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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 16.1936

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Heft 7
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Dehan, Aiken A.: Das Problem des Händewaschens
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0596

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DAS PROBLEM DES HÄNDEWASCHENS
Von
AIKEN A. DEHAN
In England gilt es als Pflicht eines Gastgebers, den Ankömmlung
auf die im Hause verschwiegenen Räumlichkeiten aufmerksam
zu machen, was man als „Hände waschen" bezeichnet.
Falsche Scham in übertriebener Form, die das Leben im viktorianischen Zeit/
alter kennzeichnete, ist in neuerer Zeit zum großen Teil verschwunden. Die
meisten von uns nennen heute die Dinge beim rechten Namen. An manchen ver/
werflichen Formen artiger Heuchelei und Prüderie halten wir jedoch fest, und
von diesen steht die verwerflichste im Zusammenhang mit — um es geraden
heraus zu sagen — dem Händewaschen.
Aufmerksame Gastgeber oder Gastgeberinnen sorgen dafür, daß die Gäste
in häufigen Zwischenräumen ihre Hände waschen können, aber wie wenige Gast/
geber und Gastgeberinnen sind heutzutage wahrhaft und selbstlos aufmerksam.
Am schlimmsten sündigen in dieser Beziehung die Frauen. Frauen scheinen so
beschaffen zu sein, daß sie Stunde um Stunde verbringen können, ohne auch nur
daran zu denken, ihre Hände zu waschen. Infolge dieser Beschaffenheit übersehen
die Frauen die Schwäche des stärkeren Geschlechts in dieser Hinsicht und treffen
bei ihren gesellschaftlichen Veranstaltungen wenige oder gar keine Vorkehrungen
dafür. Man stelle sich all die ungezählten Nöte und Leiden vor, die sich aus diesem
Mangel an Rücksicht ergeben.
Der männliche Gast mag frieren oder müde sein oder stundenlang stillgesessen
haben, was alles dazu beiträgt, die Sache zu verschlimmern. Jetzt, wo in Amerika
der Alkohol wieder die ihm gebührende Rolle bei gesellschaftlichen Zusammen/
künften einnimmt, hat die Notwendigkeit häufigen Händewaschens ungeheuer
zugenommen.
Angesichts der schon erwähnten besonderen Körperbeschaffenheit der Frau
ist die Gastgeberin in dieser Beziehung in vielen Fällen von Schuld freizusprechen;
aber nicht so der Hausherr. Selbst in einer aus Damen und Herren zusammen/
gesetzten Gesellschaft, wo ein falsches Anstandsgefühl üppig wuchert, kann er
seinen männlichen Gästen mit ein wenig Findigkeit und Originalität Gelegenheit
verschaffen, ihren Nöten abzuhelfen, und zwar in unauffälliger Weise. Für den
Gastgeber selber ist es außerordentlich einfach, von Zeit zu Zeit unter dem Vor/
wand hinauszuschlüpfen, er werde am Telephon verlangt oder die Türklingel
habe geläutet. Aber der Gast hat keine solche Möglichkeiten.
Der ideale Gastgeber gibt seinen männlichen Gästen gleich bei ihrer Ankunft
Gelegenheit, sich die Hände zu waschen. Es mag ein kalter Abend sein, sie mögen
eine lange Strecke gefahren sein, oder sie mögen vor kurzem erst reichliche Mengen
Flüssigkeit zu sich genommen haben, was alles dazu beiträgt, daß sie sich die
Hände waschen müssen. Er verschafft ihnen häufig Gelegenheiten während des
Abends und stets eine Gelegenheit zum Schluß, bevor sie nach Hause gehen.
Aber solche Gastgeber sind nur dünn gesät.

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