Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt
— 16.1936
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0224
DOI issue:
Heft 3
DOI article:Christiansen, Friedrich: Nati Morales tanzt
DOI article:Kristl, Wilhelm Lukas: Ein Torero macht Toilette
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0224
Jetzt ein heftiges Schütteln des Oberkörpers wie Erschauern in Liebesgedanken,
als zuckten in ihm alle Nerven der Lust auf einmal. Dann ein Springen zur Seite
wie Erschrecken davor, und Abwehr. Mehrere blitzartige Umdrehungen des
Körpers unter weit hintenüber geworfenem Oberkörper (vueltas quebradas en la
cinta) in einer Heftigkeit, daß der Manton hochfliegt und sie als Gipfel der Ver'
suchung ihre Beine — aber nur in einem kurzen Augenblick — sehen läßt. Es
braust an Leidenschaft in ihr. Man empfindet mit ihr den erlesenen Moment, in
dem sie sich selbst ausgibt. — —
Das ist Espana flamenca mit seiner Sonne und urwüchsigen Kraft und seinem
Feuer, das die große Tänzerin in prachtvolle Rhythmen zwingt.
EIN TORERO MACHT TOILETTE
Von
WILHELM LUKHS KRISEL
Als schneite es aus blauem Himmel in lichten Flocken auf die Arena hernieder,
1. 1 auf die zyooo Menschen, so zahllos flattern die weißen Taschentücher. Be'
geistert fordert alles für Lorenzo, für den jungen Espada, der eben so mutig und
virtuos seinen Stier getötet hat, die hohe Auszeichnung: Ohren und Schwanz des
Tieres. Endlich leuchtet hoch oben an der Präsidentenloge das grüne Tuch auf,
zum Zeichen dafür, daß die Richter die Meinung der Fünfundzwanzigtausend
teilen. Der Jubel steigert sich. Vier, fünf junge Kerle springen über die Barriere
und laufen auf eine Gruppe Toreros zu, in deren Mitte einer mit erhitztem Ge^
sicht und leicht irren Augen einen Schluck stärkenden Kognaks nimmt; über die
Narben der rechten Wange rollt der letzte Schweißtropfen. Ehe sich's der Er'
schöpfte versieht, schwebt er in der Luft, tragen ihn Arme flink im weiten Rund
der Arena herum: Ein grauer Knäuel, darauf ein silbernes Figürchen blitzt. Wie
die Brandung des Meeres die Ufer entlang läuft, so schwillt der Beifall an und
verebbt und bricht bei den nächsten Tausenden neuerdings hervor. Der Gefeierte
dankt und wirft seine Trophäen unter die Jubelnden hinein, hier ein Ohr und dort
eines, tut es mit so elegantem Schwung, als hätte er nicht einen Gang auf Leben
und Tod bestanden, sondern einen harmlosen Theaterauftritt hinter sich. Nur
selten durchstößt ein Trompetenton der scheinbar stumm spielenden Musiki
kapelle das Brausen der Begeisterung...
Das war vor acht Tagen, auf dem größten Stierkampfplatz in Madrid. Heute
verkünden Plakate abermals den Namen Lorenzo Garza, verkünden ihn gar zu'
sammen mit denen zweier berühmter Matadore. Längst sind die billigeren Sonnens
plätze ausverkauft. Es blüht der Zwischenhandel mit Eintrittskarten. Taxi'
chauffeure rüsten sich. Straßenbahn und Untergrundbahn schalten Sonderwagen
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als zuckten in ihm alle Nerven der Lust auf einmal. Dann ein Springen zur Seite
wie Erschrecken davor, und Abwehr. Mehrere blitzartige Umdrehungen des
Körpers unter weit hintenüber geworfenem Oberkörper (vueltas quebradas en la
cinta) in einer Heftigkeit, daß der Manton hochfliegt und sie als Gipfel der Ver'
suchung ihre Beine — aber nur in einem kurzen Augenblick — sehen läßt. Es
braust an Leidenschaft in ihr. Man empfindet mit ihr den erlesenen Moment, in
dem sie sich selbst ausgibt. — —
Das ist Espana flamenca mit seiner Sonne und urwüchsigen Kraft und seinem
Feuer, das die große Tänzerin in prachtvolle Rhythmen zwingt.
EIN TORERO MACHT TOILETTE
Von
WILHELM LUKHS KRISEL
Als schneite es aus blauem Himmel in lichten Flocken auf die Arena hernieder,
1. 1 auf die zyooo Menschen, so zahllos flattern die weißen Taschentücher. Be'
geistert fordert alles für Lorenzo, für den jungen Espada, der eben so mutig und
virtuos seinen Stier getötet hat, die hohe Auszeichnung: Ohren und Schwanz des
Tieres. Endlich leuchtet hoch oben an der Präsidentenloge das grüne Tuch auf,
zum Zeichen dafür, daß die Richter die Meinung der Fünfundzwanzigtausend
teilen. Der Jubel steigert sich. Vier, fünf junge Kerle springen über die Barriere
und laufen auf eine Gruppe Toreros zu, in deren Mitte einer mit erhitztem Ge^
sicht und leicht irren Augen einen Schluck stärkenden Kognaks nimmt; über die
Narben der rechten Wange rollt der letzte Schweißtropfen. Ehe sich's der Er'
schöpfte versieht, schwebt er in der Luft, tragen ihn Arme flink im weiten Rund
der Arena herum: Ein grauer Knäuel, darauf ein silbernes Figürchen blitzt. Wie
die Brandung des Meeres die Ufer entlang läuft, so schwillt der Beifall an und
verebbt und bricht bei den nächsten Tausenden neuerdings hervor. Der Gefeierte
dankt und wirft seine Trophäen unter die Jubelnden hinein, hier ein Ohr und dort
eines, tut es mit so elegantem Schwung, als hätte er nicht einen Gang auf Leben
und Tod bestanden, sondern einen harmlosen Theaterauftritt hinter sich. Nur
selten durchstößt ein Trompetenton der scheinbar stumm spielenden Musiki
kapelle das Brausen der Begeisterung...
Das war vor acht Tagen, auf dem größten Stierkampfplatz in Madrid. Heute
verkünden Plakate abermals den Namen Lorenzo Garza, verkünden ihn gar zu'
sammen mit denen zweier berühmter Matadore. Längst sind die billigeren Sonnens
plätze ausverkauft. Es blüht der Zwischenhandel mit Eintrittskarten. Taxi'
chauffeure rüsten sich. Straßenbahn und Untergrundbahn schalten Sonderwagen
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