Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt
— 16.1936
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https://doi.org/10.11588/diglit.74679#0018
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DOI Artikel:H.L.: Das Kinokosmorama
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DAS KINOKOSMORAMA
Wohl die seltsamste Illusionsmaschine, die jemals erdacht und gebaut worden
ist, war das „Kinokosmorama" des französischen Erfinders Raoul GrimoimSanson,
dem die Filmvorführungstechnik auch das sogenannte „Malteserkreuz", ein
wichtiges Bestandteil des Projektionsapparates, verdankt. Wer heute die Patente
schrift liest, die Sanson im November 1897 den Pariser Behörden eingereicht hat,
glaubt, in einem utopistischen Roman zu blättern. „Dieses Schriftstück", so etwa
beginnt sie, „hat den Zweck, mir das ausschließliche Urhebern und Eigentums^
recht an einem neuen Panorama mit lebenden Bildern zu sichern, das einem
Zuschauer, der im Mittelpunkte des Panoramas sitzt, die Illusion eines Ballone
aufstieges geben soll ..."
Dieses „Kinokosmorama" oder „Kineorama" machte auf der Pariser Web
ausstellung des Jahres 1900 gewaltiges Furore. Die Decke eines ziemlich umfange
reichen Zirkusgebäudes, das am Fuße des Eiffelturmes errichtet worden war,
täuschte die der Erde zugewandte Hälfte eines riesigen Luftballons vor. Daran
„hing" eine kolossale Gondel, die in Wirklichkeit im Zentrum des Kreises auf
einem säulenartigen Aufbau ruhte. In der Gondel saß das Publikum, und dicht
darunter waren zehn Projektionsapparate kreisförmig angeordnet. Die „lebenden
Bilder" wurden auf die runden Zirkuswände geworfen. Sie zeigten Landschaften
aus Belgien, Spanien und Frankreich und einige militärische Szenen.
Das ganze „Geheimnis" des fliegerischen „Kineoramas" bestand darin, daß
Sanson seine Aufnahmeapparate am Boden der Gondel eines aufsteigenden Ballons
befestigt hatte. Die Projektion der so gewonnenen Bildstreifen erzeugte dann bei
den in Ruhe befindlichen Zuschauern den Eindruck, als erhebe sich ihr Standort
rasch und konstinuierlich, und die Illusion soll so vollkommen gewesen sein, daß
viele Gäste „luftkrank" wurden.
Sanson erhielt für seine Erfindung den zweiten Preis der Weltausstellung,
aber der aeronautische Zirkus am Eiffelturm wurde bald von der Polizei geschlossen.
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