Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 16.1936

DOI Heft:
Heft 2
DOI Artikel:
Schneider, Walter: Spukhäuser in Berlin
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0147

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
SPUKHÄUSER IN BERLIN
Von
WALTER SCHNEIDER
Wer den Blick von der Berliner Kurfürstenbrücke nach dem linken Spreeufer
schweifen läßt, dem fällt ein altersgrauer Bau von sehr schmaler Front mit
vielen Stockwerken, ein eckiger Turm mit grünem Dach, der sogenannte „Grüne
Hut", und verschiedene winklige Anbauten auf, die sich der harmonisch durchs
geführten Renaissancebildung des Gesamtbaues wenig anpassen wollen. Es han^
delt sich bei diesen kastellartigen Bauteilen um die Reste der alten, von Friedrich
Eisenzahn um 1450 erbauten Berliner Burg. In diesem ältesten Teil des Schlosses
soll sich nach verschiedenen Berichten aller Zeiten die tief verschleierte „Weiße
Dame" gezeigt haben, wenn der Tod eines Mitgliedes der ehemaligen könig^
liehen Familie bevorstand. Schloßwachen, Diener und im Schlosse beschäftigte
Handwerker wollen sie gesehen haben; ein Posten hatte in seiner Angst sogar
einmal auf sie gefeuert, „natürlich" ohne Erfolg. — - In dem erwähnten „Grünen
Hut", der übrigens bis um die Jahrhundertwende noch der Amme des jeweils
regierenden Königs ein Altersheim bot und deshalb der „Ammenturm" genannt
wurde, soll jene „eiserne Jungfrau" gestanden haben, deren Inneres mit langen
Eisenspitzen besetzt war und deren Umarmung vielen einen entsetzlichen Tod
brachte. Nach einer solchen Exekution soll das Wasser der Spree auf eine weite
Strecke blutrot gefärbt gewesen sein, und die Geister dieser Opfer einer mittels
alterlich strengen Justiz sollen in den Mauern des alten Burgteils nächtlicherweise
umgehen.
Als Spukhaus galt lange Zeit auch das Haus Brüderstraße 10. Vor 1710 gehörte
dieses auch historisch bemerkenswerte Gebäude dem Minister v. Happe, und es
wurde wegen einer traurigen Episode, die sich hier zutrug, lange gemieden. In
dem Hause kam nämlich einst ein Dienstmädchen unschuldigerweise in den Ver^
dacht, einen Silberdiebstahl begangen zu haben. Die Schnelljustiz kannte keine
großen Untersuchungen, sondern es genügte, wie in vielen anderen Fällen, auch
hier lediglich die Anklage mehrerer Personen, um den Verdächtigungen einer
Strafe zuzuführen. Trotzdem das Mädchen immer wieder seine gänzliche Schulde
losigkeit beteuerte, wurde es schon an einem der nächsten Tage an einem Galgen,
den man zur Abschreckung auch noch an dem Hause anbrachte, gehängt. Seit
dem Tage war im „Galgenhaus" keine Ruhe mehr, Tag und Nacht ging es dort
um, und niemand wollte das Gebäude bewohnen. Der Zufall wollte es, daß man
eines Tages den richtigen Dieb bei einem gleichartigen Vergehen faßte, und man
mußte zugleich einsehen, daß ein Justizmord geschehen war. Den wahren Täter
ereilte jetzt sein Geschick, und mit seiner harten Strafe wich auch der Spuk aus
dem „Galgenhaus".
Auch an das idyllisch gelegene Jagdschloß Grunewald am gleichnamigen See
knüpfen sich Sagen, in denen eine gespenstische Frau eine Rolle spielt. Die „schöne
Gießerin" Anna Sydow, die Witwe des Spandauer Geschützmeisters Matthias
Dietrich, war die Geliebte Joachims II. Als sein Nachfolger Johann Georg im

103
 
Annotationen