationsnialerei, wie denn auch die alten, kostbaren Holzintarsien
vollständig durch Schablonenmalereien ersetzt werden. Selbst bis
auf die Thürschlösser erstreckt sich die billige, häufig recht ungeschickte,
Nachahmung, denn gravirte, künstlerisch ausgeführte Schloßschilder
wie sie das XVI. und XVII. Jahrhundert hervorbrachten, sind theuer,
also behilft man sich mit einem in Eisen getriebenen Ungeheuer, an
dem sich jeder die Hände zerkratzt und zerstößt.
*) Siehe Hellcrhaus in Nürnberg, Fursteneck in Frankfurt a. N.
(Fortsetzung auf Seite ;6S dieses Heftes.)