Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt
— 16.1936
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Heft 10
DOI article:Willert, Arthur: "Foreign Office von Innen"
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St. James-Park, London Richard Duschek
„FOREIGN OFFICE VON INNEN"
Von
SIR ARTHUR WILLERT
„Warum gleichen die Beamten des Foreign Office den Springbrunnen von
Trafalgar Square?" hieß eine Scherzfrage aus dem Zeitalter der Königin Victoria.
„Weil sie von zehn bis vier Uhr spielen!"
Für jene Zeit hatte das Witzwort seine Berechtigung, denn ein Diplomat war,
außer in Krisenzeiten, nicht eben überbürdet. Die jungen Herren vom Aus-
wärtigen Amt hatten einen Erholungsraum, genannt das „Kinderzimmer", wo
ihnen ein Klavier, Florette, Boxhandschuhe und dergleichen zur Verfügung
standen. Aus derselben Zeit stammt die wahre Geschichte von den drei könig-
lichen Sonderkurieren, die nach der Hausordnung ständig für besonders dringende
Anlässe in Reichweite zu sein hatten. Einmal trat ein solcher Anlaß ein und kein
Kurier war zu finden: der erste war auf der Jagd, der zweite beim Rennen, der
dritte vertrieb sich die Zeit in der feinen Gesellschaft des Mayfair-Viertels.
Die jungen Diplomaten erschienen damals gewöhnlich erst nach dem Lunch
zur Arbeit, und trotzdem blieb ihnen noch freie Zeit während der Amtsstunden.
Vor der Vollendung des gegenwärtigen Gebäudes, 1870, befand sich das Aus-
wärtige Amt in einem Hause gegenüber einem Modistenladen, und die jungen
Herren des Foreign Office vergnügten sich damit, Sonnenstrahlen durch Spiegel
in die Gesichter der Modistinnen zu lenken. Beschwerden liefen ein, und Lord
Palmerston, der Außenminister, ließ sagen, er habe zu seinem Mißfallen gehört,
daß die Herren seines Stabes während der Amtsstunden auf junge Damen re-
flektierten.
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