Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt
— 16.1936
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0035
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Heft 1
DOI Artikel:Eckardt, Johannes: Vom Bioskop zum Tonfilm
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wechselte in den Jahren 1906/07 bereits zweimal in der Woche das Spielprogramm.
Die Bioskoptheater oder Kinematographentheater, wie sie sich nannten, wurden
vom Berliner bald Kientopp getauft. In diesen Jahren um 1906 entstanden in
Berlin etwa 300 solcher Kinos; sie waren über ganz Berlin verstreut, die meisten
lagen im Norden. Im alten Westen, in der Friedrichstraße und Unter den Linden
waren vornehme Kinos, mit über 100 Plätzen, die Klappstühle mit Stoff überzogen.
München hatte um diese Zeit auch schon an die 60 solche kleine Theater. Dort
war es vor allem ein alter Schausteller der Oktoberwiese, Gabriel, der bahnbrechend
wirkte. Dem alten Gabriel kam es darauf an, Filme aus fremden Ländern und von
fernen Völkern zu zeigen; er war ja
auch in seinen Schaustellungen immer
darauf bedacht, mehr zu geben als
bloße Sensation. Und der „Papa Ga^
briel", wie man ihn in München
nannte, hat für diese Art von Filmen
bis an sein Lebensende immer größtes
Interesse praktisch bewiesen.
Im Jahre 1906 hat Paul Davidson
in der Gallusgasse in Frankfurt a. M.
ein Ladenkino mit 100 Plätzen er^
öffnet; Holzbänke mit Lehne. Er war
der Direktor des Ganzen, und seine
Frau saß an der Kasse. Im primitiven
Vorführungsraum saß der Vorführer;
er hieß Schuch; heute ist Schuch der
Generaldirektor des Berliner „Wintern
garten". Davidson kam aus der Ver^
treterbranche; er handelte mit Plauen
ner Gardinen; er war dann auch
Chef der Frankfurter Wach^ und
Schließgesellschaft. Das kleine Kino
in der Gallusgasse ging so gut, daß sein Besitzer bald ähnliche Kinos in
Ludwigshafen und in Mannheim aufmachte; auch sie rentierten sich sehr.
Und so suchte Davidson Bankverbindungen, fand sie auch und gründete die
„Projektion A. G. Union", ging nach Berlin, machte dort die ersten U.T.^Theater
auf und legte so die Grundlage für die spätere Ufa. Er war sicher ein erfolgreicher
Kaufmann; es ist aber ebenso bemerkenswert, daß er auch bei Filmschaffenden in
gutem Andenken steht; so erzählt z. B. Paul Wegener, der für seine Firma Filme
herstellte, daß er ganz offen sagte, er verstünde von der Kunst nichts, habe zu
Wegener volles Vertrauen und riskiere daher auch das Geld, das Wegener für seine
Filme brauchte. Daß er damit nicht schlecht fuhr, wissen wir.
In der Zeit haben sich langsam auch prominente Darsteller der Bühne dem
Film zur Verfügung gestellt. Zunächst galt es als unstandesgemäß, zu filmen; ja,
man sah die Leute vom Film fast als etwas Unnormales an und bespöttelte sie.
So ging es Alwin Neuss, der eine große Rolle am Deutschen Theater spielte, und
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Die Bioskoptheater oder Kinematographentheater, wie sie sich nannten, wurden
vom Berliner bald Kientopp getauft. In diesen Jahren um 1906 entstanden in
Berlin etwa 300 solcher Kinos; sie waren über ganz Berlin verstreut, die meisten
lagen im Norden. Im alten Westen, in der Friedrichstraße und Unter den Linden
waren vornehme Kinos, mit über 100 Plätzen, die Klappstühle mit Stoff überzogen.
München hatte um diese Zeit auch schon an die 60 solche kleine Theater. Dort
war es vor allem ein alter Schausteller der Oktoberwiese, Gabriel, der bahnbrechend
wirkte. Dem alten Gabriel kam es darauf an, Filme aus fremden Ländern und von
fernen Völkern zu zeigen; er war ja
auch in seinen Schaustellungen immer
darauf bedacht, mehr zu geben als
bloße Sensation. Und der „Papa Ga^
briel", wie man ihn in München
nannte, hat für diese Art von Filmen
bis an sein Lebensende immer größtes
Interesse praktisch bewiesen.
Im Jahre 1906 hat Paul Davidson
in der Gallusgasse in Frankfurt a. M.
ein Ladenkino mit 100 Plätzen er^
öffnet; Holzbänke mit Lehne. Er war
der Direktor des Ganzen, und seine
Frau saß an der Kasse. Im primitiven
Vorführungsraum saß der Vorführer;
er hieß Schuch; heute ist Schuch der
Generaldirektor des Berliner „Wintern
garten". Davidson kam aus der Ver^
treterbranche; er handelte mit Plauen
ner Gardinen; er war dann auch
Chef der Frankfurter Wach^ und
Schließgesellschaft. Das kleine Kino
in der Gallusgasse ging so gut, daß sein Besitzer bald ähnliche Kinos in
Ludwigshafen und in Mannheim aufmachte; auch sie rentierten sich sehr.
Und so suchte Davidson Bankverbindungen, fand sie auch und gründete die
„Projektion A. G. Union", ging nach Berlin, machte dort die ersten U.T.^Theater
auf und legte so die Grundlage für die spätere Ufa. Er war sicher ein erfolgreicher
Kaufmann; es ist aber ebenso bemerkenswert, daß er auch bei Filmschaffenden in
gutem Andenken steht; so erzählt z. B. Paul Wegener, der für seine Firma Filme
herstellte, daß er ganz offen sagte, er verstünde von der Kunst nichts, habe zu
Wegener volles Vertrauen und riskiere daher auch das Geld, das Wegener für seine
Filme brauchte. Daß er damit nicht schlecht fuhr, wissen wir.
In der Zeit haben sich langsam auch prominente Darsteller der Bühne dem
Film zur Verfügung gestellt. Zunächst galt es als unstandesgemäß, zu filmen; ja,
man sah die Leute vom Film fast als etwas Unnormales an und bespöttelte sie.
So ging es Alwin Neuss, der eine große Rolle am Deutschen Theater spielte, und
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