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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 16.1936

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Heft 3
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Koszella, Leo: Gegerbte Menschenhaut
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0194

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Boxertypen

Hermann Rombach

GEGERBTE MENSCHENHAUT
Von
LEO KOSZELLA
Die wohl erste und einzige öffentliche Ausstellung von gegerbtem Menschen^
leder war seinerzeit auf der Internationalen Lederschau in Berlin zu sehen.
Dort wurde in einer „Vitrine des Grauens" neben dem gegerbten Brustteil einer
Chinesin ein mumifizierter Häuptlingskopf der Maori aus Neuseeland mit kunst^
voller Hauttätowierung gezeigt. Ferner sah man Kriegstrophäen der Jivarosf
indianer vom Amazonas, gleichfalls mumifizierte, auf Faustgröße gebrachte Haut^
präparate von abgeschlagenen Menschenköpfen, bei denen besonders die Erhaltung
der Gesichtszüge auffiel. Mit Menschenhaut bezogene Schädeltrommeln tibeta^
nischer Priester und Flöten aus Menschenknochen mit teilweiser Umkleidung von
Menschenhaut beschlossen die in jeder Hinsicht in der Tat Grauen erweckende
Sammlung.
Nicht unbekannt ist die Tatsache, daß fanatische Bücherliebhaber fast aller
Völker und Zeiten besonders kostbare Werke auch in besonders wertvolle Ein^
bände binden und diese wiederum wertvoll und künstlerisch ausgestalten ließen.
Natürlich setzten die Verwendbarkeit überhaupt und nicht zuletzt auch der
Fortschrittsgrad der Technik diesen Wünschen eine bestimmte Grenze. Dazu
gehört auch die Verwendung von Menschenhaut als Einbandleder. Das amüsanteste
Beispiel ist wohl Flammarions Werk „Himmel und Erde". Der berühmte, erst vor
kurzer Zeit verstorbene Gelehrte hatte einst die Schulter einer jungen, aber tod^
kranken Dame bewundert, die ihm daraufhin die Haut dieses Körperteils testa^
mentarisch vermachte, mit der Bitte, hierin das erste Werk, das Flammarion nach
ihrem Tode herausgeben würde, binden zu lassen. Aus Dankbarkeit ließ Flam^
marion in goldenen Buchstaben die Worte einpressen: „Zur Erinnerung an eine
Tote".

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